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Ruanda
Vom langen Nachhall des Mordens

20 Jahre nach dem Genozid in Ruanda entwickelt sich in der Hauptstadt Kigali eine IT-Szene. Das Land ist immer noch arm, aber es gibt wirtschaftliche Fortschritte. Doch der Regierung von Präsident Paul Kagame werden auch anhaltende Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Von Bettina Rühl | 06.04.2014
    Eine Frau steht vor einer Schädelreihe: Gedenkstätte für den Völkermord in Ruanda
    Gedenkstätte für den Völkermord in Ruanda (picture alliance / dpa)
    Ein Restaurant im Zentrum der ruandischen Hauptstadt Kigali, auf einem der sprichwörtlichen 1.000 Hügel von Ruanda. Es befindet sich in einem der vielen neuen Einkaufszentren der Stadt. Junge Paare sitzen speisend auf der Terrasse, Tablet-Computer liegen auf den Tischen. In Kigali ist in den letzten Jahren eine Schicht wohlhabender Konsumenten entstanden; die makro-ökonomischen Daten weisen weiter nach oben. Reisende und ansässige Ausländer loben die Sicherheit in Ruanda, selbst nachts kann man gefahrlos zu Fuß durch die Straßen gehen. Umso erstaunlicher ist die starke Militärpräsenz im Zentrum, vor allem rund um den Sitz von Präsident Paul Kagame. Mehrere Abende schon kreist ein Hubschrauber über der Stadt, sein Suchscheinwerfer tastet wieder und wieder über die Häuser.
    "Man kann Ruanda im Jahr 2014 nicht verstehen, ohne zu bedenken, wo das Land herkommt. Denn das, was passiert ist, erklärt bis ins Detail, in welcher Situation wir uns heute befinden."
    Jean-Paul Kimonyo ist Politologe und Historiker. Er hat mehrere Bücher über den Genozid von 1994 geschrieben. Vor 20 Jahren wurden binnen weniger Wochen rund eine Million Menschen ermordet. Die meisten waren Tutsi, ein paar waren moderate Hutu. Willfährige Medien hatten die Menschen schon seit Monaten mit einer Propaganda des Hasses aufgepeitscht.
    "Bekanntmachung an alle Kakerlaken, die uns hören. Ruanda gehört denen, die es derzeit verteidigen. Und ihr Kakerlaken, ihr seid keine Ruander."
    Der Radio- und Fernsehsender "Mille Collines", auf deutsch "Tausend Hügel", sprach schon lange nur noch von Kakerlaken, wenn er Tutsi meinte. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen war ursprünglich ein sozialer: Als Tutsi galt, wer mehr als zwölf Rinder hatte, also reich war. Die Grenzen zwischen beiden Gruppen waren also fließend. Erst die Kolonialmächte schrieben sie fest, sie missverstanden Hutu und Tutsi als unterschiedliche Ethnien.
    Fotografien von Menschen, die beim Genozid in Ruanda 1994 getötet wurden (im Denkmal-Zentrum in Kigali)
    Fotografien von Menschen, die beim Genozid in Ruanda 1994 getötet wurden (im Denkmal-Zentrum in Kigali) (dpa / picture alliance / Dai Kurokawa)
    "Jetzt haben sich alle erhoben, um zu kämpfen: unsere Soldaten, die Jugend, die Alten und sogar die Frauen. Die Kakerlaken werden keinen Fluchtweg haben. Wir haben das Glück, dass die Tutsi nicht viele sind. Man hat ihren Anteil auf zehn Prozent geschätzt, es sind aber nicht mehr als acht Prozent. Freuen wir uns gemeinsam, meine Freunde, die Tutsi werden ausgelöscht. Gott ist niemals ungerecht. Wenn wir die Kakerlaken endgültig ausrotten, wird uns dafür niemand verurteilen."
    Der bis heute ungeklärte Absturz der Maschine des damaligen Präsidenten Juvénal Habyarimana am 6. April 1994 war für die militanten Hutus das Signal, mit der lange geplanten systematischen Ausrottung der Tutsi zu beginnen. Bis dahin hatten die Extremisten immer mal wieder einzelne, Dutzende oder hunderte Tutsi getötet. Jetzt wurden binnen weniger Wochen bis zu einer Million Menschen ermordet.
