Dienstag, 19. März 2024

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Ruanda nach dem Völkermord
Der lange Weg zur Versöhnung

In Ruanda ermordeten radikale Hutu 1994 etwa eine Million Tutsi, Twa und gemäßigte Hutu. Der Völkermord hat eine lange Vorgeschichte, die bis in die Kolonialzeit zurückreicht - schon damals begann die ethnische Segregation der ruandischen Gesellschaft. Die Aufarbeitung des Genozids bleibt schwierig.

Von Dörte Hinrichs | 09.01.2020
Besucher in der Gedenkstätte des Kigali Genocide Memorial Center stehen vor Fotos von während des Genozids Ermordeten
Traumatisiertes Land: Fast jeder Mensch Ruanda wurde direkt oder indirekt Opfer des Völkermords (picture alliance / Michael Kappeler)
"Denken Sie daran, dass der Genozid mehr als einer Million Menschen das Leben gekostet hat", sagt Daniel Tujize vom Kigali Genocide Memorial. "Aber einige der Extremisten sagten, nein, es wurden keine Menschen getötet, Menschen starben nicht, vielleicht wurden ein paar hundert Menschen getötet – aber lassen sie uns die Wahrheit sagen: So viele Menschen kamen ums Leben, mehr als eine Million, selbst heute werden noch die Leichen von Opfern des Völkermords an den Tutsi gefunden. Es ist jetzt 25 Jahre her, aber du kannst irgendwohin gehen und ein Massengrab finden."
Unter der Erde der großen Grünanlage des Kigali Genocide Memorials liegen allein 250.000 Ermordete, von den wenigsten weiß man ihre Namen. Ein Gesicht und eine Stimme aber haben die Überlebenden, die in einem Videofilm zu sehen sind:
Sie versuchen, das Unfassbare in Worte zu fassen: Dass aus Nachbarn, Schulkameraden und deren Eltern, mit denen sie Tür an Tür lebten, plötzlich Mörder wurden. Damals, 1994, waren sie kleine Kinder, haben ihre Eltern und Geschwister verloren, haben zufällig überlebt, waren Zeugen grausamer Folterungen und Ermordungen, die sie bis heute verfolgen. Einige sagen, sie wären lieber selber gestorben.
Aus Nachbarn wurden Mörder
Das Grauen sichtbar zu machen, auf dass es nie wieder geschehen möge, das ist die wesentliche Funktion aller Genozid-Gedenkstätten in Ruanda. Der Völkermord 1994 an den Tutsis, der für viele Menschen jenseits von Afrika überraschend kam, hat eine lange Vorgeschichte:
"Während der Kolonialisierung hat sich viel verändert. Von diesem Zeitpunkt an wurde zwischen Tutsi, Hutu und Twa als ethnische Gruppen unterschieden. Die Einheit von Ruanda, die existierte, wurde in dieser Zeit zerstört", erklärt Daniel Tujize bei der Führung durch die verschiedenen Abteilungen des Kigali Genocide Memorials.
Rassismus der Kolonialmächte
Auf alten Fotos stehen schwarze Häuptlinge neben weißen Männern, die die deutsche Kolonialmacht verkörpern. Auf der von Bismarck geführten Kongokonferenz 1885 in Berlin war das damalige Königreich Ruanda der neuen Kolonie Deutsch-Ostafrika zugeschlagen worden. Der Hamburger Völkerrechtler Dr. Gerd Hankel hat sich intensiv mit dem Genozid und seiner Vorgeschichte befasst:
"Dass es zwei oder drei Bevölkerungsgruppen in Ruanda gab, das war schon vor der Kolonialzeit so. Es gab Hutu, es gab Tutsi, und es gab Twa, Pygmäen. Was allerdings die Kolonialherren, zunächst die deutschen, dann ab 1916, die Belgier gemacht haben: Es sind rassistische Theorien dort in Umlauf gebracht und angewandt worden, aus denen dann zweifelsfrei hervorging, dass die Tutsi eine überlegene Rasse seien, die Hutu, eine unterlegene Rasse und die Twa obskure Wesen, die im Wald leben und sich, nun ja, auf zweifelhafte Weise ernähren."
