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Rückkehr des Amateurfußballs in Berlin
Ende der gefühlten Ungleichbehandlung

Wie in den meisten Bundesländern ist auch in Berlin Kontaktsport wieder erlaubt - zur Freude der Amateurfußballvereine. Der Einstieg in den Spielbetrieb ist absehbar. Die Vereine hatten mit Hygienekonzepten und sonstiger Organisation viel zu tun – und fühlten sich dabei nicht immer fair behandelt.

Von Mathias von Lieben | 25.07.2020
Amateurfußball in Hamburg während der Corona-Pandemie.
Der DFB hat unter dem Namen "Zurück ins Spiel" ein Muster-Hygienekonzept für Amateurvereine veröffentlicht. (www.imago-images.de)
Beim Berliner Fußball-Sechstligisten FC Stern Marienfelde steht beim Training am Mittwochabend das Aufwärmprogramm an. Und seitdem die Berliner Senatsverwaltung vor rund zwei Wochen Kontakt- und Mannschaftssport wieder ohne Einschränkungen erlaubt hat, geht es jetzt auch wieder mit vollem Körpereinsatz zur Sache.
"Das ist für einen Trainer ein ganz wunderbares Gefühl", freut sich Trainer Tim Fiedler: "Immer drauf zu achten, dass jede Übung kontaktfrei stattfindet, ist eine große Hürde gewesen. Es gibt ja auch keine Beispiele dafür. Aber wenn’s dann losgeht und in die Umsetzung geht und den Jungs immer zu sagen, Moment, bisschen weniger, lass mal, Ball mit Abstand, keine Einwürfe, Spielformen sowieso nicht, nur Zonenspiele. Sehr umständlich war das. Jetzt kannst du auch einfach mal den Ball hochwerfen und sagen: So Jungs, Abschuss, Spiel, gebt Feuer, macht Mal."
Erste Spiele können stattfinden
30 Spieler plus Trainer dürfen sich jetzt wieder gleichzeitig auf dem Spielfeld aufhalten – alle eingetragen in Teilnehmerlisten. Auf dem Vereinsgelände müssen jedoch weiterhin Hygienevorschriften wie Maskenpflicht oder Zugangsbeschränkungen zur Umkleidekabine und sanitären Einrichtungen eingehalten werden. Anfang dieser Woche hat die Berliner Senatsverwaltung außerdem grünes Licht für den Wettkampfspielbetrieb gegeben. Schon an diesem Wochenende können wieder erste Testspiele ohne Zuschauer stattfinden, ab dem 21. August soll dann der offizielle Spielbetrieb in den Amateurligen losgehen – dann sogar mit einer begrenzten Zahl an Zuschauern und strengem Hygienekonzept. Mittelfeldspieler Lukas Goerigk spricht für seine Mitspieler beim FC Stern Marienfelde, wenn er sagt: "Wieder Training, Vollgas. Wir freuen uns, wieder in den Wettkampf einzusteigen."
Druck aus dem Amateurfußball war gestiegen
Der Druck aus dem Amateurfußball auf den Berliner Senat war zuletzt größer geworden: Kurz vor den nun beschlossenen Lockerungen protestierten rund 250 Vertreter aus Berliner Sportvereinen vor dem Roten Rathaus – auch mit Blick auf das benachbarte Brandenburg, wo Training und Testspiele schon seit Anfang Juli wieder möglich sind. Einige Berliner Mannschaften hatten einfach dort ihre Testspiele ausgetragen.
Zu früh lockern wollte zwar auch Trainer Tim Fiedler nicht. Dennoch hat er seinen Verein und den Amateursport während der Pandemie nicht immer gut aufgehoben gefühlt: "Der Fachverband selber, also der Berliner Fußball-Verband und der DFB, da wären ein paar Dinge besser möglich gewesen auch in der Kommunikation mit den Vereinen. Ich hatte teilweise den Eindruck, dass ein paar Alleingänge dabei waren oder Closed-Shop-Entscheidungen."
