Mittwoch, 24. April 2024

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Robbe: Es wird erst in einigen Wochen interessant

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, geht davon aus, dass erst in einigen Wochen Ergebnisse der Präsidenten- und Parlamentswahl im Kongo vorliegen werden. Wie die Reaktionen auf den Wahlausgang sein werden, lasse sich aber nicht abschätzen, sagte der SPD-Politiker. Daher müssten die Bundeswehrsoldaten auf alle Szenarien vorbereitet sein.

Moderation: Bettina Klein | 29.07.2006
    Bettina Klein: Zum ersten Mal seit 40 Jahren wird in der Demokratischen Republik Kongo morgen frei gewählt. Für die Vereinten Nationen ist die Organisation und Absicherung der Präsidenten- und Parlamentswahl der größte und komplexeste Einsatz dieser Art in ihrer Geschichte. Insgesamt 17.000 UNO-Friedenssoldaten sind in die Region entsandt; die Europäer schicken zusätzliche 2000. 780 davon kommen aus Deutschland. Über das, was sie dort erwartet, habe ich vor der Sendung mit dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, mit Reinhold Robbe, SPD, gesprochen und ihn zunächst gefragt, was genau, auf die Soldaten, jetzt an diesem Wochenende, am Tag der Wahlen, zukommt.

    Reinhold Robbe: Nun, die Soldaten sind ganz sicher in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Es bleibt abzuwarten, wie die Reaktionen auf die Wahlen sein werden. Insbesondere wird natürlich mit größter Spannung erwartet werden, wie die Verlierer reagieren werden. Nur, das ist natürlich alles nicht in den nächsten Tagen zu erwarten, sondern wir wissen, dass die Auszählungen etliche Wochen in Anspruch nehmen. Gegebenenfalls wird auch die Notwendigkeit bestehen, eine Stichwahl zu machen, wenn es nämlich kein klares Ergebnis gibt. Und insofern ist meine Prognose, dass wir es nicht in den nächsten Tagen, sondern erst in einigen Wochen mit konkreten Ergebnissen zu tun haben. Und erst dann wird es auch interessant, was mögliche Reaktionen auf diese Wahlen angeht. Und das wiederum hat dann auch Auswirkungen auf unsere Soldatinnen und Soldaten in Kinshasa.

    Klein: Auswirkungen welcher Art, Herr Robbe? Also mit welchem Gefahrenpotential in dieser Situation dort müssen wir möglicherweise rechnen?

    Robbe: Das ist genau der Punkt, der überhaupt nicht absehbar ist. Da gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Es wird im Moment darüber spekuliert, dass es Demonstrationen geben kann. Es wird über alles Mögliche gesprochen, in diesem Zusammenhang, aber das ist im Moment ein Stochern im Nebel. Man kann es nicht abschätzen und deswegen wird es so sein, dass die Bundeswehr sich auf ganz unterschiedliche Szenarien einzustellen hat. Aber das tut sie auch, sie weiß, dieses ist kein Spaziergang im Kongo, sondern, wir haben es hier mit vielen Unbekannten zu tun. Und insofern bleiben die nächsten Tage, die nächsten Wochen, abzuwarten, mit Blick auf Reaktionen, mit Blick auf Einsatznotwendigkeiten und mit Blick auf Nachsteuerungsbedarf, den es eventuell geben wird.

    Klein: Die Soldaten haben kein wirklich robustes Mandat dort vor Ort. Sie können nicht wirklich mit Waffengewalt eingreifen, wenn es darum geht, zum Beispiel Auseinandersetzungen zu befrieden. Wie weit dürfen sie denn gehen? Können Sie das an einem Beispiel einmal konkretisieren?

    Robbe: Nein, das ist nicht meine Aufgabe, da irgendwelche Szenarien zu entwickeln. Im Übrigen ist das, denke ich, auch für die Öffentlichkeit nicht gut, da jetzt Dinge darzustellen, die eventuell überhaupt nicht relevant sind. Da müssen auch diejenigen gefragt werden, die in der militärischen Führung Verantwortung haben, sowohl in Potsdam, beim Einsatzführungskommando, wie auch vor Ort. Ich kann im Moment auch nur das zur Kenntnis nehmen, was in den Medien über die Situation berichtet wird. Und ich werde Gelegenheit haben, selber, in einigen Wochen, mir ein Bild zu verschaffen und zwar dann, zu einem Zeitpunkt, wo das Ergebnis der Wahlen vorliegt, wo die Stimmzettel ausgezählt sind, und wo es dann auch entsprechende Reaktionen geben wird. Im Augenblick, wie gesagt, ist es verfrüht, da irgendwelche Aussagen zu machen.

    Klein: Man hört von Beobachtern aus dem Land, dass den EU-Soldaten teilweise großes Misstrauen entgegen gebracht wird, von der kongolesischen Bevölkerung. Ganz einfach, weil die EU die Wahlen ja mitorganisiert hat. Und man befürchtet offensichtlich, dass versucht wird, da in irgendeiner Weise manipulierend einzugreifen. Macht Ihnen das Sorge, dass das für die Soldaten vor Ort dann auch nicht einfacher wird, deswegen.

