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Rote Karte für Togo und Mexiko

Die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" hat sich die Liste der 32 Endrunden-Teilnehmer der Fußball-Weltmeisterschaft angeschaut - nicht in sportlicher Hinsicht sondern mit Blick auf die Pressefreiheit in den Teilnehmerländern. Das Ergebnis waren einige rote Karten.

Von Gerlind Vollmer | 12.06.2006
    Noch hat Togo nicht gespielt. Doch die togolesischen Fans sind jetzt schon aus dem Häuschen. Die erste WM-Teilnahme der "Sperber" ist mehr als ein nationales Ereignis. Auch für die Exil-Togolesen. Ali Tschassanti lebt seit Jahren in Wuppertal. Zur Fußball-Weltmeisterschaft hat der Journalist eine eigene Internet-Seite gestaltet, billige Übernachtungsmöglichkeiten für afrikanische Togo-Fans organisiert und er ist bereit über so manches hinweg zu sehen.

    " Es geht nur um die Spieler. Und die Spieler, die spielen für unser Land und wir stehen zusammen hinter den Spielern. "

    So wie Ali Tschassanti denken derzeit viele Togolesen. Die Weltmeisterschaft hat die Bewohner des kleinen westafrikanischen Landes zusammengeschweißt. Vergessen und verdrängt die Bedingungen unter denen togolesische Journalisten normalerweise arbeiten müssen.

    " Seit einigen Monaten versucht die Regierung, ein anderes Gesicht zu zeigen und ich kann sagen, dass wir seit drei, vier Monaten keine Probleme bekommen haben für die Pressefreiheit. Wir denken, die Regierung versucht, durch die WM ein bisschen alles locker zu lassen. Aber man weiß, dass der Druck immer da ist, weil die Leute nicht schreiben können, wie die möchten. "

    Kritik an der Regierung von Staatspräsident Gnassingbé können sich nur die Togolesen im Ausland leisten und das auch nur im Internet. Wer in der Hauptstadt Lomé kritische Zeilen verfasst, muss mit dem Schlimmsten rechnen.

    " Es könnte zu Folterung kommen, es könnte zu Gefängnis kommen, es könnte zu Mord kommen. Und das bleibt immer gefährlich. Es gibt also keine richtige Pressefreiheit in Togo."


    Togo im Abseits - Rote Karte für das Land an der Westküste Afrikas. Zumindest eine dunkelgelbe Verwarnung gibt es aber auch für andere WM-Teilnehmerländer. Zum Beispiel Mexiko. Katrin Evers von der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen:

    " Kein Land in Lateinamerika ist derzeit gefährlicher für Journalisten. Denn zwei Journalisten wurden bereits in diesem Jahr ermordet, zwei weitere im vergangenen Jahr und ein dritter ist seit über einem Jahr spurlos verschwunden. "

    Yaotzin Botello ist vor fünf Jahren von Mexiko City nach Berlin gekommen. Seitdem arbeitet der Journalist als Deutschland-Korrespondent für die renommierte Tages-Zeitung 'Reforma’ und weiß die Sicherheit in seiner neuen Heimat zu schätzen.

    " Ich kenne einen Journalisten, der über die getöteten Frauen von Ciudad Juarez viel geschrieben hat und er wurde verfolgt und verprügelt. Man weiß nicht, ob es Leute von der Regierung oder Leute der Drogendealer waren, aber auf jeden Fall jemand wollte, dass er nicht weiter schreibt über die Fälle von ermordeten Frauen von Cuidad Juarez. "

    Ein Skandal ohne gleichen. Seit fast als 15 Jahren verschwinden in der Grenzstadt zu den USA immer wieder auf mysteriöse Weise junge Frauen. Inzwischen sind schon mehr als 400 Tote aktenkundig.

    " Man weiß nicht, was das Motiv ist. Man weiß nicht, ob das mit Drogen oder mit Mafia in Verbindung steht. Es gibt viele Theorien. Man vermutet auch, dass die Polizei und Politiker in diesem Fall verbunden sind. Die Regierung sagt immer, das wird untersucht. Aber nach ein paar Wochen oder ein paar Monaten kommt nichts. "

    Aufklärung gibt es nicht. Journalisten, die versuchen, Licht in das Dunkel aus Korruption und Prostitution zu bringen, werden mit allen Mitteln gestoppt. Auf offiziellen Schutz können sie nicht rechnen.

    " Journalismus in Mexiko ist fast ohne Regeln. Die Regierung macht sich nicht Sorgen um die Journalisten. Die Regierung macht nix für die Journalisten. "

    Doch das ist momentan zweitrangig. Mexiko ist im Fußball-Fieber. Am kommenden Freitag hat das Land sein zweites Vorrunden-Spiel, dann geht es gegen Angola.

    " Mexiko ist ein Land des Fußballs. Die Politik konnte schlecht sein, die Wirtschaft auch, der Präsident konnte korrupt sein, alle Politiker konnten korrupt sein, aber Fußball ist das Thema."

    Auch wenn sich momentan alles um das Spiel der Spiele dreht, will Reporter ohne Grenzen dennoch die Belange der Pressefreiheit in Erinnerung rufen. Denn ohne freie Berichterstattung ist eine Demokratie wenig wert.

    " Für Reporter ohne Grenzen ist es natürlich wichtig, jede Situation zu nutzen, in denen wir Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit schaffen können, vor allem für die Länder, in denen es keine freien Medien gibt, in denen Menschen keine unabhängigen Informationen bekommen, in denen sie keinen Zugang zum Internet haben oder nur ganz begrenzt, wie z.B. in Tunesien oder im Iran, wo Seiten gesperrt sind und Leute hinter Gitter kommen für ihre kritische Berichterstattung. Und das wir diese Plattform nutzen, darauf aufmerksam zu machen, politischen Druck auch möglichst aufzubauen auf diese Länder, dort freie Medien zuzulassen und auch die Inhaftierten frei zu lassen. "