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Risikofaktor Mikroplastik
Was machen Kunststoff-Partikel im Körper?

Mikroplastik ist nicht nur ein Problem für die Umwelt. Auch wir Menschen nehmen Kunststoff-Partikel über die Nahrung auf. Unklar ist Biologen und Medizinern bislang, ob sie im Körper Schaden anrichten, zum Beispiel indem giftige Stoffe in die Blutbahn gelangen. Das soll nun verstärkt erforscht werden.

Von Christiane Westerhaus | 07.06.2019
Frau trinkt Wasser aus einer Plastikflasche (Symbolbild)
Die Auswirkungen von Plastik-Mikropartikeln auf die Gesundheit sind noch nicht ausreichend erforscht (imago / blickwinkel / M. Gann)
Die Nachricht hat sich vorigen Herbst in Windeseile verbreitet: Österreichische Forscher vom Umweltbundesamt und der Universität Wien hatten erstmals in menschlichen Stuhlproben Mikroplastik gefunden. Damit war klar: Die winzigen Kunststoffteilchen gelangen auch in den menschlichen Körper. Bettina Liebmann, eine der Autorinnen der Studie, staunte damals nicht schlecht:
"Das Ergebnis hat uns richtig überrascht. Wir haben zwar nur eine sehr kleine Anzahl an Probanden, die wir untersucht haben. Es war nur acht Personen, hier möchte ich auch drauf hinweisen: Das ist keine repräsentative Auswahl. Umso überraschender war es für uns, dass wir in allen acht Stuhlproben Mikroplastik nachweisen konnten."
Ob die aufgenommenen Kunststoff-Partikel im Körper Schaden anrichten oder einfach nur ausgeschieden werden, ist damit aber noch nicht geklärt. Theoretisch könnten die Partikel die Darmwand oder anderes Gewebe schädigen, falls sie scharfe Ecken und Kanten haben. Andererseits haften sich Schadstoffe gerne an Kunststoffe an. Durch die sauren Magensäfte könnten die wieder freigesetzt werden und in den Blutkreislauf gelangen. Und auch die Plastik-Teilchen selbst können je nach Kunststofftyp giftige Stoffe enthalten, die möglicherweise im Verdauungssystem freigesetzt werden. Bei all diesen Fragen steht die Forschung aber noch ganz am Anfang, meint Alfonso Lampen, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit am Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung und Moderator der Konferenz.
Mikroplastik wird in immer winzigere Partikel zerrieben
"Bei Mikroplastik ist es so: Das Gefährdungspotenzial, das kennen wir momentan nicht so richtig. Wir wissen aber, dass große Partikel so gut wie gar nicht in unseren Körper hinein kommen. Nur die ganz kleinen Partikel unter 1,5 Mikrometer. Ein Mikrometer sind ein millionstel Meter. Also nur die ganz kleinen gelangen in den Körper. Und die größeren Teile, die im Millimeterbereich sind, die nehmen wir nicht auf. Die werden im Stuhl verharren und dann werden die in die Kläranlage kommen. Das heißt, da ist eigentlich kein Risiko zu erwarten."
Potenziell gesundheitsschädlich sind also vor allem kleine Mikroplastikpartikel. Das Problem dabei: Das Mikroplastik wird in immer winzigere Partikel zerrieben. Ab einer Größe von weniger als 0,1 Mikrometer sprechen Forscher von Nanoplastik. Und diese winzigen Teilchen, die hundertmal feiner als ein menschliches Haar sind, kann der Körper aufnehmen und verstoffwechseln.
"Ob ein Risiko zu erwarten ist bei den richtig kleinen Mikropartikeln, da sind wir momentan dabei, zu evaluieren und zu erforschen: Gehen die rein und wie werden die aufgenommen? Gelangen Sie überhaupt in den Blutkreislauf? Und wenn ja, was machen die da? Und da haben wir auch ein Experiment durchgeführt, einen Tierversuch. Und dann haben wir aber festgestellt, dass ganz wenige dieser kleinen Partikel, also das war Polystyrol, aufgenommen worden sind und diese wenigen Partikel keinen oxidativen Stress induziert haben."
Oxidativer Stress bedeutet, dass die Zellen vermehrt reaktive Sauerstoffverbindungen bilden, die möglicherweise die Entstehung von Krankheiten wie Krebs begünstigen. Genaueres wisse man derzeit aber noch nicht, sagt Alfonso Lampen:
"Hier fehlen Studien, hier sind einfach gar keine Daten da. Bisher konnte keiner diese Partikel messen, detektieren."
Problembewusstsein wächst in Forschung und Industrie
Klar ist aber, dass Mikro- und Nanoplastikteilchen in unserer Nahrung angelangt sind und wir uns kaum davor schützen können, sie zu uns zu nehmen. Deshalb sollten die Folgen für die Gesundheit nun so schnell wie möglich erforscht werden, meint Bettina Liebmann:
"Es sind jetzt sehr viele offene Fragen auf dem Tisch, die wir bearbeiten müssen, gemeinsam mit Medizinern mit Biologen. Es gibt einen Bedarf, mehr zu forschen, den Bedarf, sich auch anzusehen, wie sich Mikroplastik in Körper verhalten kann, wie es potenziell auch verbreitet werden kann."
Das Problembewusstsein wächst und die Industrie sucht nach neuen Verpackungsmaterialien. Und nach Möglichkeiten, die winzigen Partikel aus Nahrung und Umwelt fernzuhalten.