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"Rocky" und seine Nachfolger
Warum der Sportfilm boomt

"Concussion" thematisiert Verletzungen im Football, "The Program" den Fall Lance Armstrong: Geschichten aus dem Sport sind derzeit beliebt in Hollywood. Für seinen Auftritt in der jüngsten Folge der Boxfilm-Serie "Rocky" gilt Sylvester Stallone sogar als Favorit auf einen Oscar.

Von Jürgen Kalwa | 28.02.2016
    US-Schauspieler Sylvester Stallone bei der Europa-Premiere seines Films "Creed".
    Einen Golden Globe hat Sylvester Stallone schon für seine Rolle im aktuellen Boxfilm "Creed". Kommt noch ein Oscar dazu? (picture alliance / dpa )
    Es geht um ein paar Mythen. Den Mythos einer wirtschaftlich angeschlagenen Stadt, in der sich Menschen nicht unterkriegen lassen. Um den Mythos einer Sportart, in der man alles riskiert - vor allem die eigene Gesundheit. Und um den Mythos einer Figur, die der Schauspieler Sylvester Stallone dem wahren Leben abgeschaut hat.
    Die Stadt heißt Philadelphia. Die Sportart ist das Profi-Boxen. Und die überlebensgroße Figur, die das alles verkörpert, heißt Rocky Balboa. Held zahlloser "Rocky”-Filme, von denen nur der erste wirklich künstlerisch wertvoll war. Ausgezeichnet mit dem Oscar als bester Film des Jahres 1977.
    "And the winner is John G. Avildsen. "Rocky”."
    Von der Langzeitwirkung profitiert man übrigens in Philadelphia noch heute. Viele Touristen wollen die durch den Film berühmt gewordenen 72 Treppenstufen zum Museum of Art hochsteigen, von wo man auf die ganze Stadt schauen kann. Und sie bauen sich an der "Rocky”-Statue gleich daneben zu einem Erinnerungsfoto auf.
    "Rocky is something else”, sagt Mike Kunda, der Sylvester Stallone verblüffend ähnlich sieht und - als Doppelgänger - Besucher zu den Drehorten führt. "Rocky symbolisiert das Beste in uns, wenn wir uns nur richtig anstrengen. Das Gefühl spüre ich jedes Mal bei Leuten. Erwachsene Männer weinen, wenn sie hier oben stehen. Sie werden völlig emotional.”
    Filmisches Denkmal für den "Philly Fighter"
    Vermutlich auch deshalb, weil die Film-Serie mit ihren inzwischen sieben Folgen einem ganz besonderen Typ von Menschen ein Denkmal setzte - der Hollywood-Version jenes Boxers, den es in der Stadt tatsächlich mal gegeben hat: "Philly Fighter”, der heroische Boxer, der bis zum Schluss kämpft, egal ob er gewinnt oder verliert - und der niemals aufgibt.
    Auch Stallone machte immer weiter. In der neuesten Folge steht er nicht mehr im Ring, sondern als Box-Trainer gleich daneben. Der Film heißt "Creed” und lässt den inzwischen 69 Jahre alten Schauspieler sehr gut aussehen. Im Januar erhielt er für seine Rolle den Golden Globe. Seine Chancen auf den Oscar in der Kategorie des besten Nebendarstellers sind hoch.
    "Der Typ hier ist der härteste Gegner, den du je haben wirst. Ich glaube, das stimmmt im Ring und das stimmt sicher im Leben. Und jetzt zeig mir was”, sagt Silvester Stallone alias Rocky zu seinem Schützling.
    Sportfilme liegen im Trend
    Der "Rocky”-Erfolg zeigt übrigens die Speerspitze eines Trends: Es kommen immer mehr Sportstoffe in die Kinos. Meistens inspiriert nicht von erfundenden, sondern von wahren Geschichten. Darunter richtige Problemefälle wie der des Sportbetrügers Lance Armstrong. Oder wie in der Mitte Februar angelaufenen Geschichte über das Elend der von Gehirnerschütterungen niedergemähten Football-Profis.
    Ähnliches gilt für zwei Filme, die soeben in den USA herausgekommen sind: "Race” über Jesse Owens, den vierfachen Olympiasieger von 1936, und seine Erfahrung mit der Rassenthematik. Deutscher Kinostart: im Mai.
    Und das groteske Epos über das Leben des englischen Skispringers "Eddie, the Eagle”. Einem Mann, der froh war, wenn er heil über den Schanzentisch kam und sicher landete. Anlauftermin: Ende März.
    Markus Stauff, Medienwisschaftler an der Universität Amsterdam, hat sich im Rahmen eines Buches mit dem Genre beschäftigt. Er hat für den jüngsten Trend mehrere Erklärungen. Nummer eins:
    "Dass der Sportfilm eine der einfachsten Möglichkeiten ist, um in den USA das Verhältnis von Weiß und Schwarz zu diskutieren. Ein Sportfilm kann sehr viel leichter die Konflikte diskutieren, als wenn man einen Film macht, der über Police Shootings geht.”
    Vielschichtiger als man denkt
    Ein zweiter Grund: Das Genre erweist sich durchaus als vielschichtiger, als man auf den ersten Blick erkennt. Es geht nicht nur ums Durchhalten und Gewinnen. Sondern auch darum, "dass der Außenseiter seine Chance kriegt. Und er darf dann doch den Elfmeter schießen oder was es auch immer ist. Das Genre, wo auch 'Eddie, the Eagle' hineinspielt. Wo es darum geht, dass Sport als ein Feld präsentiert wird, wo letztendlich jeder, selbst der, der nicht zu Höchstleuistungen fähig ist, seinen Respekt bekommt.”
    Trotzdem bleibt der Boxfilm so etwas wie die Krone der Schöpfung, die auch von Cineasten geschätzt wird, sagt Markus Stauff:
    "Das hängt, glaube ich, einerseits mit der Filmbarkeit des Boxens zusammen und mit dieser Körperlichkeit des Boxens. Wenn man den Schlag auf den Kopf sieht, und dann spritzt der Schweiß weg - in Zeitlupe - ist etwas, wo auch das Kino sehr viel stärker zur Geltung kommt als bei den meisten Fußball- oder Baseballfilmen.”
    Ob der Trend allerdings weitergeht, hängt von den Ergebnissen an den Kinokassen ab. Nicht nur in Amerika, sondern auch im Rest der Welt. Denn nicht jede Figur - und sei sie noch so faszinierend - interessiert Zuschauer über die Grenzen der Kontinente hinweg.