Eine Entscheidung konnte er zum Beispiel nicht nachvollziehen: Die Berliner Regionalliga-Mannschaften und Jugend-Bundesligateams duften mit Ausnahmegenehmigungen schon Anfang Juli wieder in das Training ohne Auflagen einsteigen. Genauso wie der Sechstligist Berliner SC, der wie drei Regionalligisten noch im Halbfinale des Landespokals steht. Die Senatsverwaltung hatte Fußballer aus all diesen Bereichen zu Berufssportlern gemacht und sie damit privilegiert - während der restliche Amateurbereich weiter außen vor blieb.
Empörter Brief wegen mutmaßlicher Ungleichbehandlung
Ein Vorgehen, das auch bei Gerd Thomas, dem langjährigen Vorsitzenden des Berliner Vereins FC Internationale, für Entrüstung gesorgt hatte. In seinem Verein musste weiter mit Einschränkungen trainiert werden, das hochklassigste Team des Vereins ist die erste Frauen-Mannschaft in der viertklassigen Berlin-Liga. Für Thomas: Eine Ungleichbehandlung, auf die er mit einem empörten, offenen Brief an Senat und Berliner Fußball-Verband antwortete: "Das ist nicht logisch, was da passiert ist. Diese Ungleichbehandlung ist ganz schlecht angekommen im Berliner Fußball. Wir finden es gut, dass jetzt wieder alle gleichberechtigt sind. Es war ja so, dass einige Mannschaften mit Kontakt trainieren durften, 99 Prozent durften das nicht. Jetzt dürfen das wieder alle, das ist ein Schritt in die richtige Richtung."
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Trotzdem: In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Vorfälle, die ihn wütend gemacht haben. Beispielsweise als der Präsident von Fußball-Bundesligist Union Berlin, Dirk Zingler, den Wunsch äußerte, zum Start der kommenden Bundesliga-Saison vor ausverkauftem Stadion zu spielen und sich Andreas Geisel, der Berliner Senator für Inneres und Sport von der SPD, umgehend offen dafür gezeigt habe: "Ich hätte erwartet, dass sich ein Sozialdemokrat solidarisch um die ganze Breite kümmert und nicht um den Lieblingsverein. Er muss sich fragen lassen, wie groß das Herz für Amateursport ist. Wir hätten uns ein klares Zeichen gewünscht: Wir kämpfen für eure Interessen."
Berliner Fußball-Verband wehrt sich gegen Vorwürfe
Zu wenig Einsatz für die Interessen des Amateursports während der Pandemie beklagt Thomas auch von Seiten des Berliner Fußball-Verbands, dem er schlechte Kommunikationspolitik vorwirft. Verbandspräsident Bernd Schultz kann die Kritik an seiner Person nicht nachvollziehen – und schon gar nicht die Form der Kritik als offener Brief:
"Wir machen viele Dinge nicht über die Öffentlichkeit – insbesondere, wenn wir mit Senatsdienststellen verhandeln. Insofern kann von Abtauchen keine Rede sein. Die Arbeit des Verbandes war die wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir die Entscheidungen, wie wir sie jetzt haben, auch erreicht haben. Von daher gehen die Vorwürfe ein Stück weit ins Leere."
Musterhygienekonzept liegt vor
Die Vereine seien stets über alle Maßnahmen des Verbands informiert worden, sagt Schultz. Er sei nun zufrieden mit dem Ergebnis. Und man dürfe nicht vergessen: Die Pandemie sei noch nicht vorüber. Daher habe der DFB vor zwei Wochen unter dem Namen "Zurück ins Spiel" auch ein Muster-Hygienekonzept veröffentlicht, das den Amateurvereinen bei der Rückkehr in den Spielbetrieb helfen soll – darin unter anderem Empfehlungen für Maßnahmen bei positiven Testergebnissen.
In Berlin müssen die Vereine den entsprechenden Bezirksämtern darüber hinaus wahrscheinlich jedoch noch individuelle Hygienekonzepte vorlegen. Auf Vereinsverantwortliche wie Gerd Thomas, den Vorsitzenden vom FC Internationale, kommt daher weitere Arbeit zu: "Wir sind aber natürlich bereit die Dinge zu tun, die getan werden müssen, weil wir wollen ja nicht fahrlässig mit irgendwelchen Sachen umgehen. Wir müssen das abwarten. Und klar hoffen alle irgendwie, dass es so bald wie möglich eine Normalisierung gibt."