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Rückenschule nach der Arbeit

Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften in Bielefeld ist einzigartig in Deutschland. Seit 1997 kann hier berufsbegleitend angewandte Gesundheitswissenschaft studiert werden. Nach dem Vorbild US-amerikanischer Schools Of Public Health werden vier Semester Grundlagen der Gesundheitswissenschaften, Konzepte der Gesundheitsförderung und des Projektmanagements vermittelt. Gut 300 Absolventen verzeichnet die Fakultät bis heute. Akademiker sowie Angestellte aus Versorgungseinrichtungen wie Krankenhaus oder Krankenkasse sind immatrikuliert.

Von Ingo Müntz | 06.08.2004
    Martina Redemann arbeitet als selbständige Gesundheitsmanagerin in Ostwestfalen Lippe. Nach dem Fernstudium machte sie den Bachelor, jetzt arbeitet sie am Master. Einer ihrer Schwerpunkte ist die innerbetriebliche Gesundheitsförderung. Gebucht wird sie von Krankenkassen. Zum Beispiel der Betriebskrankenkasse Miele in Gütersloh.

    Karin Kramer ist 38. Sie leidet unter chronischen Rückenschmerzen. Das Ergebnis vieler Stunden am Schreibtisch. Eigentlich ein Fall für den Arzt, die Behandlung. Doch sie will mehr. Darum setzt die kaufmännische Angestellte auch auf Prävention: die Rückenschule nach der Arbeit. Mit ihrem Kollegen Manfred Nehme plant sie den Abend:

    Wir gehen ja wieder zu Frau Redemann die biegt uns dann wieder schön und macht die guten Übungen und Dehnübungen für die Schulter.

    Frau Redemann wird's also richten. Martina Redemann ist Gesundheitsmanagerin. Der Auftrag der 45-Jährigen - die innerbetriebliche Gesundheitsförderung. Ergonomie am Arbeitsplatz, Herz-Kreislauftraining und Rückenschule gehören dazu, in einem Wort: Prävention. Krankheitszeiten von Beschäftigen minimieren ist das Ziel. Darum bietet sie zum Beispiel Miele-Mitarbeitern eine Rückenschule an. Die Ansprüche sind hoch:

    Wir sind heute zusammengekommen und ich wollte mal horchen, ob jemand Beschwerden hat?

    Auch an kurativen Maßnahmen kommt die Gesundheitsmanagerin nicht vorbei. Darum wird es schnell praktisch:

    Dann holen wir uns mal die Matten, ziehen die Schuhe aus. So dann gehen wir mal in Rückenlage und ziehen erstmal die Beine an

    Martina Redemann bietet Kurse über zehn Wochen an. So lange hat sie jeweils Zeit, Angestellte und Arbeiter für deren Versäumnisse zu sensibilisieren. Gesundheitswissenschaftler nennen das die individuelle Verhaltensprävention. Ein zweiter Bereich ist die Prävention in den Arbeitsverhältnissen. Ergonomien, Raumklima und Arbeitszeiten werden analysiert sowie optimiert. Die 45-Jährige bewegt sich zwischen klassischen Berufsbildern wie Fitnesslehrerin und Betriebsarzt. Doch was ist das Neue?

    Neu ist, dass in diesem Bereich interdisziplinär gearbeitet wird, also mit verschiedenen Fachrichtungen, die aus dem gesamten Bereich der Prävention kommen. Ich arbeite mit Sportwissenschaftlern, Diplom-Psychologen, Ernährungswissenschaftlern und Ärzten zusammen.

    Gegenwärtig buchen überwiegend Betriebskrankenkassen wie Miele oder mittlere Betriebe die Gesundheitsmanager. Die sind damit ihrer Zeit voraus. Karsten Reichow von der BKK Miele:

    Es ist so, dass gerade der Bereich betriebliche Gesundheitsförderung verstärkt vom Gesetzgeber mit aufgegriffen wird und für Arbeitgeber ein Ansatzpunkt gegeben wird, mit gesetzlichen Krankenkassen zu kooperieren, um Möglichkeiten für den Arbeitnehmer zu schaffen, sich entsprechend zu betätigen.

    Einsparungen durch kürzere Krankheitszeiten sind das Ziel. Natürlich profitieren auch die Beschäftigten davon. Und die Gesundheitsmanager? Martina Redemann:

    Der Beruf in der Zukunft - der Beruf des Gesundheitsmanagers umfasst ja das gesamte Gesundheitswesen - dazu gehört Krankenhausmanagement, Praxis- Management - und ich denke, dass da Gesundheitsmanager eine ganz große Zukunftsperspektive haben. Ein Schritt in viele richtige Richtungen.

    Miele-Mitarbeiter Karin Kramer und Manfred Nehme haben derweil ihre Übungseinheiten beendet. Ihr Fazit:

    Kramer:
    Seitdem ich den Kurs mitmache geht es mir wirklich gut.

    Nehme:
    Ja bringt wirklich was. Man lebt zuhause auch ein bisschen bewusster, achtet auf gewisse Dinge wie Heben, Tragen. Ich sitze auch nicht mehr so viel. Durch die Kräftigung der Muskeln geht einem wirklich besser.