    "Stopp 22 während des Genozids. Grausamkeit und Horror außerhalb unserer Vorstellungskraft waren charakteristisch für das, was in den drei Frühlingsmonaten 1994 begann."
    Die Gedenkstätte für den Genozid in Kigali wurde über einem Gräberfeld von 250.000 Toten errichtet.
    "Vom 6. April bis in den Juli schlachteten Genozidäre, wie sie später genannt wurden, im gesamten Land jeden Tutsi ab, den sie finden konnten. Dies galt ebenso für die Tausenden von moderaten Hutus, die sich weigerten, an den Bluttaten teilzunehmen. Über Nacht wurden Straßenblockaden errichtet, Tutsis wurden direkt ausgesucht, identifiziert und das Blutbad nahm seinen Verlauf in einer unvorstellbaren Größenordnung. Neben den über eine Millionen Leben, die der Genozid kostete, ließ er das Land zudem angeschlagen und wirtschaftlich am Ende zurück. Zehntausende von Häusern und Geschäften ausgebrannt, zerstört und verlassen."
    Gedenkstätte erinnert an den Völkermord
    Im Garten der Gedenkstätte gibt es Gräberfelder. Hier herrscht Friedhofsruhe. Die Besucher gehen bedrückt und andächtig durch die Anlage, die im Schatten einiger Bäume liegt. Außer dem Rauschen der Blätter und ein paar Vögel ist wenig zu hören, der Verkehr der Großstadt nur ein fernes Rauschen. Unter den Besuchern ist eine Schülergruppe. Sie kommt aus einem Dorf, rund 25 Kilometer von Kigali entfernt. Celestin ist 20 Jahre alt, wurde also im Jahr des Völkermords geboren.
    "Ich denke oft über den Völkermord nach. Das war eine schlechte Sache, weil so viele Menschen getötet wurden."
    Er habe einige Mitglieder seiner engsten Familie verloren: seinen älteren Bruder und seine Mutter. Deren Mörder waren Nachbarn.
    "Ich kenne sie, sie wohnen in meiner Nähe. Wir teilen alles miteinander. Wir sehen in ihnen nicht mehr ständig die Mörder, weil sie uns um Vergebung gebeten haben. Ich habe nicht den Wunsch nach Rache, ich habe ihnen vergeben."
    Bestraft wurde nur ein kleiner Prozentsatz der Täter, denn das ruandische Rechtssystem war mit den vielen Fällen völlig überfordert, zumal nur wenige Richter den Völkermord überlebt hatten. Ab 2005 tagten deshalb landesweit sogenannte Gacaca-Gerichte, in denen gewählte Laienrichter im Rahmen öffentlicher Versammlungen über die Angeklagten urteilten. Neben der Rechtsprechung sollten diese Laiengerichte auch soziale Aufgaben erfüllen: das Leid der Opfer sichtbar machen, Hutu und Tutsi miteinander versöhnen. Schließlich gab es noch den internationalen Strafgerichtshof für Ruanda, der in den gut 18 Jahren seines Bestehens nur rund 70 Urteile fällte, bei einem durchschnittlichen Jahresbudget von 100 Millionen Dollar. Daneben liefen einzelne Verfahren in Deutschland und Frankreich. Insgesamt galten die Verfahren auf allen Ebenen als unbefriedigend und dem Ausmaß der Verbrechen nicht gewachsen. Dem 20-jährigen Celestin ist das Erinnern neben der Versöhnung durchaus wichtig. Deshalb besucht er das Museum von Kigali.
    "Ja, das Museum ist als Ort der Erinnerung wichtig. Es mahnt uns, dass wir tun müssen, was wir können, um einen weiteren Genozid zu vermeiden."
    Der Historiker Jean-Paul Kimonyo interessiert sich für den Zusammenhang zwischen dem Völkermord, der Gegenwart und der Zukunftsvision der ruandischen Regierung. Ihn beschäftigte die Tatsache, dass hunderttausende Menschen zu Mördern wurden. Eines seiner Bücher betitelte er: "The Popular Genocide" – "Der volkstümliche Genozid".
