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Rollendes Kulturgut

Camping – das bedeutet für viele Abenteuer, zurück zur Natur und Besinnung auf das Wesentliche. Die Mitglieder des Vereins Camping Oldie-Club e.V. verbringen ihre Urlaube in Wohnwagen und Zelten aus der guten alten Zeit. Selbst das Beiwerk - vom Schnapsglas bis zum Klapptisch - ist immer ein Original.

Von Julia Batist | 19.06.2011
    In der Mitte des Camping-Platzes weht eine Fahne. Drumherum stehen Wohnwagen in allen Größen. Kugelige Formen der 60er-Jahre fallen ins Auge. Vor ihren Wagen sitzen die Menschen an alten Camping-Tischen. Bunte Lichterketten leuchten an einigen Türen. Ein Mann mit großem Hut läuft über den Sandboden. Vor den hellen Fahrzeugen wirken Dekorationen, bunte Stühle und Aufkleber besonders farbenfroh. Reinhard Falk war bis vor Kurzem Vorsitzender des Camping-Oldie Clubs. Aus Ellerbek ist er mit seinem Wohnwagen, Baujahr 1966, nach Berlin gereist.

    "Camping ist eigentlich ein leises Hobby. Weil man hört halt alles in der Umgebung sehr deutlich in so 'nem Fahrzeug. Es ist nicht so wie in einem Haus, wo der Nachbar Lärm macht und man hört es nicht. Hier hört man alles. Und deswegen sind die Camper meistens Leute, die sehr leise sind. Aber das Einschlagen von Heringen lässt sich nicht vermeiden. Kann nicht völlig geräuschlos stattfinden."

    Falk spannt noch das Vorzelt – mit alten Heringen versteht sich. Dann zeigt er seinen Oldtimer - besonders gerne die alten Dachfenster.

    "Man hat hier einfach nur so 'nen runden Schacht drin mit 'ner runden Kunststoffkappe drauf. In rot oder rötlich oder gelblich gehalten. Man hat also ständig das Gefühl, es scheint die Sonne. Total einfach. Einfach nur diese Gummihalterungen hochschieben und dann kann man das Fenster öffnen. Und kann's in jeder beliebigen Stellung feststellen – wie man's haben möchte, ohne dass es rein regnet. Selbst die modernen Wohnwagen haben heute teilweise Dachfenster, wo es reinregnet. Problem ist natürlich wieder wenn man so'n Fenster wirklich mal verlieren sollte, dann gibt's diese Fenster nicht mehr. Ich suche schon seit Jahren solche Dachfenster – einfach nicht mehr zu bekommen."

    "Wir gehen jetzt mal zu einem Wohnwagen der nennt sich Knospe. Und zwar heißt der Knospe, weil der wie eine Blume auseinander gedreht wird. Der Vorteil ist, dass er bei der Fahrt sehr schmal ist und zum Wohnen entsprechend breit ist. Die Besitzerin ist grad drin. Können wir mal rein gehen."

    "Hallo."

    "Diese Tür wird im Prinzip hier ausgehängt. Dann wird sie hier eingeklappt. Auch diese Tür wird eingeklappt und dann werden eben diese beiden Teile aneinander geschraubt. Sodass wir nur noch eine Breite von 1,55 Metern haben."

    Angela Branczgk legt nicht nur beim Auf- und Zuklappen Ihres Wohnwagens Hand an. Liebe zum Detail wird bei Oldie-Fans groß geschrieben.

    "Ich hab die Gardinen genäht, die Polster. Ich hab die Tapeten geklebt. Da brauchte ich Hilfe, weil das ja alles rund ist. Das kann man alleine nicht, da fallen die runter. Ich hab hier bestimmt hundert Nieten verschossen. Ich hab die Gummis von den Türen neu gemacht, ich hab hier den Deckel neu gemacht. Der war total verschimmelt."

    Neben der Knospe gibt es unter den Oldies noch weitere Besonderheiten – mit entsprechend besonderen Namen.

    "Der heißt nämlich FAWOBO. Das rührt von Fahren, Wohnen und Boot. Das heißt, wir haben hier einen Wohnwagen, der gleichzeitig auch ein Boot sein kann. Was ganz selten ist. Der Wagen wird also ähnlich wie ein Pappkarton zusammengeklappt. Muss man sich so vorstellen, als wenn man vom Pappkarton die Seiten reinklappt. Und das Dach oben, das kann man als Boot benutzen. Und für die Zeit wird dann einfach ein Stoffsegel über den Wagen gespannt, damit also kein Regen reinkommt."

    Ausgefeilte Systeme, die bestechen. Ist es vielleicht das, was die Oldie-Fans so fasziniert oder steckt mehr dahinter?
    "Das ist einfach der Spaß an den Formen. Heute sind Wohnwagen ja doch meistens relativ gleich. Die sind viereckige Kästen. Die sehen von der Farbe abgesehen fast alle gleich aus. Und wenn man sich hier mal umschaut, welche Vielfalt an Formen man hier sieht. Das macht auch sehr viel Spaß."

    "Das hat bei mir angefangen mit altem Auto. Das steht hinter meinem Wohnwagen. Das ist ein alter Renault 16. Dann fasziniert uns das Camping. Dann sollte das passen. Wir hatten erst einen kleinen Falt-Caravan. Und mittlerweile auch einen alten Wohnwagen und da kann man wirklich noch Camping machen ohne großes Brimborium und bisschen uriger als die heutigen, die also alle Technik da drin haben. Das brauchen wir einfach nicht."

