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Rückkehr des Wolfes
Wie viel Wildnis verträgt das Land?

Während sich Naturschützer über die Rückkehr des Wolfes freuen, sind Nutztierhalter verärgert. Ihre Schafe und Rinder sind auf den Weiden nicht mehr sicher. Die Politik ist gefordert: Umwelt- und Agrarminister von CDU und CSU setzen sich dafür ein, den Artenschutz für den Wolf zu lockern.

Von Alexandra Gerlach | 13.02.2017
    Drei Wölfe (Canis Lupus Lupus), aufgenommen am 18.01.2017 in einem Gehege des Biotopwildpark Anholter Schweiz in Isselburg (Nordrhein-Westfalen).
    Immer mehr Wölfe trauen sich in menschliche Siedlungen hinein. (dpa / picture-alliance / Bernd Thissen)
    "Hier vorne hängt ein Aushang: 'Haben Sie einen Wolf gesehen?' Hängt der hier immer?" - "Mit diesem Aushang geht es jetzt speziell um diesen Wolf, der in der Gemeinde Rietschen im Landkreis Görlitz seit November immer wieder an Grundstücken auftaucht. Also im November war er das erste Mal relativ intensiv so für zwei Wochen unterwegs gewesen, wo er auch wirklich am Tag, meistens vormittags auch gesehen worden war."
    Auch die Biologin, Helene Möslinger vom Lupus-Institut für Wolfsmonitoring und Forschung im sächsischen Rietschen, nahe Görlitz, hat ihn schon gesehen, den Problemwolf von Görlitz.
    Das Handout des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Verbraucherschutz Brandenburg vom Freitag (11.01.2008) zeigt einen Wolf beim Überqueren einer Wildbrücke im Licht eines Infrarotscheinwerfers. 
    Wölfe sind oft im Dunkeln unterwegs. (dpa / picture-alliance / Umweltministerium Brandenburg)
    "Ich selber bin ihm auch schon begegnet. Also dieses Grau-Braune, leicht schwarz Durchzogene, recht kräftig." - "Was macht man dann, wenn man so einen Wolf trifft?" - "In diesem speziellen Fall habe ich es so gemacht, dass ich ihn angeschrien habe, also ich habe ihn quasi verjagt, in diesem Fall ist auch weggelaufen."
    Wolf mit Vorliebe für Naschwerk
    "Pumpak" nennen ihn die bekennenden Wolfsfreunde im Internet. "Pumpak" ist polnisch und heißt "Schmerbauch" oder "der Fette". Der verhaltensauffällige Wolfsrüde ist nach Angaben der Forscher rund zwei Jahre alt und gehört zu einem Rudel aus dem benachbarten Westpolen. Von dort ist er eingewandert und in den letzten Monaten häufiger auf Komposthaufen und in den Dörfern nahe Rietschen gesehen worden. Seine Vorliebe gilt offensichtlich Nasch- und Backwaren.
    Polnische Wissenschaftler haben inzwischen ihre deutschen Kollegen informiert, dass der Wolf, als Welpe von Menschen gefüttert worden sei, dadurch habe er offenbar die natürliche Scheu vor ihnen verloren. Und genau das droht ihm nun zum Verhängnis zu werden: die fehlende Distanz des großen Raubtieres zum Menschen. Wolfsforscherin Helene Möslinger schildert das Problem:
    "In diesem Fall ist es natürlich so, dass er wiederholt, wie gesagt, direkt auf Grundstücke kommt, wo natürlich eine Begegnung eher wahrscheinlich ist, als wie wenn die Wölfe, wie sie es sonst machen, vielleicht mal an einem Ort vorbeilaufen oder vielleicht zum Teil schon auch mal durchlaufen in der dunklen Zeit, aber jetzt nicht wirklich sich längere Zeit auf einem Grundstück aufhalten, wie dieser Wolf auf einem Komposthaufen."
    "Pumpak" zum Abschuss freigegeben
    Da niemand absehen kann, wie der junge Wolfsrüde sich auf Dauer dem Menschen gegenüber verhält, und weil die Unruhe in der Bevölkerung und der Unmut über die Ausbreitung der Wölfe wächst, hat die Untere Naturschutzbehörde Görlitz am 19. Januar dieses Jahres den Problemwolf "Pumpak" zum Abschuss freigegeben.
