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Rohkunstbau Nr. 14

Auf dem brandenburgischen Schloss Sacrow wurde am Samstag die 14. Rohkunstbau-Ausstellung eröffnet. Das ist ein Festival für zeitgenössische Kunst, das auf Schlössern stattfindet, die von Künstlern umgestaltet werden. Thema dieses Jahr: Weiß, die Farbe und die Idee der Gleichheit, frei nach Krzystof Kieslowski. Zehn bildende Künstler und eine Vielzahl darstellender Künstler suchen ihre Position in ortsbezogenen Arbeiten für Schloss Sacrow zu diesem komplexen Thema.

Von Carsten Probst | 15.07.2007
    Thomas Rentmeister trifft das Thema dieser Ausstellung am besten, zumindest optisch. Das Thema nämlich orientiert sich an der berühmten Filmtrilogie "Drei Farben" des vor wenigen Jahren verstorbenen, polnischen Regisseurs Krzystof Kieslowski. Mit den "Drei Farben" ist die französische Trikolore gemeint und damit auch die drei Grundsätze der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Farbe Weiß steht für die Gleichheit und dient der diesjährigen, insgesamt 14. Rohkunstbau-Ausstellung als zentrales Leitmotiv. Eine Schau über Weiß also. Doch allzu sinnfällig und eine Ausstellung etwa nur mit weißen Bildern zu machen, wollte Kurator Marc Gisbourne die Sache dann doch nicht angehen.

    So ist nun Thomas Rentmeister der einzige Künstler mit einer augenfällig weißen Vorstellung vom Thema. Für seinen Raum hat er weiße Wäsche als streng minimalistisches Wandquadrat deckenhoch aufgestapelt, so dass man bei aller porentiefen Reinheit und Weichheit beinah an Waschmittelschleichwerbung denken könnte. Soll man vielleicht auch, denn der ironische Charakter in Bezug auf das gerade in diesen Tagen auch in unseren sozialpolitischen Debatten wieder einmal hochbrisante Thema ist schwer zu übersehen.

    Im übrigen bedient sich nur noch Ayse Erkmen dieser Nicht-Farbe, indem die türkeistämmige Künstlerin ein durchsichtiges Netz aus künstlichen Algen über die ganze Breite des zentralen Salons im Sacrower Schloss gehängt hat. Ein filigranes Netzwerk, das einerseits den Blick in den schön rekonstruierten Schlossgarten am Havelufer hindurch lässt, andererseits den Raum selbst geradezu romantisch vernebelt.

    Julian Rosefeldt knüpft mit einer vierteiligen Videoinstallation an die romantische Natur an. Die Ästhetik seiner hier zu sehenden Videofilme richtet sich an Gemälden von Caspar David Friedrich aus. Einem Mann, der wie Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer an der Havel steht, gleitet beispielsweise ein Motorschiff entgegen, auf dem große Deutschlandfahnen geschwenkt werden, als käme dieser Dampfer direkt von einer Fanmeile herübergesegelt, während ihm Unterholz deutsche Schäferhunde geifern. Natürlich ist auch die deutsche "Trikolore" ursprünglich eine Revolutionsfahne, und die Versöhnung von Staat und Nation unter einem transzendenten Naturbegriff war ja eigentlich auch eine Idee diesseits Nationalsozialismus. Rosefeldts Filmkunstwerk lässt die bedeutungsschwangeren Symbole bewusst ins Leere laufen, es sprüht vor ironisch komponierten Zitaten. Auch lässt er den romantischen Dichter Friedrich de la Motte Fouqué wiederaufleben, der einst auf Schloss Sacrow lebte und hier um 1811 seine berühmt-berüchtigte "Undine-Erzählung" schrieb, einen seither vom Vorwurf der Kitschromantik nie mehr ganz freigesprochenen Text, dessen mythologischen Gehalt Rosefeldt mit Wagnerschen Anklängen von nibelungenhafter Dramatik unterlegt.

    Damit bezieht sich Rosefeldt als einziger unter den ausgestellten Künstlern ganz konkret auf diesen Ort, denn der Film wurde direkt im Park von Sacrow gedreht. Er verfremdet den Eindruck des leeren Schlosses und seiner entlegenen Umgebung grandios und spielerisch zu einer Zeitmetapher. Das Werk ist ein Maßstab für die Rohkunstbau-Ausstellungen der nächsten Jahre. Denn: In den letzten Jahren hat der künstlerische Leiter von Rohkunstbau, Arvid Boellert, mit seinem Team das Wasserschloss im brandenburgischen Groß Leuthen bespielt. Nachdem dieses jedoch an einen Privatinvestor verkauft wurde, ist man nach Sacrow ausgewichen.

    Dieses Sacrower Schloss aber ist nun buchstäblich eine ganz andere Hausnummer. Die jüngere europäische Geschichte ist hier gleich in mehrfachen Zeitschichten abgelagert. Das Schloss gehört nicht nur zum Weltkulturerbe der Potsdamer Havellandschaft. Die heute wieder idyllisch erscheinende Landzunge des einst von Lenné gestalteten Sacrower Schlossparks war vor nicht allzu langer Zeit noch Mauerstreifen. Der führte auch direkt durch die von Ludwig Persius gebaute Heilandskirche, die am schlosseigenen Bootshafen steht und inzwischen aufwendig restauriert wurde. Man blickt durch die von Lenné durch den Park gezogenen Sichtachsen nicht nur auf die weiteren Lustschlösser der Preußenkönige am anderen Havelufer, sondern hat direkt die Glienicker Brücke vor Augen. Das Schloss selbst wurde nicht nur von de la Motte Fouqué oder Felix Mendelssohn-Bartholdy bewohnt, sondern auch vom Generalforstmeister des Dritten Reiches, ehe es zu DDR-Zeiten die Zollbeamten der NVA beherbergte, die hier ihre Spürhunde ausbildeten.

    Sollte die Ausstellung an diesem Ort bleiben, wird sie offensiver mit diesem umgehen müssen. Dann wird es nicht mehr ausreichen, wie dieses Mal, ein paar Gemälde und Fotografien in die leeren Räume zu hängen, seien sie auch von Gerhard Richter, Thomas Demand oder Candice Breitz, und dazu eine sommerschnuckelige Kunstsause abzufeiern, wie es bisher im verträumten Groß Leuthen möglich war. Rohkunstbau wird an der neuen Stätte wachsen müssen. Julian Rosefeldt hat mit seinem ironischen Filmepos vorgemacht, wie es gehen könnte.