Dienstag, 23. April 2024

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Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys
Italo-Kitsch gegen die Corona-Krise

Rotwein, Sakko, Dolce Vita - die Kitschband Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys spielt mit Schlagerklischees und nimmt so die Sehnsucht nach dem Süden aufs Korn. Das ist wohltuender Quatsch zu Corona-Zeiten und tiefgründige Popkritik gleichermaßen.

Von Alexander Moritz | 21.03.2020
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Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys (Maria Rossi)
Für diese Musik braucht man Humor: Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys – das ist ein vertontes Zerrbild von Italien: Kein Klischee zu abgegriffen, keine Zeile zu schmalzig. Und das Italienisch auch nur eine Persiflage, muss Sänger Roy Bianco zugeben.
Roy: "Also, es ist genug um eine Pizza im Restaurant zu bestellen."
La dolce Vita
Die Musik dazu: Pappig-süß wie die Kugeln aus der Eisdiele "San Remo" oder der Rotwein auf der Terrasse vom Hotel am Gardasee. Refrains auf Karnevalsniveau, die man auch nach der dritten Flasche Chianti noch problemlos mitsingen kann.
"Vino Rosso – aus Sizilien – la lala la, la lala la."
Ähnlich seicht die Inhalte: La dolce Vita, das süße Leben zwischen Casinobesuchen, Sportwagenfahrten und Strandpromenaden. Italokitsch vom Feinsten!
Roy: "Also wir würden es Italoschlager nennen, aber Kitsch und Schlager sind glaube ich deutschsprachige Phänomene, die sehr nahe beieinander liegen."
Stilecht inszenieren sich die beiden Sänger als abgehalfterte Schlagerstars: Getönte Sonnenbrillen, Schnauzbärte, cremefarbene Sakkos. Laut fiktiver Biografie feierte die Band ihre großen Erfolge schon in den 80ern. Das nun erschiene Album soll das Comeback sein – daher auch der Titel "Best Of".
Diese Performance ziehen die Musiker durch: Auf Facebook und Instagram, bei den Konzerten – und auch Interviews gibt es nur mit den Bühnenfiguren.
"Ein herzliches Grüß Gott und ein feuriges Buon Giorno. Ich bin Roy Bianco!" - "Und ich bin die Abbrunzati Boys." - "Und zusammen sind wir:" - "Roy Bianco & die Abbrunzati Boys."
Sehnsucht nach dem Süden
Weitere Fragen zu den echten Musikern dahinter beantworten sie nicht. Nichts soll ablenken vom Leitmotiv: Der Sehnsucht nach dem Süden.
Roy: "Sehnsucht ist ein ahistorisches Gefühl glaube ich, das tritt überall auf, das ist ein Bedürfnis. Im Italienurlaub oder überhaupt in diesen plakativen Verwendungen des italienischen Kulturraumes, der in Deutschland ja sehr präsent ist, mit den ganzen Ristoranti, da ist auf jeden Fall ein Kulturbezug da."
Sehnsucht andererseits auch nach der vermeintlich besseren Vergangenheit, dem goldenen Zeitalter des Schlagers.
Abbrunzati Boys: "Der Schlager in Deutschland ist ja etwas entfremdet von seiner wunderbaren Herkunft in den 50ern und 60ern. Wir denken an Peter Alexander, wir denken an Roy Black, die wunderschöne Melodien und Gefühle vermitteln konnten mit ihrer Musik."
"Oh bella Guilia, und all die Küsse die ich gab, galten immer dir.
Oh Baci, Baci, Baci.
Oh meine bella Giulia - in dieser Nacht in Bali, lalala …"
Alles also nur ein großer Spaß?
Roy: "Wir meinen es todernst natürlich!"
Abbrunzati Boys: "Wir können nur immer wieder betonen, dass dieses Projekt seicht und unpolitisch ist."
Doch es ist nicht nur Klamauk und gute Laune – kann man das Gesamtprojekt doch auch als Persiflage auf Starkult und die Hochglanzbilder der Popindustrie verstehen. In den Musikvideos in Lo-Fi-Optik präsentiert sich die Band stolz vor der angeblich eigenen Villa – oder zwischen den Yachten am Meer – wo es dann aber doch nur für ein Tretboot reicht. Und springt wie im Reisekatalog durch Rom, Venedig oder Bali.
Im Trubel der Klischees geht manche feine Ironie fast unter - zum Beispiel, wenn Roy Bianco über die enttäuschte Liebe singt – nicht zu einer Frau, sondern zu einer Fluggesellschaft.
"Ich glaubte gern dir deine Lügen – denn du nahmst mich mit dir mit.
Altitalia – wo Dolce vita uns umgibt – meintest du dann:
Scusa Bello: Von mir kriegst du nichts zurück."
Dass solche Italo-Allüren ein Publikum finden, hat in den letzten fünf Jahren die österreichische Band Wanda bewiesen. Vier Alben haben Wanda inzwischen produziert, mit den sprechenden Titeln "Amore" – "Bussi" – "Niente" – "Ciao". Eine Welle, auf die Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys wohl gerne aufspringen würden.
Ort der unerfüllten Träume
Abbrunzati Boys: "Ähnliches ist ja auch mit Bilderbuch passiert, die ja auch eben eine Wiener Band sind, die gleichzeitig mit Wanda sehr große Erfolge feiert. Und ich denke, da ist es weniger eine Konkurrenz zwischen den beiden Bands, sondern eben dass auch beide davon profitieren, dass der Austropop jetzt wieder im deutschsprachigen Raum an Fahrt aufgenommen hat."
Italien als Ort der unerfüllten Träume – und die ironische Brechung dieser Sehnsucht: Im Austropop hat beides eine lange Tradition.
Und so erinnern die Trompetensoli und die unbeschwerten Keyboardsounds an die Austropoplegenden von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung.
Wieso aber ist Italien noch immer so ein Sehnsuchtsort – wo doch heute alle längst nach Vietnam oder auf die Philippinen jetten? Der Urlaub in Italien – zumindest für die Westdeutschen steht er symbolisch für die gute alte Zeit.
Abbrunzati Boys: "Man hat sich noch mehr Zeit genommen für die Dinge, man sich noch mehr Zeit genommen zum Beispiel für die Musik. Damals hat man sich eben noch eine Platte gekauft und man hat sie sich an einem Stück dann mit einem Glas Rotwein zu Hause angehört."
Roy: "Ich glaube, der Anspruch an Musik ist grundsätzlich ein anderer geworden. Es geht mehr um Freizeitgestaltung, einfach konsumieren zu können und nicht viel nachzudenken. Man kann natürlich von einer gewissen Realitätsflucht vielleicht sogar sprechen. Und ich glaube, da passen wir einfach gut rein."
Musikalischer Ersatz für den Urlaub in Italien?
Da das Album nun ausgerechnet zu Coronazeiten erscheint – könnte es da vielleicht eine Art musikalischer Ersatz für den Urlaub in Italien sein? Da wird Roy Bianco dann doch bescheiden.
Roy: "Man kann vielleicht in Gedanken dort sein und diese ganzen Klischees inhalieren und aufnehmen. Aber eine wirkliche Reise kann so ein Konzert sicher nicht ersetzen."
"Ciao Ciao Bella, der Abschied hat immer Saison –
sollten wir uns jemals wiederfinden, lauf nicht mehr davon!"
Es ist so furchtbar – eingängig. Manche mögen wohl am liebsten weiterschalten. Aber wer das nicht schnell genug macht, wird schneller mitschunkeln als man "Ciao Bello" sagen könnte – es macht einfach so viel Spaß!