Spaltung in Hutus und Tutsis
Als Tutsis galten diejenigen, die mehr als zehn Kühe besaßen, als Hutus, diejenigen, denen weniger als zehn Kühe gehörten. Dabei gab es auch arme Tutsis, die am Rande der Gesellschaft lebten, betont Gerd Hankel:
"Aber die Kolonialherren stützten sich auf die reichen und einflussreichen und trugen so zur immer größer werdenden Spaltung des Landes zur Trennung zwischen Hutu und Tutsi bei."
Rassistische Theorien gewannen seit der Jahrhundertwende zunehmend an Boden und wurden von Europa auch nach Afrika exportiert.
"In den 1930er Jahren begannen sie nun, Menschen anhand ihres physischen Erscheinungsbildes zu klassifizieren - insbesondere aufgrund ihrer Nasen. Sie können das Bild hier sehen, wie sie mit Messinstrumenten die Nasen ausmessen. Sie führen einen nationalen Personalausweis ein - die Hutu, Tutsi, Twa gelten als Rassen - diese Person ist eine Hutu, Tutsi, Twa. Danach erstellten sie sogar Bevölkerungsstatistiken: Wir sehen die große Zahl von 84 Prozent der Hutu, die Mehrheit der Bevölkerung, 15 Prozent Tutsi und ein Prozent Twa."
Lange vor dem Genozid 1994 war es schon Ende der 1950er Jahre zu politischen Morden gekommen. Morde an Hutu-Politikern wurden mit Massenmorden an Tutsi beantwortet. Viele flohen damals ins benachbarte Ausland. 1961 riefen Hutu-Politiker die Republik aus, seit 1962 ist Ruanda unabhängig. Die Hutus, die Benachteiligten von gestern, so Hankel, waren die neue Elite, und die Elite von gestern, die Tutsis, nur noch geduldet. Es kam zur Einführung eins Quotensystem: nur 15 Prozent Tutsis durften zum Beispiel noch im öffentlichen Dienst tätig sein oder in die Schule gehen. Und in jedem Ausweis war die Bezeichnung "Hutu" oder "Tutsi" vermerkt.
"Als im Oktober 1990, also Jahrzehnte später die bewaffnete Tutsi Diaspora, vor allem von Uganda auskommend, die definitive Rückkehr militärisch erzwingen wollte, begann ein Bürgerkrieg zwischen Hutu und Tutsi in Ruanda selbst. Und dieser Krieg führte dazu, dass eine rasend schnelle Gewöhnung an Gewalt in diesem kleinen Land stattgefunden hat."
Versagen der Vereinten Nationen
"Am 6. April 1994 flogen Präsident Habyarimana und Präsident Ntaryamira von Burundi nach Kigali, wo das Flugzeug gegen 18:40 Uhr in der Nähe des Flughafens Kigali abgeschossen wurde. Danach verging nur noch kurze Zeit bis in Kigali die Schüsse begannen, innerhalb einer Stunde. Die Todeslisten waren schon vorbereitet worden. Das heißt, sie waren bereit, die systematischen Tötungen der Tutsi in Ruanda in Angriff zu nehmen."
Bis heute ist nicht geklärt, wer die Präsidentenmaschine abgeschossen hat, ob Tutsis oder Hutus. Klar aber ist: die Vereinten Nationen haben alle Vorwarnungen und Rufe nach mehr Unterstützung ignoriert.
Es kam zu keinem Einschreiten ihrerseits. Im Gegenteil. Gerd Hankel:
"Die Vereinten Nationen haben zugesehen. Sie waren zunächst mit einer Blauhelm Truppe dort 2.500 Mann stark. Nachdem dann am 7. April zehn belgische Blauhelmsoldaten umgebracht worden waren, verließen sie, man möchte sagen kopfüber das Land. Es blieb nur noch eine Resttruppe von 250 Soldaten im Land, bei weitem zu schwach, um sich dem Morden entgegenzustellen, das in den Anfangstagen in Kigali Zehntausende Tutsi und moderate Hutu, also denen, die nicht mitmachen wollten - da gab es eine ganze Reihe – Zehntausenden das Leben kostete, jeden Tag."
