Rudyard Kipling

Der Barde des britischen Empire

Das zeitgenössische Porträt von William Strang zeigt den englischen Schriftsteller Joseph Rudyard Kipling (1865-1936).
Das zeitgenössische Porträt von William Strang zeigt den englischen Schriftsteller Joseph Rudyard Kipling (1865-1936), Erfinder des "Dschungelbuch". © picture alliance / dpa
Von Simonetta Dibbern · 30.12.2015
Rudyard Kipling erhielt für sein Werk den Literaturnobelpreis. Als Journalist und Romanautor beschäftigte er sich mit den Menschen verschiedener Kulturen, sein größter Erfolg war das "Dschungelbuch". Vor 150 Jahren wurde Kipling in Bombay geboren.
"Shere Khan, the big one has shifted his hunting grounds."
Natürlich: das Dschungelbuch.
"He will hunt among these hills for the next moon, so he has told me. Shere Khaan was the tiger, who lives near the Wainganga River, 20 miles away. By the law of the jungle, father Wolve began angrily ... He has no right!"
Die Geschichte des kleinen Jungen Mowgli, der im Urwald aufwächst, als Welpe einer Wolfsfamilie, der durch Balu, den Bär, Bagheera, den schwarzen Panther, und Kaa, die Pythonschlange, die Gesetze des Dschungels kennenlernt – und gemeinsam mit seinen Freunden versucht, den hinkenden Tiger Shir Khan zu besiegen. Walt Disney hatte den niedlichen Mowgli mit Affen, Elefanten und Geiern durch die wilde Natur tanzen lassen, die Geschichte vereinfacht und damit weltweit einen Millionenerfolg erzielt.
Komplex geschriebene Geschichte
Die literarische Vorlage, die "Dschungelbücher" von Rudyard Kipling, sind um einiges komplexer: geschrieben als Geschichten für seine Kinder. Und als persönliche Erinnerung an seine Kindheit in Indien. Dort wurde Rudyard Kipling geboren, am 30. Dezember 1865, im damaligen Bombay. Dass die britischen Eltern ihrem Sohn den exotischen Namen Rudyard gaben, war keine Hommage an die indische Kultur, sondern an den Rudyard Lake in den englischen Midlands, wo sie sich verlobten, bevor der Vater in Bombay Direktor einer Schule für traditionelle Handwerkskunst wurde. Es muss ein offenes Elternhaus gewesen sein, in dem Rudyard und seine Schwester aufwuchsen, sagt Stefan Welz, Professor für Anglistik in Leipzig und Kipling-Biograf:
"Also erst mal war das schon nicht so ganz selbstverständlich, dass viktorianische Eltern ihre Kinder mit einheimischen Aufsichtspersonen so intensiv alleine gelassen haben. Ich glaube, da liegt ein Großteil der erzählerischen Wurzeln von Kipling, was er dort von seiner Aya, von seiner Kinderfrau, gehört hat."
Mit der Einschulung war die unbeschwerte Kindheit abrupt zu Ende: Wie die meisten Anglo-Inder schickten seine Eltern ihn nach England, um dem Jungen eine gründliche britische Schulbildung zu ermöglichen. In diesen Jahren entstand wohl auch die zunehmend imperialistische Haltung, die dem Autor später immer wieder vorgeworfen wurde:
"Er wird ja oft als der Sänger, der Barde des British Empire gesehen, aber er ist einfach auch ein Produkt des British Empire. Er ist in diesem Empire zuhause gewesen. England ist ihm doch öfter zu klein geworden."
Mit 17 Jahren kehrte Kipling nach Indien zurück, reiste als Sonderkorrespondent für verschiedene Zeitungen durch das heutige Pakistan, durch Myanmar, nach Südafrika und Australien. Seine Reisereportagen wurden schnell berühmt, ebenso wie die Kurzgeschichten, in denen Rudyard Kipling seine Begegnungen mit Menschen verschiedener Kulturen poetisch verarbeitete.
"Kipling konnte mit dem Heizer der Lokomotive genauso ein Gespräch führen wie mit Angehörigen der königlichen Familie. Allerdings wollte er sich immer seine Freiheit bewahren, also er wollte sich nicht vereinnahmen lassen, jetzt nicht irgendwie Hofdichter werden. Er hat schon sehr genau ausgesucht, welche Auszeichnung er annimmt."
1907 erhält er den Literaturnobelpreis
Beim Literaturnobelpreis konnte er nicht Nein sagen: 1907 wurde er damit ausgezeichnet, im Alter von nur 42 Jahren auf der Höhe seines Ruhms. In der anglophonen Welt gilt Kipling bis heute als wichtige literarische Stimme. Die Entdeckung verloren geglaubter Manuskripte in einer New Yorker Wohnung vor einigen Jahren galt als Sensation. In Deutschland dagegen geriet er beinahe in Vergessenheit. Erst in den letzten Jahren wurde die poetische Qualität seiner Texte wiederentdeckt und viele seiner Gedichte, Reportagen und Kurzgeschichten neu übersetzt, zuletzt der Bildungsroman "Kim".
Den Welterfolg seines Dschungelbuchs hat Rudyard Kipling nicht mehr erlebt: Er starb am 18. Januar 1936. Nur wenige Monate zuvor hatte er vor kanadischen Schriftstellern gesprochen – über seine literarische Haltung und über seine Wurzeln:
"Wir sind im Grunde wie ein Stück Holz. Jedes Astloch und jede Unregelmäßigkeit erzählt, welche Verletzung der Baumstamm während des Wachstums erlitten hat. Der Architekt Jean Pigeon, der ein Holzhaus für mich gebaut hat, sagte einmal: Alles, was der Baum im Wald erlebt hat, bringt er mit in das Haus. Dieses Gesetz gilt auch für uns – für jeden in seinem eigenen Land."
Mehr zum Thema