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Rückbesinnung

Bereits im Herbst 2008 entstanden die Aufnahmen, mit denen sich der große Cellist Truls Mørk auf der internationalen Bühne zurückmeldet. Berühmt für seine Interpretationen zeitgenössischer Musik, geht es diesmal weit in die Vergangenheit: Auf dem Notenständer: die Cello-Konzerte von Carl Philipp Emanuel Bach.

Von Vincent Neumann | 10.04.2011
    "Üb nicht zu viel, sonst wirst du noch Musiker!" Diese warnenden Worte hörte Truls Mørk in jungen Jahren von seinem Vater, einem Profi-Cellisten. Der unterrichtete seinen Sohn zwar, wollte aber nicht, dass dieser die Musik allzu ernst nähme. Genutzt hat es allerdings nichts - der kleine Truls übte fleißig und gehört nun schon seit vielen Jahren zu den großen Cellisten der Gegenwart.

    Doch in letzter Zeit war es still geworden um den Norweger - eine lange und schwere Krankheit zwang ihn zu einer 18-monatigen Pause. Inzwischen steht beziehungsweise sitzt Truls Mørk aber wieder auf der Bühne, und kurz vor seinem 50. Geburtstag in diesem Monat gibt es von ihm nun auch eine neue CD. Die Aufnahmen dazu entstanden bereits im Herbst 2008. Gemeinsam mit dem kanadischen Ensemble "Les Violons du Roy" unter der Leitung von Bernard Labadie hat Truls Mørk die Cello-Konzerte von Carl Philipp Emanuel Bach eingespielt.

    " Cellokonzert in a-moll, 1. Satz: Allegro assai "

    Bisher war Truls Mørk nicht unbedingt als Interpret barocker oder frühklassischer Musik in Erscheinung getreten. Neben dem cellistischen Standard-Repertoire von Schumann bis Dvorak und Schostakowitsch, hatte sich der Norweger in erster Linie auf die zeitgenössische Musik konzentriert, mit Uraufführungen unter anderem von John McCabes Cellokonzert und Krysztof Pendereckis "Concerto For The Three Cellos", oder auch mit seiner preisgekrönten Aufnahme der Solo-Suiten von Benjamin Britten.

    Jetzt also Carl Philipp Emanuel Bach. Truls Mørk geht - musikhistorisch gesehen - mehr als nur einen Schritt zurück, in eine Zeit, in der sich nicht nur die Klangsprache der Klassik, sondern auch das Cellokonzert als Gattung erst langsam zu etablieren begann. Denn dass das Cello nicht von Natur aus als Soloinstrument prädestiniert sei, davor warnte schon Bachs Zeitgenosse Johann Joachim Quantz:

    "Das Solospielen ist auf diesem Instrumente eben nicht eine so gar leichte Sache. Wer sich hierinne hervortun will, der muss von der Natur mit solchen Fingern versehen sein, die lang sind, und starke Nerven haben, um weit auseinander greifen zu können."

    " Cellokonzert in a-moll, 3. Satz: Allegro assai "

    Drei Cellokonzerte schrieb Carl Philipp Emanuel, der wohl bekannteste und erfolgreichste der Bach-Söhne - allesamt während seiner Zeit als Cembalist am preußischen Hof Friedrichs des Großen, dem musikalischen, aber mit einem sehr konservativen Geschmack gesegneten Monarchen. Seine Experimentierfreude musste der Bach-Sprössling daher anderswo ausleben. Das aufkeimende Konzertleben in Berlin Mitte des 18. Jahrhunderts bot ihm diese Bühne, und für ein empfängliches Publikum aus der Mittelklasse schrieb er wohl auch seine drei Cellokonzerte, die zwischen 1750 und 53 entstanden. Formal stehen sie durchaus noch in der Tradition seines großen Vaters, nur dass Carl Philipp Emanuel die zeitgemäßere Ritornellform als Fundament für seine schnellen Sätze bevorzugt. Die Konzerte demonstrieren aber eindrucksvoll seinen individuellen musikalischen Stil, den melodischen Einfallsreichtum und die betonte Emotionalität, der er eine ebenso ausgeprägte Virtuosität gegenüberstellt. Voller Dramatik und Dynamik, wie entfesselt galoppieren die schnellen Sätze los; ausdrucksstark, fast etwas wehmütig und verletzlich muten dagegen die langsamen Mittelsätze an. Denn schließlich musste die Musik seinem obersten Prinzip zufolge in erster Linie das Herz berühren.

