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Robben unter Druck
Klimawandel macht dem Antarktischen Seebären zu schaffen

Biologie. - Seit der Mensch aufhörte, die Antarktischen Seebären zu jagen, konnte sich die Art erholen. Doch in den letzten Jahrzehnten ging ihre Zahl erneut zurück. Diesmal dürfte es schwieriger werden, das Überleben der Seebären zu sichern. Die Gründe stehen im Fachmagazin "Nature".

Von Jochen Steiner | 24.07.2014
    Ein südlicher Seebär nimmt ein Sonnenbad
    Ein südlicher Seebär nimmt ein Sonnenbad (dpa picture alliance/Bernd Wüstneck)
    Südgeorgien, eine Insel im Südatlantik, etwa 1.400 Kilometer vor der Ostküste Argentiniens. Erst wenige Tage alte Antarktische Seebären liegen eng angeschmiegt an ihre Mütter auf einer Sandbank. Hunderttausende, wahrscheinlich sogar mehrere Millionen Robben bevölkern die Küste der Insel. Doch es sind weniger geworden in den letzten Jahrzehnten.
    "Eine Langzeitstudie hat gezeigt, dass die Zahl der Weibchen seit Mitte der 80er-Jahre um 25 Prozent zurückgegangen ist. Wir wollten herausfinden, wie sich einerseits der Klimawandel und andererseits genetische Einflüsse auf den Bestand der Weibchen auswirken."
    Der britische Biologe Joe Hoffman, der zurzeit an der Universität Bielefeld arbeitet, erforscht seit zehn Jahren den Antarktischen Seebären. Die Robben sind ein zentraler Bestandteil des Nahrungsnetzes im Südpolarmeer, sie ernähren sich vor allem vom winzigen Krill.
    "Diese Seebären-Kolonie wird seit den 50er-Jahren von meinen Kollegen des British Antarctic Survey untersucht. Es ist vermutlich die meist erforschte Robben-Kolonie der Welt."
    Joe Hoffman und sein Kollege Jaume Forcada vom British Antarctic Survey werteten Daten von über 1.000 Weibchen aus - nur von Weibchen, denn die kehren bereits vier Jahre nach ihrer Geburt zur Insel zurück, um sich fortzupflanzen. Männchen tun dies erst nach zehn Jahren. Für sie liegen deshalb noch zu wenige Daten vor, um die Fragen der Forscher beantworten zu können. Um einige der Daten zu gewinnen, implantierten die Biologen bei 400 weiblichen Jungtieren kleine Mikrochips unter die Haut.
    "Wir konnten so die Lebensgeschichte dieser Weibchen aufzeichnen: ob sie überlebten, und wenn ja, ob sie Nachwuchs zur Welt brachten und ob sie diesen erfolgreich großziehen konnten."
    Neben einem Rückgang der Weibchenanzahl um 25 Prozent konnten Hoffman und Forcada außerdem ein um acht Prozent geringeres Geburtsgewicht der Jungtiere verzeichnen, gegenüber Anfang der 80er-Jahre. Acht Prozent mag nach wenig klingen, doch dies senkt die Überlebenschancen des Nachwuchses beträchtlich. Ein weiteres Ergebnis: die weiblichen Robben bekommen heute im Schnitt ein Jahr später erstmals Nachwuchs als noch Anfang der 80er-Jahre. Außerdem sind die Weibchen, die erfolgreich Junge großziehen, heute schwerer als früher. Dies klingt wiederum positiv.
    "Gleichzeitig ist die Heterozygotie dieser Weibchen in den letzten zwei Jahrzehnten größer geworden. Heterozygotie besagt, dass ein Gen in zwei verschiedenen Ausprägungen vorliegt - die eine kommt von der Mutter, die andere vom Vater. Alle Ergebnisse zusammengenommen legen den Schluss nahe, dass die durch den Klimawandel beeinflusste Selektion nur die großen, starken Weibchen in der Population halten kann, die auch in hohem Maß heterozygot sind."
    Doch letztendlich nützt diese größere Heterozygotie der gesamten Population nichts.
    "Wir konnten zeigen, dass Heterozygotie nicht vererbt werden kann. Die Weibchen, die in hohem Maß heterozygot und dadurch fitter sind, geben dies nicht an ihren Nachwuchs weiter. Das heißt, in jeder Generation wird die Uhr auf Null gestellt und die Regeln der Selektion wirken von Neuem."
    Hinzu kommt: Eine Modellrechnung von Hoffman und Forcada legt nahe, dass es durch den Klimawandel beeinflusste Wetterphänomene sind, die den Krill und damit die Seebären dezimieren.
    "Ich denke, diese Studie ist etwas Besonderes, weil sie Langzeitdaten aus der Lebensgeschichte der Robben mit deren genetischen Daten kombiniert."
    Das ist die Meinung von Tim Coulson, Professor für Zoologie an der Universität Oxford.
    "Es gibt noch mehr Datensätze weltweit, mit denen man die gleichen Untersuchungen anstellen könnte. Und wenn das getan ist, dann könnten wir sehen, ob die Daten der Seebären-Studie auch für andere Arten zutreffen oder nur für diese eine Seebären-Population."
    Und die, so Joe Hoffman, werde in Zukunft weiter abnehmen.