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Rom gegen Roma

Ein aufgebrachter Mob greift in Neapel ein Roma-Lager an, und auch in Rom und Mailand kommt es zu Gewaltakten. Anfeindungen, Stimmungsmache und Sippenhaft sind der Roma-Minderheit nicht fremd. Doch die italienische Regierung will weiter an ihrem harten Kurs festhalten und vermehrt Kontrollen vornehmen. Kirstin Hausen berichtet.

28.05.2008
    Tamir, 26 Jahre alt. Ein schlaksiger Typ. Das schulterlange Haar ist mit Gel nach hinten frisiert. Er habe Angst, sagt er. "Paura", Angst, ist das Wort, das in der Roma-Siedlung am nördlichen Stadtrand von Mailand die Runde macht. Hier, wo hunderte Familien in Wohnwagen und Wellblechbaracken leben, sorgen die Nachrichten aus Neapel, wo wütende Nachbarn vor zehn Tagen eine Roma-Siedlung in Brand gesteckt haben und aus Rom, wo drei Lebensmittelläden und Kopiergeschäfte von Einwanderern verwüstet wurden, für Unruhe.

    Am Eingang des Camps sitzen drei Männer und beobachten, wer hier rein und raus geht. Sie sind wütend. Nicht jeder, der in einem Wohnwagen lebe, sei schmutzig und faul, schimpfen sie.

    "Dort, wo ich arbeite, will kein Italiener arbeiten", sagt der Wortführer der Gruppe. Adri. Er putzt nachts Büros und finanziert damit seine Familie: Ehefrau, drei Kinder, eine Großmutter. Adri stammt vom Balkan, flüchtete während des Krieges vor den sogenannten "ethnischen Säuberungen" dort.

    Er hat eine gültige Aufenthaltsgenehmigung. Sein Arbeitgeber, eine Firma aus Monza, weiß allerdings nicht, dass er hier in der Barackensiedlung lebt. Besser so, denn das Camp hat keinen guten Ruf. Jahrelang wurde es von den Behörden geduldet, jetzt gilt es als Brutstätte der Kriminalität. In der Nachbarschaft werden Unterschriften gesammelt für seinen Abbruch.

    "Die Dame aus dem Haus Nummer 13 wurde bestohlen, als sie gerade ihre Haustür aufschloss", erzählt ein älterer Mann. "Bei sich zuhause können sie sich so benehmen, hier nicht", sagt ein Nachbar. "Wer zu uns kommt, soll gefälligst arbeiten und nicht nur Ansprüche stellen."

    Die Stimmung ist gereizt, der Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit hat sich zugespitzt. Der konservative Stadtrat von Mailand will mehr als tausend Roma abschieben. Doch der Polizeipräsident bremst. Und die Opposition warnt vor einem Konflikt mit der Europäischen Union im Falle von Massenausweisungen. Auch Kirchenvertreter kritisieren das Vorgehen.

    "Wir brauchen hier ein Klima der Chancengleichheit", sagt der Priester Don Virginio Colmegna. Er betreut 580 Roma, die in Wohncontainern im östlichen Stadtrandbezirk Lambrate leben und dank Alphabetisierungskursen und Ausbildungsmaßnahmen gesellschaftlich eingegliedert werden sollen.

    Es ist eines von wenigen Integrationsprojekten in Italien. Die Regierung setzt im Moment vor allem auf Repression. Antonio Di Pietro, ehemaliger Staatsanwalt und Chef der Oppositionspartei "Italien der Werte" warnt vor einer Eskalation der Gewalt: "Früher oder später gibt es Tote und die Verantwortung dafür tragen auch die, die dieses Klima erzeugen."

    Ein Seitenhieb auf die Politiker der Regierungsparteien "Lega Nord" und "Nationale Allianz", die im Wahlkampf scharfe Töne gegen Immigranten benutzt hatten. Die Regierung will an ihrem harten Kurs festhalten und Einwanderer ohne Papiere bis zu ihrer Abschiebung in Auffanglagern internieren.

    Die bestehenden Strukturen reichen dafür nicht aus, neue müssen her, sagt Innenminister Roberto Maroni und er kündigt auch Kontrollen in den Roma-Siedlungen an: "Wir werden die Siedlungen zählen und alle, die dort leben, und dann überprüfen, wer ein Bleiberecht hat und wer nicht."