    Ein Protestschild "Wolf Nein Danke" steht am 28.09.2016 auf einer Wiese an der Autobahn A27 bei Verden (Niedersachsen). 
    Der Unmut über die Rückkehr der Wölfe steigt. (dpa / picture-alliance / Julian Stratenschulte)
    Das ist einmalig in der Geschichte der Wiederansiedlung des Wolfes in Sachsen seit dem Jahr 2000. Denn der Wolf wird zwar im Jagdrecht geführt, steht aber ganzjährig unter Naturschutz und darf nicht bejagt werden. Wer es trotzdem tut, riskiert drastische Geld- oder sogar Haftstrafen und den lebenslangen Entzug des Jagdscheins. So ist es geregelt im Washingtoner Artenschutzabkommen und der Berner Konvention sowie auch in der FFH-Richtlinie der EU. Ob sich das ändern wird, hängt entscheidend davon ab, ob sein Bestand als stabil eingestuft wird oder nicht.
    Der Beschluss des Landratsamtes Görlitz, der zunächst für die Dauer von vier Wochen gilt, hat eine Woge der Empörung ausgelöst. Im Internet haben die Anhänger von "Pumpak" zehntausende Unterschriften für eine Petition an den sächsischen Umwelt- und Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt, CDU, gesammelt. "Wolf Pumpak muss weiterleben", so das Credo der Naturschützer.
    Das sei allerdings kein Argument, heißt es aus dem Dresdner Ministerium, das von Anfang an in schwierigen Entscheidungsprozess mit einbezogen war. Bevor die Genehmigung zur – wie es im Behörden-Deutsch so schön heißt: "Entnahme" eines Wolfes aus dem Bestand erteilt werden darf, sind seitens der Behörde eine genaue Begründung der Gefährdungslage sowie die Auswirkungen des Beschlusses auf die Wolfspopulation darzulegen.
    Minister Schmidt verteidigt "Entnahme"-Maßnahme
    Dementsprechend verteidigt Sachsens Umwelt- und Landwirtschaftsminister Schmidt eine solche "Entnahme"-Maßnahme, wenn Gefahr im Verzug ist:
    "Wir haben einen Management-Plan seit dem Jahr 2009, der sich wesentlich nicht verändert hat: Also wenn es solche atypischen Verhaltensweisen des Wolfes gibt, können wir die auch heute schon entnehmen, und das werden wir am Ende auch genehmigen."
    Die Entscheidung der Unteren Naturschutzbehörde Görlitz ist ein Novum für Sachsen. In Niedersachsen wurde im Juli 2016 der erste Wolf behördlich genehmigt geschossen. "Kurti" galt gleichfalls als Problemwolf, seine gezielte Tötung diente der Gefahrenabwehr für den Menschen, dennoch gab es rund 140 Strafanzeigen gegen die Entnahme des zweijährigen Rüden aus Munster im Heidekreis.
    Dies sind Einzelfälle, doch mit der zunehmenden Ausbreitung des Wolfes nimmt die Diskussion um seine Wiederansiedlung und das Miteinander mit dem Menschen an Schärfe zu. In den sogenannten Wolfs- und Wolfserwartungsland-Regionen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und in Niedersachsen kommen sich Wölfe und Nutztierhalter immer häufiger ins Gehege. Für die betroffenen Nutztierhalter, wie Peter Mundin aus Niedersachsen in einem Bericht des NDR-Fernsehens, ist die Begegnung mit dem Wolf bitter:
    "So und hier sind die Schafe, wo das Ganze auch passiert ist. Ja, ich habe die Schafe da drüben stehen sehen, wie normal, und habe in den Stall geguckt, und direkt hier vorne hat das gerissene Schaf drin gelegen. Ich habs so liegen lassen, also der Wolf muss hier im Stall gewesen sein.