100 Tage währte der Völkermord, dem schätzungsweise eine Million Tutsis, aber auch gemäßigte Hutus zum Opfer fielen. Heute gibt es diese Einteilung in Hutus und Tutsis nicht mehr, alle verstehen sich als Ruander. Zumindest offiziell. Möglicherweise schwelt aber noch in einigen Köpfen der alte Hass und wird auf die nächste Generation übertragen. Dabei soll genau das verhindert und Versöhnung gefördert werden. Darum bemüht sich auch Mary Balikungeri:
"Wissen Sie, wir sind ein Post-Genozid-Land, wir erleben eine totale Transformation und eine Herausforderung für Menschen, die immer noch Seite an Seite mit ihren Traumatoren und Überlebenden leben. Deshalb sage ich, dass die Menschen sich öffnen müssen. Du wirst niemals heilen, wenn du nicht sprichst, sprechen, das wird Räume öffnen."
Rückkehr aus der Diaspora ins Traumaland
Mary Balikungeri hat vor über 20 Jahren "Rwanda Women's Network" gegründet. Eine Organisation, die sich um die Bildung und Gesundheitsvorsorge von Frauen kümmert, die sexuell Missbrauchten, vom Genozid-Traumatisierten, aber auch aktuell von Gewalt betroffenen Frauen hilft. Sie kam mit einer amerikanischen Hilfsorganisation in ihr Geburtsland, das sie als fünfjährige mit ihren Eltern Richtung Schweiz verlassen hatte:
"Ich gehöre zu den Ruanderinnen, die in der Diaspora gelebt haben. Nachdem, was in diesem Land passiert ist, waren die meisten Ruander in der Diaspora sehr daran interessiert, nach Hause zurückzukehren und das Wissen zurückzubringen. Also gab ich die Komfortzone auf, in der ich in der Schweiz lebte, und kam nach Hause, um Teil dieser neuen Reise zu sein."
Ruanda ist inzwischen weltweit berühmt für seine Frauenförderung: Im Parlament sind über 60 Prozent Frauen vertreten, der höchste Anteil weltweit. Im Deutschen Bundestag ist nicht einmal jede dritte Abgeordnete weiblich. Und es gibt in Ruanda eine Frauenquote von 30 Prozent. Viele Frauen dort mussten für sich und ihre Kinder nach dem Genozid eine völlig neue Existenz aufbauen, so wie Laurence Mukakabera. Die 55jährige arbeitet in der Kaffeekooperative "Rambagira Kawa", in der sich 2011 ausschließlich Witwen oder alleinlebende Frauen zusammengeschlossen haben. Inzwischen sind hier 260 Frauen mit und ohne Ehemänner organisiert. Laurence Mukakabera steht barfuß auf ihrem Feld, eine Stunde nördlich von Kigali. Auf rund 2.000 Metern Höhe wachsen hier die Kaffeekirschen, die sie zwei Mal im Jahr erntet.
Kaffeebäuerin Laurence Mukakabera prüft Kaffeekischen vor der Ernte
Genozid-Überlebende Laurence Mukakabera von der Kaffeekooperative „Rambagira Kawa“ (Denyse K.Uwera/Fairtrade)
Sie musste 1994 zusehen, wie ihr Mann vor ihren und vor den Augen ihrer beiden kleinen Kinder verbrannt wurde. Ihre Lehmhütte hat sie 1997 selbst neu gebaut, hier lebt sie mit ihrer Tochter, ihrem Enkelkind und einer Kuh.
Neue Perspektiven
Einmal in der Woche treffen sich die Frauen im Zentrum der Kaffee-Kooperative. Viele von ihnen sind Witwen. Nicht jedes Mal singen und tanzen sie, meistens sitzen sie auf Bastmatten auf dem Boden und flechten bunte Sisalkörbe. Durch den Verkauf besseren die Kaffeebäuerinnen ihr Einkommen auf - das Ganze hat allerdings noch einen anderen Effekt:
"Teil der Frauen zu sein, die diese Körbe herstellen, hilft ihr, den Schmerz den sie spürt, all die schweren Zeiten, zu vergessen, weil sie mit anderen Frauen zusammen ist, und eine neue Fähigkeit lernt, so dass es gut für sie ist."
