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Rückenschmerzen bei Babys

Nicht nur Erwachsene sind von Rückenschmerzen betroffen. Auch Säuglinge können solche Probleme haben. Schwachpunkt ist bei Babys vor allem die Halswirbelsäule. Beim diesjährigen Symposium 2007 der Deutschen Gesellschaft für Chirotherapie und Osteopathie erörterten Mediziner unter anderem, wie den ganz kleinen Patienten geholfen werden kann.

Von Veronika Bräse | 07.08.2007
    Wenn ein Mensch zur Welt kommt, muss er sich mit seinem vergleichsweise großen Kopf durch eine ganz kleine Öffnung zwängen. Da wird gepresst, gezogen und gezerrt. Manchmal bedarf es auch technischer Hilfsmittel wie einer Saugglocke oder Geburtszange. Kein Wunder, dass da Blessuren bleiben können. Manchmal wird die Halswirbelsäule in Mitleidenschaft gezogen und ein Wirbel blockiert. Fachleute sprechen von einer "Kopfgelenk-Induzierten Symmetrie-Störung", kurz KiSS. Manche Mediziner erkennen zwar das so genannte KISS-Syndrom nicht als wirkliche Krankheit an. Dass Babys aber darunter leiden, davon ist der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirotherapie und Osteopathie, Dr. Dietmar Daichendt, überzeugt:

    " Immer wenn sie in eine schmerzhafte Bewegung rein rutschen, schreien sie, schlafen schlecht, essen weniger und bereiten den Eltern Kummer, dass sie auffälliger sind, dass sie sagen, also Mensch bei meiner Nachbarin, bei meiner Freundin war das alles so unproblematisch und mein Kind schläft so schlecht und schreit so viel. "

    Ein Schreikind schreit also vielleicht nur wegen eines blockierten Halswirbels. Der Wirbel ist aber meist nicht wirklich eingeklemmt und müsste mit einem starken Ruck gelöst werden. Sondern das Gelenk kann sich lediglich nicht so frei bewegen wie es sollte:

    " Es handelt sich um ein gestörtes Gelenkspiel, das heißt jedes Gelenk hat ein physiologisch, also natürlich vorgegebenes Spiel, einen Spielbereich, und der ist bei diesen Kindern eingeschränkt durch eine Rückmeldung, die aus dem Rückenmark kommt und die vermutlich durch diesen Geburtsvorgang, der schwieriger war als bei anderen Kindern, gesetzt werden. "

    Babys mit Kiss-Syndrom reagieren auf Berührungen im Nacken meist sehr empfindlich. Sie haben auch Probleme, den Kopf selbst zu halten. Außerdem neigen sie den Kopf oft nur auf ihre Lieblingsseite und trinken auch beim Stillen nur einseitig. Daichendt, der sich auf manuelle Medizin spezialisiert hat, kennt noch weitere Symptome:

    " Das sind häufig einseitige Glatzenbildungen am Kopf, wo die Kinder bevorzugt, weil sie immer in einer Richtung schlafen, dann auch eine Glatzenbildung haben. Dann - es heißt ja auch Symmetriestörung - sieht man häufig Asymmetrie des Gesichtes, eine Asymmetrie der Mundöffnung beim Schreien und insgesamt eine Asymmetrie der Körperbewegungen. Das heißt diese Kinder, wenn die Mutter sie hält oder aufrichtet, die können sich nie richtig gerade halten. Sie suchen sich immer eine weitestgehend schmerzfreie Richtung, in der sie eben Beschwerde frei sind."

    Wenn Eltern ein solches Verhalten ihres Nachwuchses auffällt, empfiehlt Daichendt den Weg zum Chirotherapeuten oder Osteopathen. Der macht dann Muskeltests und sucht nach blockierten Wirbeln:

    " Wir können alle möglichen Punkte bei Säuglingen hervorragend tasten, die bei Erwachsenen aufgrund einer dickeren Haut, aufgrund verstärkter Muskulatur und stärkeren Bindegewebes schon etwas schwieriger zu tasten sind. "

    Steht die Diagnose fest, muss diese schmerzhafte Bewegungs-Einschränkung gelöst werden. Dafür gibt es bestimmte Griffe oder Griff-Folgen, die auf möglichst sanfte Art einwirken:

    " In erster Linie funktioniert es über eine Traktion an der Halswirbelsäule, also ein Ziehen, das ganz mild ist und in erster Linie auch voraussetzt, dass das Kind in eine entspannte Position kommt, dazu brauchen wir in aller Regel die Mutter mit dabei und Geduld. "

    Erst wenn der kleine Patient Vertrauen hat und sich wohl fühlt, lässt sich gut mit ihm arbeiten. Nach der ersten Behandlung wird eine Pause von ein bis zwei Wochen eingelegt:

    " In dieser Zeit sollen die Eltern das Kind beobachten. Verändert sich sein Schlafverhalten, wird das Kind ruhiger, wacht es nicht mehr 5 Mal pro Nacht auf, ist es insgesamt entspannter. "

    Im besten Fall wird schon nach wenigen Behandlungen aus einem Schreikind ein zufriedenes, schmerzfreies Baby. Seine Symmetrie-Störung verschwindet und es kann sich normal weiter entwickeln.