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"Rohani ist ein Mann des Systems"

Man könne den Sieger der iranischen Präsidentschaftswahlen Hassan Rohani nicht als Reformer bezeichnen, sagt der Schriftsteller Bahman Nirumand. Er sei ein Konservativer, aber mit vielen liberalen Ideen. Der Westen müsse jetzt dem Iran eine Chance geben.

Das Gespräch führte Friedbert Meurer | 17.06.2013
    Friedbert Meurer: "Ahmadin, geh jetzt und komm nie wieder" – die Opposition in Teheran jubelt. Mahmud Ahmadinedschad – der ist nämlich gemeint – soll nie wiederkommen. Im Iran hat ein Reformer die Präsidentschaftswahlen gewonnen; der Mann heißt Hassan Rohani. Rohani hat über 50 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang bekommen, dreimal so viele wie der Zweitplatzierte, viel mehr als der Favorit der Mullahs. Das alles eine glatte Sensation, denn die Mullahs hatten vor der Wahl alles getan, um dem liberalen Kandidaten das Leben schwer zu machen. Rohani löst jetzt also Mahmud Ahmadinedschad ab, und das alleine muss man sich vor Augen führen: Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad war im Westen verfemt, immer wieder hat er den Konflikt mit dem vermeintlichen "Satan USA" gesucht. – Bahman Nirumand ist Deutsch-Iraner, lebt seit Jahrzehnten in Deutschland, Schriftsteller, Publizist. Guten Morgen, Herr Nirumand.

    Bahman Nirumand: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Was haben Sie gedacht, als Sie gehört haben, der Reformer Rohani hat die Wahl gewonnen?

    Nirumand: Ja, ich war sehr überrascht, denn zum ersten Mal muss ich sagen: Nach der Vorwahl durch den Wächterrat waren die Wahlen im Iran wirklich frei. Es sind keine Beanstandungen gekommen, es waren keine Manipulationen dabei und tatsächlich hat die absolute Mehrheit ihre Stimme Rohani gegeben. Ich war wirklich sehr überrascht. Ich denke, kaum jemand hat im Iran damit gerechnet, dass Rohani die Wahl gewinnt.

    Meurer: Dass die Wahl nicht manipuliert worden ist, Herr Nirumand, heute Morgen lese ich merkwürdigerweise, das sei das Verdienst von Mahmud Ahmadinedschad. Der hätte dafür gesorgt, um den Mullahs eins auszuwischen. Sehen Sie das auch so?

    Nirumand: Ich sehe das auch so. Das ist natürlich mehr oder weniger Spekulation, man weiß nichts Genaues darüber, aber ich nehme an, das Einzige, was Ahmadinedschad noch machen konnte, war dies und er hat das ja auch immer wieder betont, dass die Wahlen frei sein sollen, und er hat das Innenministerium unter sich und der Innenminister hat dafür gesorgt, dass tatsächlich nicht manipuliert wurde.

    Meurer: Sollten wir Ahmadinedschad deswegen jetzt ein wenig anders sehen?

    Nirumand: Ahmadinedschad ist ein ziemlich komplizierter Mensch. Er hat sich ja sehr im Laufe der acht Jahre seiner Präsidentschaft verwandelt. Er ist von einem radikalen Islamisten zum Nationalisten geworden. Je nach Lage der Dinge hat er sich gewandelt und man kann ihn nicht irgendwie eindimensional sehen.

    Meurer: Der Neue heißt Hassan Rohani, ein Kleriker, ein Theologe, in den 80er-Jahren schon politisch Aktiv: Er war General, Verteidigungsausschuss, also eigentlich schon lange auf der politischen Bühne. Was ist das für ein Mann?

    Nirumand: Rohani ist ein Mann des Systems, wie Sie schon gesagt haben. Er hat mehrere wichtige Posten begleitet. Er war jahrelang Chef des Nationalen Sicherheitsrates. Im Krieg hat er hohe militärische Positionen gehabt. Er ist wirklich ein Mann des Systems. Man kann ihn auch nicht als Reformer bezeichnen. Er ist ein Konservativer, aber mit sehr vielen liberalen Ideen. Er ist Pragmatiker, er ist ein Diplomat. Das hat er bewiesen, als er Chefunterhändler im Atomkonflikt war unter Khatami, und er war sehr kompromissbereit.

    Meurer: Wird er die Urananreicherung einstellen?

    Nirumand: Nein, das glaube ich nicht. Das wird er nicht. Aber er wird vielleicht zustimmen, dass die Urananreicherung bei 3,5 Prozent bleibt, und der Iran ist ja jetzt schon bei 20 Prozent. Das wird er vielleicht einstellen, vorausgesetzt, dass die Sanktionen reduziert werden.

    Meurer: Das sind Zahlen, die den Grat der Anreicherung beschreiben.

    Nirumand: Ja.

    Meurer: Sie glauben, der Deal könnte sein, der Westen nimmt die Sanktionen zurück, teilweise, und er fährt den Grat der Anreicherung und damit die Wahrscheinlichkeit zurück, dass da Atomwaffen gebaut werden könnten?

    Nirumand: Ja. Ich denke, diese Vorschläge liegen ja schon lange auf dem Tisch. Nur beide Seiten haben Probleme damit gehabt. Jetzt kann ich nicht auf einzelne Dinge eingehen. Aber ich denke, etwa solche Lösungen wird es geben.

    Meurer: Soll der Westen darauf eingehen und Sanktionen abbauen?

    Nirumand: Ja, ich denke schon. Das sollte der Westen schon tun. Der Westen sollte jetzt wirklich Iran die Chance geben, dass dieser Liberalisierungsversuch, der durch den Druck der Zivilgesellschaft im Iran entstanden ist, tatsächlich forciert wird, unterstützt wird. Der Westen sollte jetzt nicht den Fehler machen, den man 2009 gemacht hat, als die großen Proteste gegen Ahmadinedschads Wiederwahl waren, dass man den Atomkonflikt so hochschraubte und ablenkte von den Protesten der Bevölkerung. Jetzt sollte man wirklich diese Zivilgesellschaft, die sich in bewundernswerter Weise wieder zu Wort gemeldet hat, tatsächlich unterstützen.

    Meurer: Welche Sanktionen sollten da weg, Herr Nirumand?

    Nirumand: Ich meine, Iran hat sehr große Schwierigkeiten jetzt beim Transfer von Devisen. Zum Beispiel wenn Iran in China Öl verkauft, können die Einnahmen nicht nach Iran transferiert werden. Iran muss dann in China dafür Waren kaufen. Das ist einfach unmöglich, das richtet sich total gegen die Bevölkerung. Die wirtschaftliche Lage im Iran ist sehr schlimm, die Leute klagen sehr, und das ist auch mit ein Grund für den Wandel. Ich denke, man sollte jetzt nicht sich große Illusionen machen, dass von heute auf morgen im Iran Demokratie eingeführt wird. Auch die Macht des neuen Präsidenten ist ziemlich eingeschränkt. Ich meine, die ganzen Konservativen und Radikalen sind ja noch da und sie werden nicht Ruhe geben.

    Meurer: Also keine einfache Situation für den neuen Präsidenten?

    Nirumand: Nein, das ist eine schwierige Situation.

    Meurer: Bahman Nirumand, der deutsch-iranische Exilautor, fordert den Westen auf, Sanktionen gegen den Iran einzustellen, um die Opposition zu unterstützen. Herr Nirumand, danke schön für das Interview, auf Wiederhören!

    Nirumand: Auf Wiederhören, Herr Meurer.

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