Was die juristische Aufarbeitung des Genozids betrifft, so hat sich darum ab Ende 1994 zunächst der Internationale Strafgerichtshof gekümmert, der in Arusha, in Tansania tagte. Angeklagt waren dort vor allem die Drahtzieher des Völkermords. Ab 1996 wurden dann die nationalen Strafgerichte in Ruanda aktiv. Gerd Hankel:
"Die führten etwa 600 Verfahren pro Jahr durch, beginnend 1996, also zwei Jahre nach dem Völkermord. Das reicht natürlich nicht aus, um die weit über hunderttausend Verdächtigen anzuklagen und zwar in einer angemessenen Zeit anzuklagen. Deshalb griff man auf ein Instrument zurück, dass man kannte aus der ruandischen Tradition, nämlich die Gacaca-Gerichte, das waren Dorfgerichte."
Konfrontation von Tätern und Opfern
Die Gacacca-Gerichte tagten zehn Jahre lang, von 2002 bis 2012. Diesen Gerichten saßen Laien-Richter und erstmals auch Richterinnen vor, Hutus wie Tutsis, gewählt von der Dorfbevölkerung.
"Die Idee dahinter war eigentlich eine ganz gute Idee, nämlich die Verhandlungen dort stattfinden zu lassen, wo auch die Verbrechen begangen worden sind. Das heißt also, die Täter mit den Überlebenden zu konfrontieren, umgekehrt auch, und den Überlebenden die Gelegenheit zu geben, ihre Verletzungen zu zeigen, auch ihre Empörung, ihre Wut kundzutun."
Einige Hinterbliebene erfuhren von den Tätern, wo ihre getöteten Familienmitglieder verscharrt wurden. So bekam sie die Chance, deren sterbliche Überreste in Würde zu begraben. Dass Leichen des Genozids identifiziert werden können, ist eher die Ausnahme. Viele sind in Massengräbern verschwunden, - andere wiederum werden ganz bewusst ausgestellt. Zum Beispiel in Murambi, 160 Kilometer südlich von Kigali.
Gedenkstätten kooperieren mit deutschen Forschern
Ein ehemaliges Schulgebäude ist heute eine Gedenkstätte und Teil eines internationalen Kooperationsprojektes zur Konservierung menschlicher Überreste aus der Zeit des Völkermordes ist. Hierfür hatte die CNLG, die "National Commission for the Fight against Genocide" die Expertise des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf angefragt.
"Die Rechtsmedizin des UKE hat schon seit 2005 Kooperationen mit Ruanda unter anderem mit der University of Ruanda, aber auch mit der Polizei vor Ort und der Staatsanwaltschaft. In diesem Zusammenhang wurde dann die Anfrage 2016 an das UKE gestellt, ob sie nicht auch in dieser Hinsicht, der Konservierung von menschlichen Überresten behilflich sein können."
Sagt Dörte Schaarschmidt. Das UKE hat mit ihr und Monika Lehmann zwei archäologische Restauratorinnen vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in die Kooperation einbezogen. Ihre Expertise hatten die archäologischen Restauratorinnen bislang vor allem bei der Konservierung von 2.000 Jahre alten Moorleichen unter Beweis gestellt. Nun sahen sie sich mit 25 Jahre alten Leichen konfrontiert. Mit Menschen, die sie selbst noch hätten kennenlernen können – wenn diese nicht in der Nacht vom 21. auf den 22. April 1994 am falschen Ort vor der Hutu-Miliz Schutz gesucht hätten, so Monika Lehmann:
"Es sollte ja damals, gefördert von der Weltbank, eine ganz moderne Schulanlage werden. Sie war kurz vor Fertigstellung, als Menschen dort in die Falle gelockt wurden und innerhalb von dreiTagen eine unvorstellbare Zahl von 55.00 bis 60.000 Menschen brutal umgebracht wurden. Wir waren gut vorbereitet durch viele Gespräche, Literatur, auch durch Bilder. Wenn Sie dann aber ins Klassenzimmer reingehen, und sehen, dort liegen in hoher zweistelliger Zahl Kinder, Menschen, die brutalst umgebracht wurden, wenn Sie den Geruch haben, wenn Sie wirklich diesen Eindruck dann live in 3D haben, dann ist das schon ein sehr, sehr intensives Ereignis, was auch erstmal weggeordnet werden muss."
