Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Rosa von Praunheim inszeniert seine Vita auf der Bühne
Reine Selbstdarstellung

Anlässlich seines 75. Geburtstages versucht Rosa von Praunheim, sein bewegtes Leben in einen Theaterabend zu stecken. Angefangen bei der Kindheit und seinen ersten Abenteuern in New York und Los Angeles lässt Praunheim auch seine alten Frauen wie Lotti Huber, Tante Luzi und seine Mutter wiederauferstehen.

Von Michael Meyer | 22.01.2018
    Filmregisseur Rosa von Praunheim in seiner Wohnung in Berlin. Rosa von Praunheim ist ein Vorkämpfer für die Rechte der Schwulen.
    Filmregisseur Rosa von Praunheim in seiner Wohnung in Berlin. (picture alliance / Silas Stein / dpa)
    "Analverkehr... ein Hoch auf den Analverkehr..."
    Klar – wenn Rosa von Praunheim ein Stück inszeniert – dann muss es zwangsläufig auch um Sex gehen. Das ist ein Naturgesetz. In dem Stück "Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich habe keine" sieht man denn auch reichlich nackte Haut und es wird oft über Sex philosophiert. "Alles für die Kunst" heißt es im Stück, als ein Schauspieler versucht, sich unter großem Gelächter des Publikums einen Vibrator in den Mund zu schieben. Doch es geht auch um ernste Dinge: um Freundschaft, Beziehungen, Verlustängste, die Schwulenbewegung, Gedanken übers Älterwerden und den Tod.
    "Bin ich zu klein oder zu groß, zu jung oder zu alt, was denken sie, bin ich allein, umgeben von hunderten von Voyeuren, oder bin ich ein Kleptomane, ein Mörder, ein Sexualmörder, ja das bin ich, wie viele, Opfer, das sage ich erst nach meinem Tode."
    Rosa in allen Lebenslagen
    Das Stück ist ein Musical - eine mit viel Tempo inszenierte Tour d'Horizon durch Rosa von Praunheims bewegtes Leben. Und das mittels Dias, Filmausschnitten und nur zwei Schauspielern auf der Bühne. Bozidar Kocevski spielt Rosa in allen Lebenslagen: Von der Geburt in einem Rigaer Gefängnis über die spießigen 50er Jahre in der westdeutschen Provinz bis zu den wilden Zeiten in Berlin, New York und Los Angeles bis heute.
    "Wie lang werde ich noch Filme machen können, wie lang werde ich in meiner Wohnung bleiben dürfen, wie lang werde ich noch gehen können ohne Rollator."
    Bozidar Kocevski und Heiner Bomhard (v.l.), während der Fotoprobe zu "Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht" von Rosa von Praunheim in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin. Premiere ist am 21. Januar 2018.
    Bozidar Kocevski und Heiner Bomhard (v.l.), während der Fotoprobe zu "Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht" von Rosa von Praunheim in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin. (imago / Martin Müller)
    Der andere Schauspieler, Heiner Bomhard, schlüpft in die unterschiedlichsten Rollen und gibt mal einen Lover von Praunheim, mal einen Redakteur vom Bayerischen Rundfunk, mal Moderator Thomas Gottschalk. Bomhard hat alle Songs des Stückes geschrieben und arrangiert – und spielt sie auf dem Klavier, der Ukulele und auf dem Akkordeon. Das funktioniert erstaunlich gut. Aber Rosa und Musik? Das kannte man so bislang noch nicht. An einer Stelle heißt es: "Sex war mein Leben, und Bücher und Filme und Menschen – Musik mochte ich nie." Praunheim selbst sagt, er hatte nicht von Anfang an vor, sein Leben auf der Bühne musikalisch umzusetzen:
    "Dass es so ein Musical geworden ist, das war überraschend, vor allen Dingen weil der Heiner Bomhard, der mit Bozidan Kocevski den Abend bestreitet, dass der so ein guter Musiker ist und dass die beiden so schöne Gesangsnummern auch ausgearbeitet haben."
    "Wir wollen unsere Penisse zurück, wir wollen unsere alten Eier wieder haben."
    Von älteren Frauen geprägt
    Die ironischen Songs machen das Stück zu einer witzigen Nummernrevue. Und das obwohl die beiden Schauspieler dazwischen nicht nur lustige Sex- und Liebesgeschichten erzählen, sondern auch harte Themen ansprechen wie die AIDS-Krise in den 80er Jahren oder die bleierne Zeit der 50er Jahre, als sich schwule Männer notgedrungen noch in Parks oder in öffentlichen Toiletten zum Sex treffen mussten:
    "Und plötzlich, Taschenlampen! Polizei! Sie verlangten Ausweise, ich hatte keinen dabei, ich musste meine Adresse angeben und durfte zum Glück wieder gehen. Angst vor meinen Eltern, Angst vor Gott, Angst vor den Gerichten, die damals in den 50er Jahren Schwule ins Gefängnis steckte."
    Das Stück "Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich habe keine" zeigt auch, wie sehr Rosa von Praunheim von älteren Frauen geprägt wurde. Vor allem von seiner Adoptivmutter, seiner Tante Luzi und seiner Entdeckung, der Tänzerin Lotti Huber. Seine emotionale, durchaus auch intime Nähe zu älteren Frauen ist eines der Leitmotive des Stücks. Der Titel hat aber einen anderen Hintergrund, sagt Praunheim:
    "Das fiel mir halt so ein, weil diese Geschichte, dass ich nicht weiß, woher meine Familie kommt, dass ich im Gefängnis geboren bin und meine Mutter ein Jahr nach Kriegsende ermordet wurde, von denselben Ärzten der Euthanasie hier in Berlin, und insofern kenne ich halt meine leibliche Familie nicht."
    Selbstkritische Sicht auf Rosas Leben
    Nach zwei Stunden hat man als Zuschauer das Gefühl, mindestens fünfzig Jahre Schwulenbewegung als Musical nahegebracht bekommen zu haben. Auch Rosas Outing von Prominenten wie Hape Kerkeling oder Alfred Biolek wird ironisch aufgegriffen: Der Schauspieler Bozidar Kocevski outet sich unter Tränen als heterosexuell und hofft, dass seine Eltern ihn nicht verstoßen. Heute, in einer Zeit der Homo-Ehe und schwuler Kanzler-Aspiranten selbst in konservativen Parteien, stellen sich natürlich andere Fragen – die das Stück aber nicht anspricht.
    "Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich habe keine" ist durchaus auch eine selbstkritische Sicht auf das Leben von Rosa von Praunheim geworden – die kommt natürlich nicht ohne Eitelkeiten aus – ist aber dennoch reflektiert. Am Schluss wird sogar der eigene Tod ironisch aufgegriffen:
    "Rosa ist tot, ein Leben voller Quatsch und ohne Sinn, was für ein Idiot, Rosa ist tot."