    "Die Täter waren ja nicht allesamt Monster. Die Propaganda hat natürlich eine wichtige Rolle gespielt, aber es gab noch andere Gründe dafür, dass sich so viele Menschen am Völkermord beteiligt haben. Der wichtigste war die extreme Armut der Bevölkerung. Ruanda hat kaum Rohstoffe und landwirtschaftlich nutzbarer Boden ist knapp. Die Menschen standen wirtschaftlich und sozial enorm unter Druck. Die Initiatoren des Völkermordes machten sich das zunutze. Sie verleiteten die Menschen zum Töten. Sie animierten sie regelrecht dazu, sich an dem Besitz der Ermordeten zu bereichern, ihr Stück Land in Besitz zu nehmen und ihre Habseligkeiten."
    Ruanda ist so dicht besiedelt, wie kaum ein anderes Land der Welt: 450 Menschen leben auf einem Quadratkilometer, doppelt so viele wie in Deutschland. 90 Prozent der Bevölkerung hat ihr Auskommen in der Landwirtschaft. Die Felder sind jedoch so klein, dass der Ertrag im besten Fall für die eigene Familie reicht.
    "Der Völkermord hat also etwas von dem extremen Druck entweichen lassen, unter dem die Gesellschaft schon vorher stand. In den 20 Jahren, die seitdem vergangen sind, mussten wir nicht nur die psychischen Auswirkungen des Genozids beheben, sondern auch die strukturellen Probleme beseitigen, die ihm zugrunde lagen."
    Acht Prozent Wirtschaftswachstum
    Damit ist Kimonyo bei der heutigen Situation und den ehrgeizigen Entwicklungsplänen der Regierung. Deren Erfolge in diesem Bereich sind beeindruckend: Das Wirtschaftswachstum liegt seit Jahren um die acht Prozent. Ruanda ist auf einem guten Weg, die meisten der Millenniumsziele der Vereinten Nationen zu erreichen.
    "Aber wir dürfen die Entwicklung nicht als gegeben nehmen. Das verbietet die Situation in Ruanda: der Mangel an Bodenschätzen, an Ackerland, die Überbevölkerung, der schlechte Ausbildungsstand der Menschen, die extreme Unterentwicklung des Landes. Außerdem ist Ruanda ein Binnenland, was die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich erschwert."
    Angesichts dieser Lage setzt die Regierung vor allem auf Informationstechnologien und andere Dienstleistungen, in Kigali durchaus mit Erfolg. Tischfußball über den Dächern von Kigali. Auf der Dachterrasse des sogenannten Telecom-Hauses machen ein paar Programmierer gerade Pause. Während die einen Tischfußball spielen, bedienen sich andere aus der zugehörigen Caféteria. Alle sind mit etwa Mitte 30 relativ jung, alle sind IT-Spezialisten. Sie haben ihren Platz im sogenannten "kLab", einem offenen Arbeitsraum für Erfinder, der von der ruandischen Regierung erhofften digitalen Revolution.
    "Als ich 1994 das erste Mal aus dem Exil nach Ruanda kam, war ich 13 Jahre alt. Ich bin in Uganda geboren und dort aufgewachsen, meine Eltern waren schon in den 1950er-Jahren dorthin geflohen. Nach dem Genozid brachte mich mein Vater hierher, damit ich mein Heimatland kennenlerne. Bei meinem ersten Besuch hatte buchstäblich jedes Gebäude in Kigali Einschusslöcher oder Spuren von Granateinschlägen. In manchen Gegenden hing der Geruch des Todes in der Luft, von den Leichen, die noch nicht begraben waren."
    20 Jahre später ist Alex Ntale Chef der Kammer aller IT-Unternehmen von Ruanda. Er ist einer von vielen zurückgekehrten und Englisch sprechenden Exil-Ruandern, die im heutigen Ruanda Spitzenpositionen bekleiden. Das Verhältnis zwischen ihnen und denen, die den Völkermord innerhalb des Landes überlebten und überwiegend Französisch sprechen, ist nicht ganz spannungsfrei: Viele Zurückgebliebene fühlen sich als mutmaßliche Kollaborateure der Völkermörder beäugt, außerdem wirtschaftlich und politisch zurückgesetzt. Ntale war 1994 nach seinem kurzen Besuch in Ruanda mit seinem Vater nach Uganda zurückgekehrt, um dort die Schule abzuschließen. Nach dem Schulabschluss ging Ntale nach London, 2011 dann nach Ruanda.
