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Rote Haare und Raucherstimme

Vor 25 Jahren starb Lotte Lenya, die legendäre Interpretin der Lieder von Bert Brecht und Kurt Weill. Mit Weill war sie verheiratet, und nach seinem Tod wachte sie kompromisslos über sein musikalisches Erbe. Legendär sind aber auch ihre Ausflüge nach Hollywood, besonders ihre Schlägerei mit Sean Connery alias James Bond.

Von Ulrike Rückert | 27.11.2006
    "Sie ist eine miserable Hausfrau, aber eine sehr gute Schauspielerin. Sie kann keine Noten lesen, aber wenn sie singt, dann hören die Leute zu wie bei Caruso."

    Kurt Weill über seine Frau Lotte Lenya, geboren als Karoline Blamauer 1898 in Wien. Die Mutter war Waschfrau, der Vater Kutscher, ein Trinker, der Karoline misshandelte. Mit 14 schickte die Mutter sie nach Zürich zu einer Tante, die sie auch nicht behalten konnte. Doch Karoline blieb in Zürich und wurde Ballettschülerin.

    "Um diese Zeit - ich war fünfzehn oder sechzehn Jahre - ich hab also einen sogenannten Kriegsschieber kennengelernt [...] Ich hab ungeheuer schöne Brillanten von ihm bekommen, dann lebte ich dadurch in einer wunderschönen Villa. [...] Und dann hab ich mich in einen Italiener verliebt, einen Bildhauer, Mario Petrucci hieß der, [...] und bin also eingezogen mit dem Bildhauer, Mario, der wohnte so in einem Hinterhof, in einem kleinen Studio."

    Nach einigen Jahren als Tänzerin und Schauspielerin in Zürich legte sie sich 1921 den Künstlernamen Lotte Lenya zu und ging nach Berlin. Mit großen Karriereträumen, "doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!". Mit den Brillanten des Züricher Liebhabers hielt sie sich über Wasser. Dann heiratete sie den Komponisten Kurt Weill, und 1927 trat sie im ersten gemeinsamen Werk von Weill und Brecht, dem Songspiel "Mahagonny", beim Kammermusikfest in Baden-Baden auf.

    "Der Brecht hatte das schon vorausgesehen, hat gesagt: Die werden natürlich pfeifen. […] Und jetzt geb ich euch jedem eine kleine Pfeife. Und wenn die anfangen zu pfeifen, da geht ihr also gleich ran an die Rampe und pfeift ganz schrill, lauter wie die, zurück. Und genau das ist passiert, gell."

    Es war der Durchbruch für Lotte Lenya. Der große Erfolg kam ein Jahr später mit der Rolle der Jenny in der "Dreigroschenoper". Doch das Menetekel an der Wand war schon sichtbar. Bald wurden Aufführungen von Nazis gestört und Kurt Weill als Jude bedroht.

    "Ich möchte da nicht so ordinär werden, aber da haben sie uns richtige Scheiße reingeschmissen, gell, in den Briefkasten."

    Als Weill 1933 nach Frankreich flüchtete, lebte Lenya mit einem Tenor namens Otto Pasetti in Wien, doch 1935 gingen sie gemeinsam nach Amerika. Kurt Weill hatte dort bald wieder Erfolge, Lotte Lenya scheiterte zunächst. Als Weill 1950 starb, machte sie seine Musik zu ihrer Mission. So begann ihre zweite, ihre große Karriere als Weill-Interpretin. Sie wurde "die Lenya" mit den sehr roten Haaren und der Raucherstimme.

    "Ein sehr guter Freund von mir hat einmal gesagt: Ich hab diese Stimme von der Lenya zu gerne, die ist genau eine Oktave unter einer Laryngitis, also unter einer Halsentzündung."

    In den 60ern leistete sie sich auch künstlerische Seitensprünge. Sie war die Zimmerwirtin Fräulein Schneider in der Broadway-Fassung von "Cabaret" und im James-Bond-Film "Liebesgrüße aus Moskau" Rosa Klebb, die KGB-Agentin mit dem Messer im Schuh. Mit 80 Jahren trat Lotte Lenya endgültig von der Bühne ab. Sie war an Krebs erkrankt, dem sie am 27. November 1981 erlag.