    Ich fühle mich überhaupt nicht ernst genommen, leider, und das ist halt so ein Gefühl der Ohnmacht. Man kann mit zig Stellen, Behörden telefonieren, keiner ist so richtig zuständig. Immer wird nur beobachtet, und meines Erachtens muss tatsächlich da mal gehandelt werden."
    Verendete Schafe, Damwild und ein Galloway werden am 14.12.2016 in Hannover (Niedersachsen) nahe des Niedersächsischen Landtags von Tierhaltern abgelegt. 
    Protest gegen Wölfe vor dem Landtag Niedersachsen. (dpa / picture-alliance / Holger Hollemann)
    Forderung nach geregelten Abschussquoten
    Viehhalter und auch Jäger fordern immer häufiger geregelte Abschussquoten, um den Wolfsbestand zu regulieren und auch, um ihm wirksam Grenzen aufzuzeigen. In Niedersachsen eskalierte die Situation zuletzt im Dezember 2016, als entnervte Viehzüchter und ihre Unterstützer zu einer drastischen Maßnahme griffen, um auf die neue Konfliktlage aufmerksam zu machen. Mitten auf dem leuchtenden Weihnachtsmarkt von Hannover legten Schafs- und andere Züchter blutige, vom Wolf gerissene Kadaver ihrer wertvollen Zuchttiere ab und machten ihrem Unmut Luft:
    "Das muss jetzt einfach eine andere Marschrichtung kommen, denn sonst verlieren wir als Mutterkuhhalter den Spaß überhaupt an dieser Tierhaltung. Ich vermarkte direkt, und ich will auch diese natürlichste Form der Fleischerzeugung weitermachen, und das wird mir und meinen Mitstreitern total verleidet."
    'Eine andere Marschrichtung' will heißen: Wölfe sollen als Wildtiere ganz normal ins Jagdrecht aufgenommen und bejagt werden dürfen, um die Bestände zu regulieren. Diese Forderung hat nun auch Bundesagrarminister Christian Schmidt von der CSU aufgenommen und sich zu eigen gemacht - und sich für eine begrenzte Abschussfreigabe eingesetzt, unter Verweis darauf, dass der Wolf hierzulande keine natürlichen Feinde habe.
    In einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse" erklärte Schmidt, Zitat: "In einem dicht besiedelten Land wie bei uns müssen der Ausbreitung Grenzen gesetzt werden. Mir scheint" – so der Bundesagrarminister weiter – "wir sind an einem Punkt angekommen, an dem gehandelt werden muss." Zitatende.
    Geregelte Abschussfreigaben
    Statt wie bisher verstärkt die Tierhalter beim Herdenschutz zu unterstützen - mit Zuschüssen für höhere und Elektrozäune sowie für Herdenschutzhunde -, brauche es jetzt auch geregelte Abschussquoten, um das Konfliktpotenzial von Mensch und Wolf zu entschärfen, so die Forderung des CSU-Politikers, der die Interessen der bäuerlichen Nutztierhalter- und Züchter fest im Blick behalten muss.
    Doch Schmidts Vorstoß stieß auf schärfsten Widerstand bei Naturschützern ebenso wie im SPD-geführten Bundesumweltministerium. Ressortchefin Barbara Hendricks erklärte ebenso so prompt wie entschieden, dass es einer solchen Regelung nicht bedürfe, der Wolf sei streng geschützt, und wo er zum Problem werde, greife die jetzige Rechtslage mit ihren Sonderregelungen zur Entnahme von Problemwölfen.
    Bundesministerin für Bau- und Umwelt, Barbara Hendricks (SPD), gibt im Januar 2016 im Bundesumweltministerium in Berlin ein Statement zur Förderung bezahlbaren Wohnraums ab. 
    Ministerin Hendricks ist gegen eine beschränkte Abschussfreigabe. (dpa/picture alliance / Wolfgang Kumm)
    In einem Interview mit der "Ruhr Presse" betonte die Ministerin Zitat: "Eine wie auch immer beschränkte Abschussfreigabe ist gar nicht erforderlich." Zitatende. Eine Einschätzung, die auch Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel in einem Beitrag des Norddeutschen Rundfunks teilt:
    "Wir haben aber hier als Bundesrepublik Deutschland das Artenschutzabkommen unterschrieben, was den Wolf genauso schützt, wie die Giraffe oder den Elefanten oder den Löwen, und deswegen erwarten andere Länder von uns, dass wir uns an die Regeln auch halten, die wir auch von anderen erwarten."
