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Risse im Beton

In Rheinland-Pfalz haben die Grünen die SPD zwar nicht überholt, zwingen aber die geschwächte SPD unter Kurt Beck in eine Koalition. Kompromisse müssen geschlossen werden, doch eine Brücke gibt es, über die kein Grüner gehen will: den umstrittenen Hochmoselübergang.

Von Ludger Fittkau | 07.04.2011
    Ein Betonkopf ist Kurt Beck nicht. Beck war immer pragmatisch, konnte sich jederzeit neuen politischen Gegebenheiten öffnen und das Beste draus machen. Langjährige Koalition mit der heute schwindsüchtigen rheinland-pfälzischen FDP, dann SPD-Alleinregierung. Gehversuche als SPD-Parteivorsitzender auf dem Berliner Polit-Parkett, ein Ausrutscher, der wehtat, Rückkehr in sein kleines Reich an Rhein und Mosel. Und dort jetzt wahrscheinlich ein Bündnis mit den Grünen.

    "Ich glaube, dass wir uns in den letzten Jahren gut kennengelernt haben, die Politiker und Politikerinnen der Grünen und der Sozialdemokratie. Wir wissen, dass wir es mit erfahrenen Kommunalpolitikern zu tun haben."

    Wenn nur der Beton nicht wäre. Nicht als Metapher für politische Halsstarrigkeit, sondern ganz konkret - als Baustoff, dem sich Kurt Beck bisher sehr zugeneigt zeigte. Unmengen Beton hat er am Nürburgring gießen lassen, daraus entstand ein Vergnügungspark, dem allerdings die Besucher fehlen. Aus Beton lässt Beck erklärtermaßen auch gerne Autobrücken bauen. Gute Straßenverbindungen waren immer wichtig für das strukturschwache Rheinland-Pfalz. Menschen vom Land können als Pendler Arbeit in Ballungsräumen wie Rhein-Main, Rhein-Neckar oder auch in Luxemburg finden.

    Doch bereitet der Beton Kurt Beck jetzt politisches Ungemach. Ausgerechnet in einer Region, die er nicht nur als Landesvater sehr mag. An der Mosel ist er oft privat unterwegs, im Urlaub. Mit dem Fahrrad zum Beispiel:

    "Es hat alles seinen Reiz. Dazu gehören die Burgen, dazu gehören aber auch wirklich schöne Dörfer, hier auf der Eifel, auf der anderen Seite auf dem Hunsrück und entlang der Mosel. Das Gesamtbild macht das aus."

    Zum Gesamtbild will Kurt Beck seit Längerem den sogenannten "Hochmoselübergang" hinzufügen, eine gigantische Moselbrücke, die Eifel und Hunsrück bei Bernkastel-Kues verbinden soll. Doch die Grünen, mit denen Beck künftig in Mainz regieren will, mögen die geplante Brücke nicht, nennen es ein Betonmonster. Sie setzten durch, das während der Koalitionsverhandlungen keine neuen Aufträge für den Weiterbau der Brücke vergeben und damit keine neuen Fakten geschaffen werden.

    Jutta Blatzheim-Rögler, die an der Mosel schon lange gegen das Projekt kämpft, sitzt jetzt als einflussreiche Grünen-Abgeordnete im rheinland-pfälzischen Landtag. Für sie ist neben der ästhetischen Zumutung der Bevölkerungsrückgang ein zentrales Argument gegen den Hochmoselübergang:

    "Wenn sie die Zahlen der Demografie-Entwicklung kennen, bis 2050 soll Rheinland-Pfalz ein Viertel seiner Bevölkerung verlieren, dann fragen wir uns natürlich schon, ob es jetzt sinnvoll ist, 330 Millionen Euro in ein Projekt zu stecken, das unserer Meinung nach keine signifikante Verbesserung für den regionalen Verkehr bringen wird."