    "Camping ist ja daraus entstanden, dass man das einfache Leben wieder gesucht hat. Und das findet man unter den heutigen Wohnwagen nicht mehr. Da entsteht unter den Eigentümern ein Wettrüsten, wer hat die neueste Mikrowelle und die größte Satellitenschüssel. Und bei den alten Wohnwagen, da ist halt noch das Einfache, das Schlichte und funktionelle gefragt. Und das ist das was mir an den Sachen auch gefällt."

    Petroleum-Lampen, Miniatur-Kohleöfen, Nierentische oder orange-farbene 70er-Jahre-Lampen. Jedem Wohnwagen sieht man die liebevolle Pflege an. Alte Reisewecker und selbst genähte Vorhänge aus Stoff vom Flohmarkt werden stilvoll drapiert. Manchmal meint man, die Jahre sogar zu riechen. Vielleicht liegt es an den alten Polsterbänken. Die Vielfalt unter den Oldtimer-Fans fällt auf. Immer mehr jüngere Menschen fühlen sich vom Zauber der alten Fahrzeuge angezogen. Angelika Mattis ist 29 und schwört auf ihren Caravan, der älter ist als sie selbst.

    "Das ist ein Lillebror, kommt aus Norwegen. Den gab's auch als deutsches Modell. Das kennen vielleicht viele als Scholz Brüderchen. Wir haben zwei getrennte Betten. Eins links, eins rechts. Gerade heute haben wir es etwas umgebaut. Wir haben beide in die Mitte gelegt, weil es einfach kuscheliger ist."

    Nicht nur kuschelig, sondern vor allem stilecht soll es sein. Darauf legt die blonde Hamburgerin großen Wert.

    "Das sind so typische Klapp-Camping-Stühle, die man früher so hatte. Auch viel aus der DDR glaube ich bekannt. Mit Blumenmuster. Und was hier auch ganz gerne immer gemacht wird, ist so'n Schafsfell darüber zu legen. Weil es einfach wärmer ist, wenn man dann am Feuer sitzt."

    "Der Wohnwagen bedeutet mir eigentlich, dass ich vor allem mal ein paar Tage abschalten kann und so ein paar Jahrzehnte zurück kann. Weil ich die Accessoires und die Mode und die Frisuren einfach viel netter finde als viele Sachen heute."

    Keine Frage – da darf das passende Auto nicht fehlen.

    "Das ist ein Käfer, Baujahr 69, ein 1300ter Käfer und mein kleiner Schatz. Heißt auch noch Charlotte, der Käfer. Und da sind Zeitschriften drinne, falls man mal Lust hat etwas Zeitgenössisches zu lesen, was zu diesem Auto passt. Da gibt's zum Beispiel so Artikel drin, wie, wie verhält sich eine Frau, wenn sie alleine nach Berlin reist. In welche Lokale kann man gehen? Sollte man die Damen vorher ankündigen in dem Haus?"

    Neugierige Besucher können sich der eindrucksvollen Stimmung im Oldtimer-Lager nur schwer entziehen. So viel Liebe zum Detail hinterlässt Spuren.

    "Toll. Also man schwilgt dann schon so in der Nostalgie und denkt, oh wie muss es so vor 30, 40, 50 Jahren gewesen sein, ja. Dass, das ja auch hohe Werte für die Leute waren, damals."

    "Ja dieser Verein oder diese Fahrzeuge bringen so viel Atmosphäre rüber, dass wir schon Leute gehabt haben, die gekommen sind mit 'nem alten Wohnwagen und den hier vielleicht anbieten wollten oder verkaufen wollten und dann nachher als Mitglied wieder nach Hause gefahren sind. Und heute ganz tolle Mitglieder sind und fast jedes Treffen besuchen."

    Elvira Scherb schätzt noch eine ganz andere Seite an Ihrem Dasein als Camping-Oldie-Fan.

    "Das Tolle an diesem Club sind die Menschen für mich. Die Menschen, die Atmosphäre, die hier herrscht. Jeder hilft dem anderen. Es ist eine ganz tolle Gemeinschaft."

    "Es gab zum Beispiel in Deutschland 120 verschiedene Hersteller und die haben zwischen einem und 1000 verschiedene Modelle gebaut. Das heißt jedes Produkt ist oftmals anders und ein Teil passt nicht bei einem anderen Wagen und so ist man natürlich oftmals auf der Suche nach bestimmten Ersatzteilen. Und so ein Club bietet einem natürlich die Möglichkeit, jemanden kennenzulernen, der vielleicht das eine oder andere Ersatzteil hat. Oder er weiß zumindest, wo man es bekommen kann. Es geht halt auch nicht alles über das Internet, wie das heutzutage oftmals gemacht wird."

    Tauschen, Helfen, Schrauben – ohne die Anderen sähe wohl auch so mancher Mensch hier alt aus. Gegenseitig hilft man sich bei der Restaurierung, kauft und verkauft Fahrzeuge. Alte Camping-Fahrzeuge erhalten, die Geschichte des Campings und Caravanings dokumentieren. Und: Das Camping-Brauchtum pflegen – das hat sich der Klub auf die Fahnen geschrieben. Dazu gehört nicht nur gemeinsames Grillen, am Feuer sitzen und musizieren, sondern sogar ein eigenes Lied.

    "Wir sind die Camping-Oldie-Fans und lieben die Natur …"