Freitag, 29. März 2024

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Rückgabe von Raub-Kunst
"Kolonialgeschichte lässt sich durch Restitutionen nicht entsorgen"

Alle Kunstwerke aus der Kolonialzeit sollen an ihre Herkunftsländer zurückgegeben werden, dieser Forderung eines französischen Experten-Berichts schließt sich die Historikerin Rebekka Habermas an. Im Dlf warb sie dafür, dies auch dazu zu nutzen, um mit Afrika endlich auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen.

Rebekka Habermas im Gespräch mit Anja Reinhardt | 25.11.2018
    Die Plastik "Sänftenträger mit Pfeife rauchendem Europäer im Tragebett" wurde 2017 in der Sonderausstellung "Der blinde Fleck. Bremen und die Kunst in der Kolonialzeit" in der Kunsthalle Bremen gezeigt. Damit untersuchte erstmals ein deutsches Kunstmuseum seine Geschichte auf die Spuren der Kolonialzeit und die Verflechtungen von Handelsgeschichte, Mäzenatentum und Sammlungsgeschichte.
    Beutekunst aus Afrika: "Sänftenträger mit Pfeife rauchendem Europäer im Tragebett" (dpa/Ingo Wagner)
    Auslöser der Diskussion ist ein Report, den der französische Präsident Emmanuel Macron in Auftrag gegebenen hat. Darin kommen die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der senegalesische Wirtschaftswissenschaftler Felwine Sarr zu dem Schluss, dass praktisch alle aus der Kolonialzeit stammenden Kunstwerke in Frankreich an die Herkunftsländer zurückgegeben werden sollten. Als Reaktion forderte der Deutsche Kulturrat, Dachorganisation von mehr als 250 Bundeskulturverbänden, ein "neues Denken" auch in Deutschland und will sich im kommenden Jahr dazu positionieren.
    Viele Objekte sind Herkunftsländern nicht bekannt
    Die Historikerin Rebekka Habermas sagte im Deutschlandfunk, grundsätzlich unterstütze sie das Anliegen des französischen Berichts. Die Objekte seien aus unrechtmäßigen Zusammenhängen nach Europa gekommen und es gebe einen moralischen Anspruch auf Rückgabe. Sie sehe jedoch Probleme bei der konkreten Umsetzung, gerade auch wegen der Masse an Kolonial-Objekten, die in den Magazinen deutscher Museen lagerten, laut Habermas schätzungsweise zwei Millionen.
    Viele dieser Objekte seien den Herkunftsländern gar nicht bekannt und würden deshalb auch nicht zurückgefordert werden. Habermas fordert daher einen pragmatische Umsetzung: "Ich denke, es muss darum gehen, dass die Herkunftsländer, die Ansprüche formulieren, dass man diesen Ansprüchen sehr zügig entgegenkommt", sagte Habermas. "Aber es kann überhaupt nicht geleistet werden, dass die Museen nun ihrerseits anfangen, zu sagen, also hier haben wir noch die tausend Speere aus deutsch Ost-Afrika." Das könne nicht funktionieren.
    "Paternalistischen Blick" auf die afrikanischen Staaten korrigieren
    Vor diesem Hintergrund sei es auch "vollkommen irreführend und übertrieben" zu glauben, dass sich durch die Restitution von Kunstwerken die Museen in Deutschland "leeren" könnten. Habermas plädierte dagegen dafür, die angestoßene Diskussion als Chance zu begreifen, um sich mit den vorhandenen Sammlungen auseinanderzusetzen: "Um ins Gespräch zu kommen, weil diese Objekte ja Geschichten erzählen und damit die deutsche Kolonialgeschichte als eine Geschichte, die uns bis heute mit diesen Ländern verbindet, noch mal stärker ins Bewusstsein zu rücken."
    Dies würde eine Möglichkeit eröffnen, mit den jetzigen Nachfolgestaaten der Kolonien auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen und den oft noch "paternalistischen Blick" auf die afrikanischen Staaten zu korrigieren. Die Kolonialgeschichte, über die durch Restitutions-Debatte noch mal neu diskutiert würde, "lässt sich nicht dadurch entsorgen, dass man die Objekte zurückgibt", machte Habermas deutlich. Möglicherweise müsse auch die Ausstellung im Berliner Humboldt Forum neu konzipiert werden, merkte die Historikerin an. In dem geplanten neuen Kulturzentrum stammt ein Großteil der Objekte aus der Kolonialzeit.
    Einzigartigkeit europäische Kunst hinterfragen
    Als weiteren Aspekt, der durch die Diskussion über die Rückgabe von Kolonialkunst stärker in den Fokus rücken könnte, sieht Habermas den Einfluss afrikanischer Kultur auf die europäische Kunst. Dazu habe es bislang nur punktuelle Ausstellungen gegeben, in denen jedoch beispielsweise deutlich geworden sei, "dass das vorauf wir zurecht besonders stolz sind, wie etwa die Formensprache der modernen Malerei, nur hat entstehen können, in Auseinandersetzung mit diesen Objekten aus dem außereuropäischen Bereich."
    Dabei gäbe es sicherlich viel zu entdecken. Diese Geschichte würde aber möglicherweise nicht so gerne erzählt, weil sie die Einzigartigkeit Europas ein bisschen infrage stelle. "Weil nämlich deutlich wird, wenn man diesen Geschichten nachgeht, wie vernetzt unsere Geschichte mit Afrika, mit Ozeanien und Asien war und wie viel Europäern diesen Begegnungen verdanken."