    Robbe: Wissen Sie, die Soldatinnen und Soldaten sind nicht ohne Grund dorthin entsandt worden. Und natürlich ist es so, dass es, ich wiederhole mich da, mögliche Reaktionen auf den Wahlausgang geben kann. Dazu gehört auch, dass die Mission der Europäischen Union missverstanden werden kann. Auch das sind alles Dinge, die aber auch bei der Planung eine Rolle gespielt haben und auch bei der Einsatzkonzeption eine Rolle gespielt haben. Die Soldaten sind darauf eingestellt. Ich kann nur feststellen, dass hier sehr professionell mit den verschiedenen möglichen Szenarien umgegangen wird und dass die Soldatinnen und Soldaten auf alle Eventualitäten diesbezüglich auch eingestellt sind. Und insofern bleibt wirklich erst einmal abzuwarten, wie die Wahl ausgeht und insbesondere die Unterlegenen, die Wahlverlierer, wenn man so will, auf das Ergebnis reagieren. Erst dann wird man auch sich ein Bild machen können über die Gesamtlage.

    Klein: Im Gespräch ist jetzt immer wieder, Herr Robbe, dass der viermonatige Einsatz möglicherweise nicht ausreichen wird und verlängert werden könnte. Für wie wahrscheinlich halten Sie das im Moment?

    Robbe: Auch dieses zu beurteilen ist im Moment völlig unmöglich, weil man nicht weiß, wie die Reaktionen sein werden. Klar ist und ganz eindeutig fest steht, dass die Mission auf vier Monate reduziert ist. Also sie wird nicht über vier Monate hinausgehen, es sei denn, die Bundesregierung fasst einen anderen Beschluss und dieses würde dann auch vom Deutschen Bundestag mit einem entsprechenden Beschluss praktisch genehmigt. Aber ich kann keine Veranlassung im Augenblick erkennen dafür, dass die Mission verlängert werden soll, oder verlängert werden muss. Und insofern ergibt sich die Frage überhaupt nicht.

    Klein: Dieser Kongo-Einsatz beansprucht die Bundeswehr, wie auch andere Auslandseinsätze, inzwischen schon stark. Kenner der Bundeswehr meinen, schon aus diesem Grund sei eine etwaige Beteiligung deutscher Soldaten an einem Einsatz im Nahen Osten, der jetzt diskutiert wird, nicht denkbar - ganz abgesehen von politischen und historischen Erwägungen. Wie stehen Sie als Wehrbeauftragter dazu? Wäre ein solcher Einsatz den Bundeswehrsoldaten zuzumuten?

    Robbe: Es geht nicht darum, dass den Soldatinnen und Soldaten etwas zugemutet werden kann, es geht um die ganz nüchterne Frage, ob jetzt schon der Zeitpunkt, der richtige, ist, um über mögliche Einsätze in Nahost zu reden und zu spekulieren. Wissen Sie, ich mache jetzt im Augenblick hier im Kosovo Truppenbesuche in verschiedenen Orten, komme mit unzähligen Soldaten zusammen. Und überall nehme ich sehr aufmerksam wahr, wie die Auffassung der Soldaten ist, dass sie nämlich die Erwartungshaltung haben, dass sehr verantwortlich jetzt auch mit diesem neuen Thema umgegangen wird. Und verantwortlich bedeutet, dass man zunächst einmal der Diplomatie es überlässt, jetzt alles zu tun, damit die Waffen schweigen im Nahen Osten, in Israel und auch auf libanesischer Seite. Und dass man alles tut, um erstmal hier politisch das Feld zu sondieren, für mögliche Lösungen, die sich möglicherweise in Zukunft ergeben. Und alles, was jetzt debattiert wird, über konkrete Einsätze und was ich da alles höre, robuste Einsätze, weniger robuste Einsätze und so, trägt nur zur Verunsicherung, insbesondere auch der Betroffenen, der Hauptbetroffenen, nämlich der Soldaten bei und trägt überhaupt nicht dazu bei, hier eine Lösung zu finden, die auch vor dem Hintergrund der sehr komplizierten Situation im Nahen Osten irgendwo zu rechtfertigen wäre. Und insofern rate ich da sehr zu Gelassenheit: Erst einmal abwarten, was sich dort entwickelt und erst einmal alles tun, um hier die Diplomatie sprechen zu lassen und die Diplomatie gewähren zu lassen. Erst dann ist es richtig und angemessen und auch vom Zeitpunkt her richtig, über mögliche Einsätze nachzudenken. Im Augenblick dazu etwas zu sagen, wäre nicht nur falsch, es ist auch, nach meiner Auffassung, in gewisser Weise unverantwortlich.

    Klein: Aber ich verstehe Sie schon insofern richtig, als aus den Gesprächen, die Sie mit Bundeswehrsoldaten führen und geführt haben, schon hervorgeht, dass es diesen Betroffenen lieber wäre, wenn sie nicht Bestandteil einer solchen Truppe werden würden?

    Robbe: Nein, das kann man so nicht sagen, weil man überhaupt nicht weiß, wie die möglichen Anforderungen wären. Es gibt ja die unterschiedlichsten Möglichkeiten einer Beteiligung, auch einer deutschen Beteiligung. Das können ja auch ganz geringe Beteiligungen sein, sowohl was den Umfang angeht, wie auch das, was Material und sonstige Dinge angeht. Zum jetzigen Zeitpunkt da irgendeine Aussage zu machen, ist nicht nur unzweckmäßig, aus Sicht der Soldaten ist es im Moment auch völlig kontraproduktiv.

    Klein: Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe.