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Rot-Rot-Grün
Suche nach neuen Machtoptionen

90 Bundestagsabgeordnete von SPD, Linkspartei und Grünen treffen sich heute Abend, um über eine gemeinsame Perspektive auf Bundesebene zu diskutieren. Die Machtoption ohne Union ist für die Parteien attraktiv - doch vor allem SPD und Linke trennt vieles.

18.10.2016
    Innenansicht des Deutschen Bundestags in Berlin (Foto vom 22. Januar 2016)
    Das Plenunm des Deutschen Bundestags in Berlin (dpa)
    Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner verlangt von der Linkspartei mit Blick auf eine mögliche rot-rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2017 Änderungen. "Wir wollen eine Mehrheit jenseits der Union, und dazu gehört auch eine Linkspartei, die willens ist zu regieren", sagte Stegner dem "Spiegel". Dafür müsse das Gros der Linkspartei aufhören, im Grunde Fundamentalopposition sein zu wollen, sagte Stegner. Die Linke müsse für sich vor der Wahl klären, "ob sie der Hauptgegner der SPD bleiben will", so Stegner, der zum linken SPD-Flügel gehört. Er fügte hinzu: "Wir wollen die Große Koalition nicht fortsetzen."
    Die SPD hängt trotz mancher inhaltlicher Erfolge in der großen Koalition in Umfragen bei 22 bis 24 Prozent fest. Ein linkes Regierungsbündnis ist somit eine attraktive Machtoption. Erwartet werden unter anderem SPD-Generalsekretärin Katarina Barley und Ex-Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Eine Einführung soll der emeritierte Göttinger Soziologieprofessor Oskar Negt halten - eine feste Tagesordnung gibt es nicht.
    Wagenknecht: "SPD muss sich von Agenda 2010 verabschieden"
    Bei den Linken sieht vor allem Fraktionschefin Sahra Wagenknecht ein solches Bündnis kritisch. "Rot-Rot-Grün ist im Bund nur bei einem grundlegenden Politikwechsel denkbar", sagte sie. Dafür müsste die SPD sich endgültig von der Agenda 2010 verabschieden - das sei aber nicht in Sicht. So gesehen, könnten die Linken erfolgreicher mit einem striktem Oppositionskurs sein. Zudem gibt es den Streitpunkt Bundeswehreinsätze, die die Linken ablehnen.
    Aber Koalitionen sind - ganz allgemein - ohne Kompromisse nicht denkbar. Viele in der Partei drängen deshalb darauf, es jetzt endlich mal zu versuchen mit einem gemeinsamen Bündnis im Bund. Der Plan: Klare gemeinsame Projekte formulieren, etwa eine Bürgerversicherung - und dafür kämpfen. "Die große Koalition auf Bundesebene hat die AfD begünstigt, weil im gesellschaftlichen Diskurs konservative und linksliberale Positionen nicht mehr klar zu verorten sind", sagte der thüringische Ministerpräsident und Linken-Politiker Bodo Ramelow in den Stuttgarter Nachrichten. "Wenn am Ende der Eindruck entsteht, Frau Merkel könnte durchaus auch die Spitzenkandidatin der SPD sein, dann geht etwas richtig schief. Es ist Zeit, Kurs und Politikstil zu ändern."
    Erst vergangene Woche gab es allerdings einen Dämpfer für die Befürworter von Rot-Rot-Grün. Ein Vorstoß für eine gemeinsame Kandidatin als neue Bundespräsidentin missriet. Bei einem Telefonat der Parteichefs Sigmar Gabriel (SPD) und Bernd Riexinger (Linke) fiel der Name der evangelischen Theologin Margot Käßmann. Aus dem Umfeld der beiden wurde der Name aber in die Öffentlichkeit durchgestochen, SPD und Linke gaben sich hinter vorgehaltener Hand gegenseitig die Schuld. Die Betroffene lehnte dankend ab - und die beiden Spitzenpolitiker standen blamiert da.
    Grüne arbeiten "an allen realistischen Optionen"
    Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter bewertete das Zustandekommen des Treffens positiv. "Ich begrüße es, dass Grüne, SPD und Linkspartei zu Gesprächen auch im größeren Rahmen zusammenkommen", sagte er der Rheinischen Post. "Demokratie braucht Auswahl", sagte er. "Deshalb würde ich es begrüßen, wenn bis zur Wahl stabile Brücken gebaut werden können und auch ein Bündnis mit SPD und Linkspartei grundsätzlich denkbar wird."
    Klar sei allerdings, dass die Grünen weiter auf einen "Kurs der Eigenständigkeit" setzten. Man arbeite an realistischen Optionen - "in die eine wie in die andere Richtung", so Hofreiter. In einigen Bundesländern gibt es bereits schwarz-grüne oder grün-schwarze Koalitionen, ein solches Bündnis war auch schon auf Bundesebene diskutiert worden.
    Erste CDU-Politiker fordern Öffnung für Koalition mit AfD
    Die Debatte um Rot-Rot-Grün hatte bei der Union schon zu ersten zaghaften Öffnungen Richtung AfD geführt. "Wenn es eine bürgerliche Mehrheit gemeinsam mit der AfD gibt, sollten wir mit ihr koalieren", sagte etwa der sächsische CDU-Europa-Abgeordnete Hermann Winkler der Zeitschrift Super Illu. Die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann forderte, eine solche Koalition zumindest nicht auszuschließen. "Vielleicht nicht heute oder morgen, aber für immer und ewig kann die Union eine Koalition mit der AfD auf Landes- und Bundesebene nicht ausschließen".
    Das sieht CDU-Generalsekretär Peter Tauber anders. "Mit ihrem völlig anderen Deutschlandbild kann die AfD niemals unser Partner sein", sagte Tauber in der Rheinischen Post. Die Politiker seiner Partei, die zur AfD gewechselt seien, hätten ein Weltbild entwickelt, das nicht dem der CDU entspreche entspreche. "Nicht wir haben uns verändert, sondern diese Leute", sagte Tauber.
    (nch/fwa)