    Wolfs-Population wird neu bewertet
    Immerhin: Als Folge dieses öffentlichen Schlagabtausches der Bundesministerien haben die Minister der Länder den Bund nunmehr gebeten, den Erhaltungszustand, sprich die aktuelle Population der deutschen Wölfe zu bewerten. Erst dann darf über eine Abschussquote entschieden werden. Nicht jedoch auf nationaler Ebene. Die letzte Entscheidung dazu falle allerdings in Brüssel, sagt Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt:
    "Es sind sehr, sehr dicke Bretter, die wir hier bohren müssen, aber auch durch ein dickes Brett ist man irgendwann durch. Es ist nur ganz, ganz schwierig, das auf Bundesebene und am Ende auch auf Europäischer Ebene herbei zu führen, aber wir werden mit Nachdruck da dranbleiben."
    In einer der nächsten Umweltminister-Konferenzen soll berichtet werden, wie stark der Wolfsbestand aktuell in Deutschland ist. Je nachdem, wie stabil die Bestände sind, kann danach auch aus naturschutzrechtlicher Sicht ernsthaft diskutiert werden, wie künftig die Wolfsbestände zu regulieren sein könnten.
    Nach Erkenntnissen des aktuellen Wolfs-Monitoring aus dem Jahr 2015/2016 gibt es derzeit in Deutschland 46 Rudel, 15 Paare und vier sesshafte Einzelwölfe. Nur selten – so erzählt Helene Möslinger vom Lupus-Institut in Sachsen - bekommen Menschen das große Raubtier zu Gesicht. Wölfe leben in selbst gewählten Territorien. Sie wandern nachts und können dabei große Strecken zurücklegen. Wolfsforscher folgen ihnen, aber die Spurensuche sei nicht ganz einfach, sagt Helene Möslinger:
    "Es ist schwierig oft, zwischen Wolf und Hund zu unterscheiden. Man kann häufig den Wolf ausschließen, aber den Hund auszuschließen ist durchaus schwieriger. Und das ist ebenso ein markantes Merkmal vom Wolf, dass er eben, wenn er unterwegs ist, meistens im "geschnürten Trab", das heißt einfach, er trabt und setzt dabei die Hinterpfoten in den Abdruck der Vorderpfote. Das gibt dann so Doppelabdrücke, also so ein Mischabdruck zwischen Vorder- und Hinterpfote, und Schnüren einfach daher, weil durch diese Bewegung die Abfolge der Abdrücke sehr geradlinig wirkt und auch ist."
    Ängste in der Bevölkerung nehmen zu
    Unterdessen wird die Lage für die verantwortlichen Kommunalpolitiker in den Wolfsgebieten zunehmend ungemütlich. Denn die Ängste in der Bevölkerung nehmen zu:
    "Also der Wolf ist spätestens seit den Gebrüdern Grimm natürlich negativ besetzt. Es schwingt immer eine gewisse Angst mit, die emotional begründet und weniger faktisch begründet ist!"
    Der Landrat des sächsischen Landkreises Bautzen, Michael Harig (CDU), im Jahr 2012.
    Landrat Michael Harig (CDU) befürwortet eine Abschussregelung für Wölfe (dpa / picture-alliance / Arno Burgi)
    Michael Harig ist Landrat im Kreis Bautzen, einem Landkreis in Sachsen, der so groß ist wie das Saarland und mit 130 Einwohnern pro Quadratkilometer vergleichsweise eng besiedelt. Viele Hobby-Tierzüchter in seinem Landkreis geben auf, und jede Woche sprechen Bürger bei ihm vor, "die mir heute sagen, sie gehen nicht mehr ohne Bedenken in den Wald, die mir sagen, dass sie auch Sorgen haben, wenn sie ihre Kinder früh an die Bushaltestelle stellen.
