Freitag, 29. März 2024

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Rückkehr der Zuschauer
20 Prozent sind in vielen Sportarten nicht genug

Stadien und Hallen dürfen nach dem Beschluss der Länder wieder zu 20 Prozent ausgelastet werden. Während der Fußball damit gut leben kann, sieht das in anderen Sportarten anders aus. Vielen Vereinen droht ohne volle Hallen mittelfristig die Puste auszugehen.

Von Jessica Sturmberg | 20.09.2020
Handball Berlin 12.09.2020 Testspiel Vorbereitungsspiel 1. Bundesliga / HBL Füchse Berlin - THW Kiel Max Schmeling Halle begrenzte Zuschauerzahl wegen Covid-19 Corona *** Handball Berlin 12 09 2020 Test match Preparation game 1 Bundesliga HBL Füchse Berlin THW Kiel Max Schmeling Halle limited number of spectators because of Covid 19 Corona
Testspiel der Füchse Berlin vor Zuschauern gegen den THW Kiel (imago images / Camera 4)
Es ist ein noch ungewohntes Bild – ein Bruchteil von Zuschauern ist wieder da. Die Fans verteilen sich großzügig in den großen Stadien und bieten eine lang vermisste, wenn auch ausgedünnte Kulisse.
Wegen der hohen Fernsehverträge sind Zuschauereinnahmen nicht der entscheidende finanzielle Faktor im Profifußball. Borussia Dortmund, ligaweit mit dem größten Stadion nimmt pro Jahr mehr als 40 Millionen Euro durch den Spielbetrieb ein, rund zehn Prozent des Gesamtumsatzes.
Zur Beurteilung, wie groß die ökonomische Bedeutung der Zuschauer ist, sind aber auch indirekte Effekte wichtig, etwa der Wert eines Sponsorings, sagt Stefan Ludwig, Fußballexperte der Wirtschaftsberatungsgesellschaft deloitte, die jedes Jahr einen Fußballfinanzreport herausgibt: "Ein ganz wesentlicher Aspekt sind die Fernsehübertragungen, die natürlich eine ganz andere Atmosphäre für den Zuschauer zu Hause mit sich bringen, wenn Zuschauer im Stadion sind. Natürlich möchte auch der Sponsor, möchte auch das Unternehmen in einem emotionalen Umfeld sich präsentieren, auch das würde dauerhaft wahrscheinlich in Frage gestellt werden. Aber zunächst einmal gibt es hier bestehende Verträge."
Logen als wichtige Umsatztreiber
Die dadurch nicht in Frage stehen, sondern vielmehr Anschluss- oder Neuverträge. Und noch ein Bereich kann durch die Wiederzulassung von Zuschauern wieder bedient werden: "Der Hospitality-Bereich, Business-Seats und Logen ist tatsächlich ein wesentlicher Umsatztreiber an den Spieltagen auch, weil sie eben höherpreisig sind, weil sie in der Regel auch gekoppelt sind mit werblichen Leistungen. Damit wird das Paket dann noch größer, sowohl auf der Erlösseite für den Club als auch für die Unternehmensseite, der sich dort engagiert."
Allerdings bleibt es erst einmal ein unsicherer Posten. Bei zu hohen Infektionszahlen, wie an diesem Wochenende in München und Köln, sind Zuschauer wieder außen vor. Und noch ist auch nicht klar, wie es nach der Testphase Ende Oktober weitergeht. Bliebe es die ganze Saison bei im Schnitt 20 Prozent Zuschauerauslastung, hieße das: "Was wir aus unseren Erfahrungen wissen, ist, dass 20 Prozent eine Größenordnung ist, die es erlaubt break-even einen Spieltag durchzuführen."
Die indirekten Effekte außen vorgelassen, wären also gerade die Kosten des Spielbetriebs gedeckt. Davon sind andere Sportarten weit entfernt. Handball-Branchenprimus THW Kiel erzielt mehr als ein Drittel seiner Erlöse durch Zuschauereinnahmen. Von den 13 Millionen Euro im Gesamtetat in der vorvergangenen Saison, machen die Fernseherlöse gerade einmal 200.000 Euro aus. Wenn jetzt beim ersten Heimspiel seit Saisonabbruch im März am kommenden Donnerstag gegen HBC Nantes in der Champions League wieder 1.900 Zuschauer in die Halle dürfen, mildert es wohl derzeit nur die Verluste. Bei anderen Handballvereinen, die nicht eine so breite Sponsorenbasis wie die Kieler haben, dürfte die Lage noch angespannter sein, Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann sagte diese Woche: "Die durchschnittliche Hallenauslastung in einer normalen Saison beträgt in der Handball-Bundesliga rund 85 bis 90 Prozent. Davon sind wir jetzt noch weit entfernt. Diese Zahlen werden wir auf Dauer brauchen, um wieder unser normales Geschäft durchführen zu können."
Lage in Volleyball-Bundesliga angespannt
Noch deutlich angespannter ist die Lage beispielsweise in der Volleyball-Bundesliga, in der Heitec Volley Eltmann nach dem Saisonabbruch die Puste ausging. Daneben haben zwei weitere Vereine keine Lizenz mehr für die erste Liga beantragt.
Die SVG Lüneburg ist bis zur geplanten Fertigstellung ihrer neuen Arena im kommenden Jahr noch auf eine kleine Halle angewiesen und darf jetzt nur 190 Zuschauer hineinlassen. Aber auch die helfen schon viel, sagt Vorstandsvorsitzender Andreas Bahlburg: "Geisterspiele wären tödlich, weil wir, auch wenn es jetzt nur 20 Prozent sind, die wir einnehmen, mit unserem Etat abhängig sind auch von den Zuschauereinnahmen, die bei uns zwischen 15 und 20 Prozent ausmachen"
Der Großteil des Etats von gut einer halben Million Euro kommt durch hauptsächlich regionale Sponsoren, die wiederum eine Sichtbarkeit bräuchten, so Bahlburg, der auch Vorstandssprecher der Volleyball-Bundesliga ist. Diese Sichtbarkeit könne auch ein Livestream mit einer Kamera nur sehr begrenzt ersetzen. Da alle Bundesligisten in einer ähnlichen Lage sind, geht er davon aus, dass wohl auch alle auf das 200-Millionen-Hilfsprogramm des Bundes für den Profisport angewiesen sein werden. Die Beantragung der Hilfsgelder, deren erste Antragsfrist in diesem Monat läuft, ist aber durchaus kompliziert. "Auf 24 Seiten hat das Bundesverwaltungsamt die Richtlinien verfasst, die sehr umfänglich sind und mit vielen Hindernissen und Voraussetzungen."
Mehr als 100 Profisportvereine registriert
Bisher haben sich für das gerade erst angelaufene Programm laut Bundesverwaltungsamt mehr als 100 Profisportvereine registrieren lassen. Das wird voraussichtlich noch stark ansteigen. Die SVG Lüneburg hat den Etat für die jetzt beginnende Spielzeit bereits an allen möglichen Stellen gekürzt.
"Bei den Reisekosten, dass man teilweise nicht, wie es sonst üblich ist, einen Tag vorher mit der Mannschaft anreist, sondern an dem Spieltag vormittags statt mit Reisebussen oder Flugzeug dann mit Kleinbussen, bei der einen oder anderen Spielerauswahl."
Etwa 20 bis 30 Prozent seien alle Etats in der Volleyball-Bundesliga nach unten angepasst, wie in vielen anderen Sportarten auch und trotzdem ist nicht klar, ob es alle am Ende schaffen werden, durchzuhalten.