Konservierte Leichen als Zeugnis des Genozids
Zuvor waren die Massengräber geöffnet und alle Leichen herausgeholt worden. Weil ihre Zahl aber so unfassbar groß war, hat es Nachbestattungen in Gemeinschaftsgräbern gegeben. Vertreter der "National Commission for the Fight against Genocide" haben dann entschieden, 850 Leichen auf die 40 Schulräume zu verteilen.
"Da hat man gesagt, die wollen wir aber bewahren als Zeugnis, was hier Grauenhaftes stattgefunden hat. Und diese wurden einmal im Jahr mit Kalk, mit Limestone behandelt, um sie zu erhalten. Man hat dann aber den Wunsch geäußert, dass man 20 repräsentativ ausgewählte gerne reinigen möchte und in einem anderen, etwas würdevolleren Kontext zeigen möchte."
Restauratorin kniet vor dem konservierten Leichnam eines Genozidopfers
Dokumentation eines Genozidopfers in der Gedenkstätte Murambi (Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege Hannover)
Die archäologischen Restauratorinnen aus Hannover haben vor Ort eng mit den ruandischen Mitarbeitern und mit Kolleginnen und Kollegen vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zusammengearbeitet.
"Teilweise war das Geschlecht erst eindeutig überhaupt zu erkennen, nachdem wir gereinigt haben und auch die Verletzungsmuster erst ersichtlich, nachdem wir gereinigt haben. Also die Geschichte der letzten Stunde wurde dadurch erst richtig fühlbar, wenn uns die Kollegen aus Hamburg gesagt haben, guck mal, hier hat man die Fußsehne durchtrennt, damit das Opfer nicht weglaufen konnte. Dann sieht man Abwehrspuren an den Händen, und dann, wie der Schädel eingeschlagen wurde, also die tragische Geschichten. Das berührt schon sehr, dann auch aus der Masse auch diese Einzelschicksale zu sehen und herauszuholen."
Umstrittene Form der Erinnerung
Heute sind diese präparierten Opfer des Genozids in Murambi in einzelnen Acrylsärgen von allen Seiten zu betrachten. Doch wie wichtig ist die Präsentation der Genozid-Opfer in Gedenkstätten für die Erinnerungskultur der Menschen in Ruanda? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Völkerrechtler Gerd Hankel kennt auch die Gedenkstätte in Murambi:
"Ich frage mich, warum die Zur-Schau-Stellung dieser Leichen? Ich weiß aus vielen Gesprächen in Ruanda, dass man das nicht mag, dass viele der Gedanke umtreibt, Schädelknochen könnten von ermordeten Mitgliedern ihrer Familie stammen. Das ist das eine. Das zweite ist, auf diese nun wirklich schreckliche Weise des Völkermords zu gedenken, verschärft meine ich, den ohnehin noch latent bestehenden Gegensatz zwischen Hutu und Tutsi, die unterschiedliche Wahrnehmung. Und das erschwert einen Friedensprozess, weil dauernd mit diesen Bildern, die man hat im Kopf von den gemarterten Menschen, die ja zur Schau gestellt werden, natürlich die Täterfrage einhergeht und man dabei nur zu leicht vergisst, dass sehr, sehr viele Hutu das nicht gemacht haben."
Monika Lehmann, die Leiterin der Archäologischen Restaurierungswerkstatt beim Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege kann nach ihren Einsätzen in Murambi die Art und Weise des Gedenkens in Ruanda auch nachvollziehen:
"Ich bin der Meinung, wenn die Menschen vor Ort das möchten, wenn es ihnen wichtig ist, wer bin ich zu sagen, das macht man nicht? Zumal wir uns auch kolonialtechnisch nicht nur gut eingebracht haben. Und das andere ist: Der Schrei der Täter war: "Leave none to tell the story". Also alle umbringen, alle sofort unter die Erde, dass es keinen Beweis über diese Gräueltaten gibt. Und dass die Menschen jetzt zu sehen sind, mit ihren Verletzungen zu sehen sind, dass sie doch eine Stimme haben, eine stumme Stimme, aber eine sehr mahnende – das finde ich schon überzeugend. Und ich habe einen Sinn in der Arbeit gesehen und von daher konnte ich diese Arbeit dann eben auch mit Engagement durchführen."