    Doch die Grünen machen Kurt Beck nicht nur wegen ihrer Haltung zum Hochmoselübergang zu schaffen. Sie stellen auch ein weiteres Projekt infrage, für das Beck und seine SPD sich sehr engagieren - den Flughafen Hahn im Hunsrück nämlich. Von dem alten US-Militärflughafen können Passagiere mit der irischen Billigfluglinie "Ryan Air" reisen. Dafür zahlt das Land jedes Jahr bis zu 16 Millionen Euro Subventionen. Für Kurt Beck ist Hahn ein gelungenes Projekt der zivilen Nutzung ehemaliger Militäranlagen, von denen es in Rheinland-Pfalz viele gibt. Die Grünen sehen das anders - wegen der öffentlichen Gelder und weil hier 24 Stunden am Tag Flugzeuge starten und landen. Die Grüne Jutta Blatzheim-Rögler:

    "Ja, Grüne haben sich was anderes vorgestellt als Konversionsprojekt für diesen Flughafen. Aber er ist jetzt da. Es gab gerade ein Bundesgerichtshofsurteil zu den Subventionen, die auf den Hahn fließen, das wird jetzt noch mal von der EU-Kommission geprüft. Wenn es nicht zulässig ist, dass in dem Maße Subventionen, die in den letzten Jahren gerade von der Landesregierung auf den Hahn geflossen sind, da brauchen wir gar nicht mehr protestieren, weil es sich dann auch für Ryan-Air nicht mehr lohnen wird, auf dem Hahn zu landen."

    Dann landen eben andere Flieger, hält die SPD dagegen. Vor allem Frachtflieger. Denn Hahn ist inzwischen der fünftgrößte Frachtflughafen Deutschlands. Mehrere Tausend Arbeitsplätze seien rund um den Flughafen entstanden. Auch für die Zukunft von Hahn wäre der Hochmoselübergang ein Gewinn. Er schüfe eine neue, bequeme Anbindung an den Norden des Landes und die Beneluxstaaten, argumentiert die SPD-Landtagsabgeordnete Bettina Brück. Bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung in Bernkastel-Kues an der Mosel stellt sie sich grünen Kritikern des Flughafens:

    "Vielleicht sollten sie hochfahren und sich das angucken. 55 Prozent Wachstum in der Fracht, der Flughafen wächst immer weiter. Und das ist auch gut so, weil wir brauchen die Arbeitsplätze, die dort geschaffen worden sind."

    Ob es die Grünen schaffen, in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD wenigstens ein Nachtflugverbot für den Flughafen Hahn durchzusetzen, ist fraglich. Ebenso werden die Sozialdemokraten wohl darauf bestehen, die Formel-1-Rennen am Nürburgring weiterhin mit einer zweistelligen Millionensumme aus dem Landeshaushalt zu subventionieren. Dafür haben die Grünen naturgemäß wenig Verständnis. Doch Kurt Beck wird sich in der Eifel nicht nachsagen lassen wollen, erst das unnütze Freizeitzentrum am Nürburgring gebaut zu haben und dann auch noch die Hauptattraktion - den Formel-1-Zirkus mit Vettel und Schumacher - vergrault zu haben.

    Die Hochmoselbrücke, Dauersubventionen für Regionalflughäfen wie Hahn und Zweibrücken, der Nürburgring und zu hohe Staatsschulden - das sind die Knackpunkte für Rot-Grün in Rheinland-Pfalz. Sie müssen geklärt werden, um den jeweiligen Koalitionspartner nicht zu vergraulen.

    Aber: Auch unter Rot-Grün wird aus den Betonbergen an der Autorennbahn keine neue Grünanlage werden. Ob aber der Beton für die umstrittene Moselbrücke angerührt wird, darf getrost bezweifelt werden. Einen sichtbaren Erfolg muss Beck den grünen Betonskeptikern schon gönnen, wenn er mit ihnen regieren will. Und das will er - daran gibt es bis jetzt keinen Zweifel. Doch die eigentlichen Koalitionsverhandlungen haben noch nicht begonnen. Eines ist klar: Betonköpfe sind nicht gefragt - auf beiden Seiten nicht.