    Blick auf die ruandische Hauptstadt Kigali
    Blick auf die ruandische Hauptstadt Kigali (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    "Ich war immer von dem Wunsch getrieben, am Wiederaufbau etwas beizutragen. Meinem bescheidenen Verständnis nach war das so: Die erste Generation hat das Land politisch und militärisch befreit, eine zweite Generation muss es wirtschaftlich befreien. Um dazu beitragen zu können, verzichtete ich auf die Karriere, die ich in London sicherlich gemacht hätte. Ich habe Computerwissenschaften studiert und außerdem einen Master-Abschluss in Investmentbanking und Finanzwissenschaft. Damit hätte ich Hedgefonds–Manager werden können oder etwas Ähnliches – London ist für so etwas schließlich die europäische Hauptstadt."
    Stattdessen gründete Ntale vor drei Jahren in Ruanda eine eigene kleine Firma, in der er Computer-Applikationen entwickelte. Als Leiter der IT-Kammer programmiert Alex Ntale jetzt nicht mehr selbst, sondern versucht, andere junge Unternehmer bei ihrem Start ins Wirtschaftsleben zu fördern. Er gehört zur ruandischen Elite und muss im Kigali von heute von dem, was ihm aus London vertraut ist, wenig entbehren.
    Im ländlichen Ruanda Einkommen von zwölf Euro pro Monat
    Das ländliche Ruanda wirkt dagegen wie eine andere Welt. Die kleinen Felder werden in Handarbeit beackert, die Einkommen liegen bei rund zwölf Euro im Monat. Das einzige Entwicklungspotenzial ist die Neuerschließung der großen Feuchtgebiete. Daran war auch die deutsche Welthungerhilfe beteiligt, durch ein aufwendiges Verfahren entstanden in ihren Projekten sieben Quadratkilometer Ackerfläche für den Anbau von Reis, die Größe von 1.400 Fußballfeldern. Davon profitieren nun 7.000 Familien; sie verdienen im Jahr rund 250 Euro, sagt Projektleiter Christoph Meier.
    "Wenn man das auf den Monat umrechnet, sind das ungefähr 18, 19 Euro, also im Vergleich zu der vorigen Situation, wo die meisten Familien unter zwölf Euro hatten, ist das schon mal ein beträchtlicher Start. Das ist natürlich nicht viel oder es klingt erst mal nicht viel, aber wenn man sich die Grundsituation vor dem Projekt in Erinnerung ruft, dann ist das schon mal ein großer Schritt."
    "Wir müssen immer noch bescheiden sein, denn unser Land ist nach wie vor sehr, sehr arm. Wenn auch sehr viel weniger arm, als vor 20 Jahren. Und vor allem bei Weitem nicht mehr so verzweifelt. Doch eine solche Entwicklung hat ihren Preis: die Einschränkung der Meinungsfreiheit. Und die Beschränkung der politischen Freiheit. Wegen der extrem explosiven politischen Spannungen mussten wir sozusagen für eine Weile einen Deckel auf den Topf kriegen".
    Das ist sehr vorsichtig formuliert. In einem Bericht von Januar 2014 schreibt die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch":
    "Seit die RPF die Macht übernahm, hat Human Rights Watch etliche Fälle von willkürlichen Festnahmen, Verhaftungen, Anklagen, Morden, Folter, gewaltsamem Verschwinden, Bedrohungen, Schikanen und Einschüchterungen von Kritikern und Gegnern der Regierung dokumentiert. Diese Menschenrechtsverletzungen fingen unmittelbar nach dem Genozid Mitte der 1990er-Jahre an und gehen bis heute weiter. Nicht nur innerhalb des Landes werden kritische Stimmen unterdrückt, auch Dissidenten und reale oder vermeintliche Kritiker, die in den Nachbarländern Kenia, Uganda oder sogar in Südafrika Zuflucht suchten, wurden Opfer von Angriffen und Drohungen."