    Deshalb geht es mir nicht darum, den Wolf als solchen zu verhindern, sondern es geht darum, Artenschutz zu betreiben, aber gleichzeitig auch die Interessen des ländlichen Raumes zu sehen, und dazu gehört auch eine vernünftige Regulierung, und dazu gehört auch eine Abschussregelung für Tiere, die verhaltensauffällig sind."
    CDU-Mann Harig hält den Vorstoß von Bundesagrarminister Christian Schmidt für eine begrenzte Abschussregelung für richtig, denn er kennt die Sorgen auf dem Lande, wenn es um das Thema Wolf geht.
    "Ich habe mich aber davor schon kritisch zum Wolf geäußert. Nicht weil mir es gegen den Wolf geht, sondern weil es um den ländlichen Raum geht. Denn wir haben eine ganze Menge Tierhalter, gerade von kleinen Beständen, zwei Tiere, fünf Tiere, zehn Tiere, die einfach sagen, das halten wir nicht mehr aus, auch nervlich nicht mehr aus, und wir geben unser Tierhalten dran. Und das führt dazu, dass wir einen großen Verlust an Tradition im ländlichen Raum erleben werden, und dass wir auch eine Möglichkeit verspielen, nämlich die innerörtlichen Flächen ökologisch zu bewirtschaften."
    Nutztierzüchter beklagen große Schäden
    Was die Rückkehr des Wolfes für einen Nutztierzüchter bedeuten kann, hat der Schafzüchter im Nebenerwerb, Martin Just aus Cunnewitz in der Lausitz, in den vergangenen zwei Jahren erlebt. Er unterhält zwei Herden, mit insgesamt 150 hochwertigen Mutterschafen. Gleich mehrfach fielen Wölfe bei ihm ein. Insgesamt 60 Schafe hat er eingebüßt. Der Freistaat zahlt zwar Entschädigung für jedes tote Nutztier, doch den weitaus höheren Schaden im Zuchtbestand kann er damit nicht ersetzen.
    Ein vom Wolf gerissenes und getötetes Schaf liegt auf einer Wiese.
    Ein vom Wolf gerissenes und getötetes Schaf, fotografiert von seinem Schäfer, Martin Just. (Martin Just)
    "Die Wölfe haben so eine Entwicklungsgeschichte bei uns gehabt. Also die haben irgendwann mal gelernt, Schafe zu reißen, und gemerkt, dass Schafe leichte Beute sind, daraufhin haben die sich dann spezialisiert und natürlich auch angepasst. 2015 sind sie über einen Elektrozaun rüber, welcher von drei Seiten zusätzlich mit Flatterband gesichert war. Und um die 20 Tiere sind getötet worden, tragende Tiere. Und im letzten Jahr sind die Wölfe, oder der Wolf, dann erstmalig in die Festzäune eingedrungen."
    Seitdem gilt das sogenannte Rosenthaler Wolfsrudel als Problemrudel, da es sich durch die bislang als sicher geltenden Abwehrmechanismen wie Elektrozaun und Flatterband nicht abschrecken lässt. Hier müsse der Staat helfen, fordert der Hobby-Schafzüchter Michael Harig als gewählter Bautzener Landrat. Er habe sich umfangreich belesen zu diesem Thema, sagt der CDU-Politiker:
    "Also ich habe mich mit sehr viel Literatur gerade aus Skandinavien beschäftigt. Und ich bin überzeugt davon, dass wir grundlegend eine Quote brauchen, denn die Ausbreitung erfolgt dynamisch, und irgendwann werden wir dem Problem nicht mehr Herr, das ist die große Gefahr im Allgemeinen. Im Besonderen glaube ich aber, dass begonnen werden muss, dort einzugreifen, wo der Wolf nachweislich Schäden macht und wo der Wolf nachweislich diese geförderten Schutzmaßnahmen ignoriert bzw. wo die nicht mehr helfen."
    Wolfsmanager André Klingenberger (r) hängt gemeinsam mit Schafshalter Martin Domaschke Flatterband als Schutzmaßnahme gegen Wölfe in Rosenthal (Sachsen) auf.
