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Rot-rot-grüne Koalition
Was sich für die Berliner ändert

Mehr Fahrradwege, weniger Emissionen, geringere Wohnkosten: Das neue Berliner Regierungsbündnis aus SPD, Linken und Grünen hat sich in seinem Koalitionsvertrag viel vorgenommen. Was sich alles ändern könnte - und was Fachleute davon halten - haben wir zusammengefasst.

Von Daniela Siebert | 08.12.2016
    Der Berliner Landesvorsitzende von Die Linke, Klaus Lederer (l-r), Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop, tauschen am 08.12.2016 in Berlin im Abgeordnetenhaus nach der Unterzeichnung den Koalitionsvertrag von SPD, Linken und Grünen.
    Bundesweit erstes rot-rot-grünes Landesbündnis: Der Berliner Landesvorsitzende von Die Linke, Klaus Lederer, Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller (SPD), und die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop. (dpa/picture-alliance/Kay Nietfeld)
    Das Regierungs-Bündnis aus SPD, Linken und Bündnis-Grünen hat sich in seinem Koalitionsvertrag viel vorgenommen: von Bio-Abfalltonnen für alle Haushalte bis hin zu einem Umweltbildungszentrum in jedem Bezirk reicht das Spektrum in Sachen "Umwelt und Verbraucher".
    Laut Vertrag soll das Land nicht nur das Strom- und das Gasnetz zu 100% rekommunalisieren. Berlin soll außerdem auch den Fairen Handel stärken, zur "Fair Trade Town" werden, mehr Bio-Essen in Kitas und Schulen anbieten und verstärkt Mehrweg-Becher einsetzen.
    Einen starken Fokus legt das Bündnis auch auf eine neue Verkehrspolitik. Davon profitieren vor allem Fahrradfahrer in Berlin. Zitat aus dem Koalitionsvertrag:
    "Die Koalition verfolgt die Errichtung von im Regelfall mindestens zwei Meter breiten Radstreifen entlang des Hauptstraßennetzes. Auf Nebenstraßen will die Koalition ein Netz aus Fahrradstraßen planen und errichten, das mit der restlichen Radverkehrsinfrastruktur verknüpft wird."
    Schadstoffemissionen der Berliner Binnenschifffahrt sollen sinken
    Dazu sollen künftig auch spezielle Schnellwege für Radler gehören. Und Einbahnstraßen, die Fahrradfahrer in beide Richtungen benutzen dürfen. Wanja Borchert, vom ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub Deutschland VCD, findet das prinzipiell gut.
    "Es könnte natürlich immer ein bisschen mehr sein. Eigentlich ist es eine Selbstverständlichkeit für eine Großstadt. Also Kopenhagen ist immer das beste Beispiel, die haben viele dieser Sachen schon längst, und auch Amsterdam und eigentlich ist es Zeit dafür, dass Berlin endlich nachzieht, vor allem mit dem wachsenden Fahrradanteil, den wir in den letzten Jahren hier hatten."
    Stichwort Auto: Beim VCD, freut man sich auch auf die Einführung einer neuen blauen Plakette. Denn laut Vertrag will sich die Koalition dafür auf Bundesebene einsetzen, um die Schadstoffbelastung durch Feinstaub und Stickoxide weiter zu dämpfen.
    Dass Rot-Rot-Grün die Schadstoffemissionen der Berliner Binnenschifffahrt rund um Havel, Spree, Kanäle und Seen senken will, findet man beim VCD ebenfalls gut und sinnvoll.
    Ökologisch-soziale Modellquartiere werden vorangetrieben
    Ab 2019 soll außerdem der Verkehr auf der zentralen Straße "Unter den Linden" stark eingeschränkt werden. Dort sollen dann nur noch für Busse und Taxis fahren. Für Wanja Borchert ist das allerdings nicht wichtig . Die entscheidende Weichenstellung im Koalitionsvertrag sei das geplante Mobilitätsgesetz.
    "Die Verwaltung wird gezwungen, ganzheitlich zu denken und die gesamte Mobilität zu beachten. Die Bedürfnisse der Fußgänger, die Bedürfnisse der Fahrradfahrer, und auch die Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, das ist schon eine Neuerung, die es bisher so nicht gegeben hat."
    Ein anderes wichtiges Anliegen der rot-rot-grünen Koalition ist der Immobilienbereich. Stichwort Bauen: Da will die Koalition ökologisch-soziale Modellquartiere vorantreiben und die Bauordnung grüner gestalten lobt Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins.
    "Da geht es zum einen um Baumaterialien, es soll verstärkt mit Holz gebaut werden, aber es soll auch eine Begrünung auf Grundstücken verstärkt vorgenommen werden, das ist alles noch nicht präzisiert, aber der Ansatz ist erst mal eine gewisse ökologische Ausrichtung."
    Reform des Verfassungsschutzes geplant
    Zum anderen will die Koalition die Wohnkosten für die Berliner senken. Über 85 Prozent von ihnen wohnen zur Miete. Da gehe die Koalition bis an die Grenze dessen, was auf Bundesland-Ebene möglich sei bestätigt Wild. Auch auf Bundesebene wolle sie sich für eine Verbesserung der Mietpreisbremse und des Kündigungsschutzes einsetzen sowie für geringere Mietsteigerungen bei Modernisierungen. Besonders ambitioniert seien die Vorhaben im Bereich der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Zum Beispiel sollen die Mieten für Sozialwohnungen in Zukunft sinken und sogar nach dem jeweiligen Einkommen gestaffelt werden.
    Ein anderes Projekt im Koalitionsvertrag ist die "Asbestfreie Hauptstadt". Bis 2030 sollen zumindest alle landeseigenen Wohnungen Asbestsaniert sein. Für Reiner Wild ist das längst überfällig. In rund 50.000 Wohnungen seien dort immer noch asbesthaltige Bodenbeläge verbaut.
    Noch zwei interessante Vorhaben aus ganz anderen Bereichen: Es soll ein "Aktionsprogramm zu Vermeidung von Krankenhausinfektionen" geben. Und der Verfassungsschutz soll reformiert und beschränkt werden. Ob das den Berlinern mehr Datenschutz und weniger Überwachung bringt, bleibt abzuwarten. Versprochen wird:
    "Die von nachrichtendienstlichen Maßnahmen Betroffenen sollen nach Abschluss der Maßnahme darüber unterrichtet werden."