Mittwoch, 24. April 2024

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Rita Gudermann und Bernhard Wulff: "Der Sarotti-Mohr. Die bewegte Geschichte einer Werbefigur".

Seit Generationen ist uns ein dunkelhäutiger, kleiner Kerl mit Turban und Pluderhose vertraut - der Sarotti-Mohr. Dessen Geschichte - ein Kaleidoskop verschiedenster Zeitströmungen - erzählt die Wirtschaftshistorikerin Rita Gudermann kenntnisreich und unterhaltsam. So erfahren wir denn auch, dass die Marketing-Experten dem Mohren, der jetzt die globalisierte Welt erobern soll, ein neues Image als milchkaffeefarbener Magier verpasst haben - aus Gründen der political correctness. Enttäuschte Fans verglichen ihn bereits mit Michael Jackson. Dorothea Jung über den Mohr und Magier:

Von Dorothea Jung | 18.10.2004
    Klein, großer Turban, Pumphosen, Schnabelschuhe, goldene Ohrringe.

    Ich seh' ihn vor mir, mit dieser typischen, orientalischen Bekleidung - durchaus positiv.

    'Hier ein Stückchen, da ein Stückchen...'; also - irgendwie so schwach ...

    Da glaube ich, gab es einen Werbespruch: 'Hier ein Stückchen, da ein Stückchen, vielen Dank Sarottimohr.

    Der Schluss geht: 'Vielen Dank ruft man im Chor, vielen Dank Sarotti-Mohr!'

    Er ist die beliebteste Deutsche Werbefigur - und auch die bekannteste. Bei 98 Prozent aller Deutschen ruft der Sarotti-Mohr süße Erinnerungen wach. Der kleine Kerl im Orient-Kostüm war die Zierde von Schokoladentafeln und Pralinenschachteln. Und ein Star im Werbefernsehen der Wirtschaftswunderjahre, wo er mit Sarotti-Schokolade Liebespaare zusammenführte und. Prinzessinnen zum Lachen brachte.

    "Ja , sie lacht! Hhmm! Wer gute Schokolade liebt, freut sich, dass es Sarotti gibt!

    Ich bin in der DDR aufgewachsen, und immer, wenn wir nach Berlin kamen, dann war das ne Schokolade, die wir uns nie leisten konnten. Und das ist uns so in Erinnerung geblieben.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam man die erste Schokolade. Und diese verkörperte nach außen hin der Sarotti-Mohr. Dieser Sarotti-Mohr war ja in den fünfziger Jahren für Kinder etwas ganz Besonderes. Und wenn wir Sarotti-Schokolade bekommen hatten, ja, das war für uns wie Weihnachten, Ostern, Geburtstag auf einen Tag!

    Doch der Sarotti-Mohr hat nicht nur eine Schokoladenseite. Die Figur verkörpert auch das Klischee des allzeit dienstfertigen Geistes mit schwarzer Hautfarbe.

    Ich hab damit auch 'nen Problem mit gehabt ne Zeitlang, es gibt ja immer dieses: Der Schwarze ... . Sagt man nun Farbiger, sagt man Schwarzer, sagt man Schwarzafrikaner; man muss ja immer aufpassen, dass da nicht Rassismus als Thema mit hinausklingt.

    Also der Sarotti-Mohr ist die beliebteste deutsche Werbefigur; das macht ihn für die Werbefirma zu einem absoluten Trumpf im Markenportfolio - und auf der anderen Seite weiß oder ahnt man, dass der Sarottimohr gewisser Weise einen Hautgôut hat. Also man kennt das noch von den alten Bildern, da trägt er ein Tablett; da ist er offensichtlich ein Sklave, ein schwarzer Sklave; viele Leute wissen nicht, was der Hintergrund dieses schwarzen Sklaven ist, aber er ist ambivalent, und das macht ihn interessant. Und deswegen glaube ich auch, dass so viele Leute ihre ganz persönliche Sarotti-Geschichte kennen und eben eine ganz besondere Beziehung zu dem Mohren haben, weil: der hat Persönlichkeit, der hat Charakter. Und auch wenn man gar nicht so genau die Hintergründe weiß. Und die Hintergründe haben wir eben in dem Buch ausgearbeitet.