    Ein Elektrozaun mit Flatterband soll vor Wölfen schützen. (dpa / picture-alliance / Miriam Schönbach)
    Zuschüsse für spezielle Zäune und Hütehunde
    Derartige Schutz-Maßnahmen, das sind etwa spezielle Weide- und Elektrozäune sowie Hütehund-Programme, werden derzeit nicht nur vom Freistaat Sachsen hoch bezuschusst - 80 und bisweilen gar 100 Prozent bei den professionellen Zuchtbeständen. Nicht erstattet wird der Mehraufwand an Arbeit für die zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen. Dieser sei enorm, sagt Schäfer Martin Just, der seine Weiden immer wieder umstecken muss, um eine Überweidung zu vermeiden.
    "Und jeder, der Schafe hält, überlegt an der Stelle natürlich, wie es weitergehen soll."
    Zuletzt hat die Untere Naturschutzbehörde Bautzen ein Einschreiten gegen die Cunnewitzer Problemwölfe abgelehnt. Unter Verweis darauf, dass Just nicht zu 100 Prozent die nötigen Sicherheitsvorkehrungen ergriffen haben soll. Die Rede ist davon, dass nicht genügend Flatterband an den Weidezaun gebunden war. Schäfer Just ist verärgert:
    "Die Bezugsfremden, die von der Sache her das gar nicht werten können, was Landwirtschaft eigentlich ist, also sprich, was wir uns eigentlich vorstellen, raus aus den Ställen, Weidehaltung, dass man das systematisch bei uns in der Gegend kaputt macht, oder kaputt gemacht hat schon."
    Wütend sind auch viele Jäger in der Region. Die Wildbestände im Wolfsland sind weniger geworden und das Wild verhält sich auffälliger. Die Debatte um den Wolf bietet zunehmend politischen Sprengstoff und Wahlkampfmunition. "Wenn die Landesregierung nicht reagiert, wählen wir im Herbst geschlossen die AfD", wird ein Waidmann aus Kodersdorf bei Görlitz in einer Reportage des MDR über die Stimmung an der Neisse zitiert. Schon 2009 hatten rings um Hoyerswerda die Jägerschaft und Bürgerinitiativen vergeblich ihr Unbehagen gegen die Wiederansiedlung des Wolfes in einer Kulturlandschaft kundgetan und mobil gemacht. Der Bautzener Landrat nimmt diese Entwicklung ernst:
    "Ja, das nehme ich sehr ernst. Ich bin CDU, da will ich auch gar keinen Hehl daraus machen, und die CDU wurde im ländlichen Raum gewählt. Und wenn die Menschen sich von denen nicht mehr verstanden fühlen, die Verantwortung tragen, dann führt das zu solchen Reaktionen. Ich bin überzeugt, dass die AfD nichts bewirken wird, und ich bin überzeugt, dass unser Landwirtschaftsminister, Herr Schmidt den richtigen Weg geht, ich bin nur in der Sorge, dass dieser Weg sehr lange dauern wird, und dass wir auf dieser Zeitspanne noch mehr Tierhalter verlieren werden."
    Ein Wolf läuft durch ein Gehege in einem Wildpark
    Die Rückkehr der Wölfe wird zunehmend zum Politikum. (picture alliance / Lino Mirgeler)
    Es fehlt an Erfahrungen mit dem Wolf
    Der Schäfer Martin Just aus Cunnewitz in der Lausitz denkt noch nicht ans Aufgeben, dennoch muss auch er mit dem spitzen Bleistift rechnen, um seinen Betrieb rentabel zu führen. Der Aufbau einer guten Zucht braucht Zeit und Beständigkeit:
    "Man macht sich natürlich seine Gedanken. Es muss ja irgendwie weitergehen."
    Die Rückkehr des Wolfes in deutsche Wälder ist und bleibt bis auf Weiteres eine Herausforderung. Der Wolf sei wieder da und werde auch nicht wieder verschwinden, sagt Wolfsforscherin Helene Möslinger. Es fehle einfach an Erfahrungen im Umgang mit dem Wolf.
    "Im Prinzip ist es ja nur die Frage, ob wir Menschen damit umgehen können."