    Der Regierung von Paul Kagame werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
    Der Regierung von Paul Kagame werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Die Vereinten Nationen werfen Ruanda außerdem vor, die Konflikte im benachbarten Kongo zu schüren. Das alles weisen die Machthaber in Kigali zurück. Frank Habineza ist ein gefragter Mann. Gerade verlässt ein Kamerateam von Al Jazeera sein kleines Büro in einem der Einkaufszentren von Kigali. Der Parteivorsitzende Habineza setzt zum vierten Interview dieses Tages an – er leitet die einzige legale Oppositionspartei Ruandas.
    "Unsere Situation ist natürlich sehr schwierig. Als wir anfingen, gab es noch andere Oppositionsparteien, jetzt sind wir die einzigen. Unsere Kollegen sind inzwischen im Gefängnis. Es gibt außer uns nur noch eine Partei, die um ihre Zulassung kämpft, aber da ist noch gar nichts abzusehen. Bei uns hat das ja auch vier Jahre gedauert, bis wir registriert waren."
    Habineza fordert vor allem mehr Demokratie für Ruanda. In den ersten Jahren nach dem Völkermord habe er ja eingesehen, dass gewisse Restriktionen nötig waren.
    "Aber inzwischen glauben wir, dass Ruanda reif genug ist und die Regierung mehr Freiheiten zulassen sollte. Stattdessen passierte im Juli 2010 dieses furchtbare Ereignis. Nur zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl wurde mein Stellvertreter ermordet, ihm wurde der Kopf abgeschnitten. Und ein anderes führendes Parteimitglied wurde ins Gefängnis gesteckt. Ich musste das Land verlassen und ging nach Schweden ins Exil. Zwei Jahre später kam ich zurück, um die Registrierung unserer Partei noch einmal zu beantragen. Aber ich bekam noch nicht einmal eine Antwort."
    Erst seit einem Jahr sind sie endlich zugelassen. Aber letztlich ist die Partei kaum handlungsfähig: Aufgrund des strikten Gesetzes zur Parteienfinanzierung hat sie kaum Geld.
    Menschenrechtsverletzungen in Ruanda
    Gefährlicher sind ehemalige Weggefährten Kagames, die mitsamt ihrem ganzen Insiderwissen inzwischen zu Kritikern wurden. Einer von ihnen war Patrick Karegeya, der am 1. Januar in seinem südafrikanischen Exil ermordet wurde. Die südafrikanische Regierung ist davon überzeugt, dass ruandische Diplomaten verwickelt waren. Die ruandische Regierung tat wenig, um den Verdacht zu zerstreuen. Mitte Januar nahm Präsident Kagame in einer Rede anlässlich einer religiösen Veranstaltung auf den Mord an Karegeya Bezug.
    "Wer auch immer Ruanda verrät, wird den Preis dafür bezahlen. Das kann ich Ihnen versichern. Wer ein Land verrät oder einem Volk Schlechtes wünscht, wird immer unter den negativen Konsequenzen davon leiden. Wer auch immer unter den heute Lebenden ein Komplott gegen Ruanda schmiedet, wird den Preis dafür bezahlen."
    Über diplomatische Kanäle gaben einige von Kagames westlichen Partnern zu verstehen, dass er diesmal zu weit gegangen sei. Daraufhin wies Kagame eine Verwicklung seiner Regierung in den Mord einerseits zurück. Andererseits redete er sich weiter hinein. So auch in einem Interview mit dem kenianischen Fernsehsender NTV Ende Januar.
    "Darf ich nicht sagen, was ich möchte, solange meine Worte einen Sinn haben? Was ich gesagt habe, habe ich während einer Gebetsveranstaltung gesagt, also in einem religiösen Kontext. Da habe ich vieles von mir gegeben. Aber ich habe damit natürlich auch etwas bezwecken wollen. Eine Überzeugung und ein Volk herauszufordern – warum sollte das keine Konsequenzen haben?"
    Aber trotz aller Kritik an der Verletzung von Menschenrechten scheint die ruandische Regierung fest im Sattel zu sitzen, nicht zuletzt, weil sie Entwicklungserfolge vorweisen kann. Der Bevölkerungsmehrheit geht es besser als vor dem Genozid, wenn auch auf einem bescheidenen Niveau. Zunächst einmal reicht das offenbar, um soziale Spannungen und politische Unzufriedenheit zu überdecken. Die Regierung scheint sich dessen allerdings nicht immer sicher zu sein, anders ist das Militäraufgebot in manchen Regionen Kigalis kaum zu erklären.