    Rita Gudermann, Wirtschaftshistorikerin und Journalistin, hat die Biografie des Sarotti-Mohren geschrieben. Dabei serviert die Autorin auch kleine Portionen Wirtschaftsgeschichtegeschichte; man liest von der Kakaobohne, von der Industrialisierung der Schokoladenherstellung und über die Erfindung von Schutzmarken im Zeitalter der Massenproduktion. Vor allem aber stellt Rita Gudermann die Entwicklungsgeschichte des Sarotti-Mohren in einen kulturhistorischen Kontext, in dem der Kunstgeschmack genauso wandelbar ist wie das Klischee.

    Diese Figur des Sarotti-Mohren ist entwickelt worden 1918; von einem Künstler, Julius Gipgens, einem ganz berühmten Reklame-Künstler; der hat das Klischee des schwarzen Dieners mit dem schwarzen Gesicht, dem Turban und der Pluderhose aufgenommen, hat relativ spät, erst 1918, also als quasi der Kolonialismus schon längst in die Krise geführt hat, nämlich in den ersten Weltkrieg, hat diese Figur genommen und hat sie auf Pralinenschachteln und Schokoladentafeln gemacht, und erzielt damit einem unglaublichen Erfolg. Also da schwingt dann, wenn man diesen Sarotti-Mohren 1918 sieht, da schwingt eine mehrere Jahrhunderte währende Kulturgeschichte mit.

    Es ist eine Geschichte, die mit der Sklavenjagd im 16. Jahrhundert beginnt, die von adeligen Damen in Europa erzählt, die sich schwarze Knaben hielten, damit ihre vornehme Blässe unterm Baldachin besser zur Geltung kommt. Es ist Geschichte des Exotismus, der Phantasien vom Orient bereithielt und in Literatur und bildender Kunst Haremswächter auftreten ließ - angetan mit Turban, Kaftan und Schnabelschuhen. Kulturelle Stereotypen, die begleitet werden von rassistischen Klischees und realen Menschenrechtsverletzungen an Farbigen in aller Herren Länder. Der Sarotti-Mohr, sagt Rita Gudermann, hat all diese Anklänge immer mit sich getragen. So geriet er in die Kritik und musste sich in den 80er Jahren fast unsichtbar machen.

    Die Firma reagiert auf die zunehmende Kritik an einer Figur mit rassistischen Konnotationen, wie eben dem Sarotti-Mohr. Und fängt an, den Sarotti-Mohren immer mehr in den Hintergrund zu stellen. Das heißt: der Sarotti-Mohr wird immer kleiner auf den Packungen; er erscheit von einem Medaillon umgeben, erst weiß, dann Gold und ist irgendwann nur noch eine Figur auf einer Schärpe, die sich dann über jede Schokoladentafel zieht.

    Der Tablett-tragende Sarottimohr, der an einen Sklaven erinnern konnte, war schon zuvor zurückgetreten zugunsten des kleinen Herolds der süßen Verführung, der eine blau-rote Fahne schwingt. Aber das Unternehmen mag nicht ganz auf ihren Werbeträger verzichten. Und als vor etwa zehn Jahren die Markenwelt von einer Nostalgiewelle erfasst wurde, tauchte auch der Sarotti-Mohr wieder auf. Jetzt als milchkaffeebrauner Magier, der mit Sternen jongliert und die Konsumenten mit Süßigkeiten verzaubert.

    ... Wie gut, dass es Sarotti gibt.

    Zum Schluss der Politischen Literatur besprach Dorothea Jung Rita Gudermann und Bernhard Wolff "Der Sarotti-Mohr. Die bewegte Geschichte einer Werbefigur". Ch. Links Verlag, Berlin 2004, 176 Seiten, 29,90 Euro.