Freitag, 19. April 2024

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Rossini-Oper
Todernste Farce

1817 musste Rossini eilig einen Opern-Stoff für die Mailänder Scala finden: "Die diebische Elster" erzählt die Geschichte eines beinahe zu Unrecht hingerichteten Dienstmädchens. Knapp 200 Jahre später gelingt es der Frankfurter Inszenierung nicht, der "Elster" Bühnenleben einzuhauchen.

Von Wolf-Dieter Peter | 01.04.2014
    Die Ouvertüre ist ein Wunschkonzertschlager – doch zur Einleitung donnern zweimal Trommelwirbel – und alles Weitere ist auch nur ein halber Spaß: Eine "diebische Elster" klaut Silberlöffel. Prompt wird die als Dienstmädchen tätige Halbwaise Ninetta beschuldigt: Ihr zum "Kriegshelden" verklärter, aber nur "davon gekommener" Verlobter ist zu schwach alles abzuwenden – speziell gegenüber der dominanten, vermeintlich bestohlenen Mutter; Ninettas Vater hat im Krieg gegen Vorgesetzte aufbegehrt, wird gesucht und soll erschossen werden; der Podestà des Ortes begehrt Ninetta, erpresst sie bis fast zur Vergewaltigung und liefert sie nach Abweisung der Unrechtsjustiz aus – bis hin zum Todesurteil mitsamt dem Vater – musikdramatisches Chaos der Gefühle:
    Doch der Diebstahl der Elster wird aufgedeckt und eine Amnestie des Königs lässt die Soldaten statt der exakt komponierten Todesschüsse ihre Gewehre freudig in die Luft abfeuern… alles nur eine Farce!?
    Die Form der "Opera semi-seria" hat Rossini gewählt: also klassisch melodiöse Gesangsformen, vielfältige Ensembles, auch Ziergesang und die sich scheinbar in den Wahnsinn steigernden Walzeneffekte – doch immer, wenn das Elend ernst und echt ist, bekommt die Musik über allen eingängigen Rossini-Tonfall hinaus anrührende Qualität und humane Tiefe – Ninettas Gebet vor der Hinrichtung:
    All das gelang Dirigent Henrik Nánási und dem Frankfurter Museumsorchester nur "semi", sprich: halb. Die "tod-ernsten" Ensembles überzeugten. Das aus der ganzen Opernwelt – von der Ukraine bis Samoa – exquisit ausgesuchte Ensemble gestaltete immer wieder gute Momente, voran der Scarpia-Züge bietende Podestà des koreanischen Bassbaritons Kihwan Sim, der nur leider in einem faschistoiden Triaden-Kostüm agieren muss, dann auch die eher im Jammer überzeugende Britin Sophie Bevan als Ninetta. Doch alles "zündete" nicht so recht…
    Das lag zentral an David Aldens Inszenierung. Er kaprizierte sich auf viele, viele nebensächliche Details, siedelte alles in einem seltsam klassizistischen Architekturhalbrund wie aus einer Palladio-Villa an, ließ ein aufgeschnittenes Haus hereinschieben und herumdrehen und beklettern, auch eine Podestà-Kutsche herumfahren und drehen und Stühle und Schreibtische und wieder Stühle und Krankenbahren… Aus der Fülle der Mittel erwuchs zunächst eher banaler Aktionismus, dann unerfüllte Leere - und schließlich die Idee, ob nicht Bibi Abels raffinierte Videos von Elster und Baum-Versteck auf dem Zwischenvorhang auch überzeugendere Szenerien im Rundhorizont geliefert hätten… Das nächste Mal sollte Alden sich also beschränken müssen, beispielsweise mit den Mitteln des "armen Theaters" zu zaubern gezwungen sein. Jetzt hat er Rossinis "diebischer Elster" jedenfalls kein überzeugendes Bühnenleben eingehaucht.