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Roberto Burle Marx
Wilder Denker und großer Gartengestalter

Er hat mehr als 2.000 öffentliche Parks und Gärten gestaltet, die bekanntesten befinden sich in seiner Heimat Brasilien. Aber auch als Pflanzenentdecker hat sich Roberto Burle Marx einen Namen gemacht. In Berlin wird das Schaffen des Multitalents mit einer Ausstellung gewürdigt.

Von Carsten Probst | 31.07.2017
    Blick von einem Hochaus auf einen Garten in Sao Paolo
    Der Garten der Safra Bank inn Sao Paolo. Burle Marx hat die Landschaftsarchitektur Brasiliens maßgeblich geprägt (imago / Horizon Features)
    Auf den ersten Blick meint man sich in einer Ausstellung von moderner Malerei zu befinden. Viele Entwurfspläne von Roberto Burle Marx ähneln tatsächlich abstrakten Gemälden, weniger Stadtplanung und Architektur. Anklänge an Joan Miró oder Picasso sind nicht zu übersehen - doch in Wirklichkeit bezeugen sie gerade in ihrer untypischen, scheinbar irrationalen Kompositon Burle Marx' wildes Denken, durch das er zu einer Ikone der Landschaftsarchitektur weltweit wurde. Er selbst sprach einmal davon, mit Pflanzen malen zu wollen. Was fast ein wenig nach Kitsch klingt, war seit Beginn von Burle Marx’ Karriere in den 1930er Jahren nichts weniger als eine Abkehr von einer kolonialistischen Moderne, berichtet Claudia Nahson, Kuratorin am Jewish Museum in New York:
    "Als er seine Laufbahn begann, waren die Gärten in Rio allesamt nach traditionell französischem Stil gestaltet, sehr symmetrisch, die Pläne dafür stammten allesamt von europäischen Planern. Brasilien, das pflanzenreichste Land der Welt - und sie benutzten importierte Pflanzen. Burle Marx fand das nicht nur lächerlich, sondern auch dem Geist des Landes in keiner Weise angemessen. Von Beginn an gab er also vor allem die europäische Symmetrie auf. Sie sehen: dies hier sind alles Gemälde, aber es ist zugleich auch der Grundriss für einen Park."
    Leitfigur einer "Tropischen Moderne"
    Als Le Corbusier, der Wortführer des internationalen Stils, zusammen mit Oscar Niemeyer 1938 mit dem Bau des Erziehungs- und Gesundheitsministeriums in Rio teilnahm, hielt Roberto Burle Marx mit seiner betont asymmetrischen Gestaltung des Ministergartens auf dem Dach dagegen. Damit erhielt er internationale Beachtung und wurde in Brasilien zur Leitfigur einer "Tropischen Moderne". Dass das Land mit der weltweit größten floralen Artenvielfalt Pflanzen aus Europa importierte, war für ihn nur ein Symbol für den unkritischen Import europäischer Architektur und Designs. Er selbst, dessen Familie ja deutsche Wurzeln hatte, wollte den Brasilianern zeigen, dass sie es in der Hand haben, ihre Städte mit eigenen Ideen und eigenen Pflanzen zu gestalten.
    Roberto Burle Marx vor einer tropischen Pflanze
    Multitalent Roberto Burle Marx machte sich auch als Pflanzenentdecker einen großen Namen (imago / Horizon Features)
    "Manchmal haben die Leute kein Interesse für hiesige Pflanzen. In dieser Hinsicht habe ich immer sehr stark gefochten, um die in den Gärten zu benützen."
    Ein einzigartiges Filmdokument des Filmemachers Hermann Schlenker zeigt Burle Marx in den achtziger Jahren, wie er sich sprachlich auf seine deutschen Wurzeln besinnt.
    "Für mich gibt es keine hässliche Pflanze. Es gibt Pflanzen, die gut zueinander (..) wirken oder nicht. Und in dieser Hinsicht ist es für mich sehr wichtig, dass ich immer dran denke, damit die Farbengliederung (…) gut wirkt."
    Erfolgreich auch als Geschäftsmann
    Inspirationen sammelte er als junger Mann im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem, wo er die Sammlungen tropischer Pflanzen bestaunte. Auf zahlreichen Exkursionen in den Amazonas-Regenwald hat er später selbst in der Nähe Rios eine gewaltige Sammlung von über 3.000 Spezies angelegt, manche davon sind heute in der freien Natur akut bedroht. Der frühe Architektur-Anarchist Burle Marx, der sich auch mit der korrupten Machtelite seines Landes anlegte, war aber zugleich erfolgreicher Geschäftsmann. Sein Stil wurde zum Markenzeichen. Und doch war er vor allem immer das Multitalent, das den Bewohnern der Megacities eine Idee davon geben wollte, wie ein Gesamtkunstwerk mit tropischen Pflanzen aussehen könnte, das für alle da ist:"
    Meine Grundideen (…) sind da: Farbe, Form, Rhythmus und Volumen. In einem Garten war immer mein Wunsch, der Komposition Klarheit zu geben, dass man nicht mit Schwierigkeit (…) die Grundgedanken (…) sehen kann."
    Burle Marx bezog sich in seinem Spätwerk aber auch wieder stärker auf die jüdischen Wurzeln seines Vaters. Das dokumentieren in dieser Ausstellung eindrücklich nicht nur seine Entwürfe für acht Glasfenster der Synagoge Beit Yaakov oder sein Entwurf für einen Lebensbaum-Garten an der Hebräischen Universität Jerusalem, sondern auch für den Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin. Sein letztes Projekt waren Betonreliefs für eine Synagoge in Rio. Dieser Teil von Burle Marx' Werk ist bislang selten dokumentiert worden und fügt seiner komplexen Persönlichkeit eine weitere epochale Facette hinzu.