    " Cellokonzert in A-Dur, 2. Satz: Largo con sordini, mesto "

    Es sind gerade die gesanglichen Passagen, in denen Truls Mørk sein Spiel aufblühen lässt, in denen das musikalische Empfinden aus ihm geradezu hervorzubrechen scheint. Grundsätzlich ist sein Klang - wie auch der des Ensembles - durch den sehr sparsamen Vibrato-Einsatz bewusst schlicht und fast etwas fahl gehalten. Doch umso effektvoller wirken diese Momente, in denen der Norweger pointiert das von ihm so genannte "melodische Vibrato" einsetzt und dadurch gewisse Melodiebögen oder einzelne Noten regelrecht aufleuchten lässt.

    "Ich finde, ein gleichmäßiges Vibrato nimmt das Leben aus der Musik" bemerkte Mørk einmal in einem Interview, und sagte weiter: "Nur weil die Noten verbunden sind, heißt das noch lange nicht, dass sie auch alle gleich klingen müssen. Manche Noten sind wichtiger als andere und verdienen deshalb eine besondere Behandlung in Klangfarbe und Intensität."

    Das Vibrato also nicht als Dauerzustand, sondern als Effekt, als flexibles Gestaltungsmittel. Ohnehin gibt Truls Mørk den Cellokonzerten von Carl Philipp Emanuel Bach eine sehr persönliche Note: Was der Komponist dabei gefühlt hat, könne er unmöglich wissen, so Mørk. Deshalb konzentriere er sich bei einem Stück nur auf seine eigenen Emotionen.
    Und so kommt auf dieser Aufnahme des norwegischen Cellisten weder die Spielfreude noch das Gefühl zu kurz. Ebenso wie der Komponist findet auch Truls Mørk eine temperamentvolle, aber harmonische Mischung aus Virtuosität und Ausdruck.

    " Cellokonzert in A-Dur, 2. Satz: Largo con sordini, mesto "

    Truls Mørk, gemeinsam mit dem Ensemble "Les Violons du Roy" unter Bernard Labadie - das ist eine gelungene Kooperation. Kraftvoll und doch schlicht und transparent im Zusammenklang sind Solist und Orchester gut aufeinander abgestimmt. Ihr Dialog (fast schon ein Wettstreit) wirkt spannend und unvorhersehbar. Das Timing ist präzise, ohne dass sich Mørk in der Ausgestaltung seiner Solo-Passagen zu sehr einschränken müsste.

    Obwohl er sich bis jetzt nicht unbedingt als Spezialist für die Musik des 18. Jahrhunderts hervorgetan hat, überzeugt der Norweger auch in diesem Bereich und demonstriert so sein unglaublich breites Spektrum. Ungemein hilfreich ist dabei natürlich die Zusammenarbeit mit den erfahrenen, auf Barock und frühe Klassik spezialisierten Musikern von "Les Violons du Roy". Das Ensemble aus dem kanadischen Quebec spielt zwar auf modernen Instrumenten, also auch auf Stahlsaiten, rundet diesen strahlenden Klang aber mit Barock-Bögen ab - eine ungewöhnliche, aber durchaus funktionierende Kombination.

    Und für den Gründer und langjährigen musikalischen Leiter Bernard Labadie sind schließlich ganz ähnliche Punkte wichtig wie für Truls Mørk selbst: Präzision, Spannung und Energie in der Musik.

    " Cellokonzert in A-Dur, 3. Satz: Allegro assai "

    Die Neue Platte - diese Woche kommt sie von dem norwegischen Cellisten Truls Mørk, mit Aufnahmen der 3 Cellokonzerte von Carl Philipp Emanuel Bach. Die sind zwar schon vor zweieinhalb Jahren, vor seiner krankheitsbedingten Pause entstanden, aber das macht sie natürlich nicht weniger hörenswert. Gemeinsam mit dem kanadischen Ensemble "Les Violons du Roy" unter der Leitung von Bernard Labadie unternimmt Truls Mørk einen sehr gelungenen Ausflug in die Musik des 18. Jahrhunderts - erschienen ist der beim Label Virgin Classics.
    In wenigen Tagen wird er übrigens auch live wieder zu hören sein in Deutschland - am 14. und 15. April spielt Truls Mørk in der Alten Oper in Frankfurt, diesmal nicht Spät-Barock, sondern Spät-Romantik mit dem Cellokonzert von Edward Elgar. Und mit dieser Rückkehr auf die Konzertbühne macht er sich selbst das schönste Geschenk zu seinem 50. Geburtstag am 25. April.


    C.P.E. Bach - Cello Concertos
    Truls Mørk - Cello
    Les Violons du Roy
    Bernard Labadie - Leitung

    EMI Records Ltd / Virgin Classics
    LC 7873
    EAN: 50999 6944920 8