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Rückkehr von Flüchtlingen
"Wir waren immer nur die Scheiß-Afghanen"

Der afghanische Asylsuchende Khodaye ist auf eigene Kosten wieder zurück nach Afghanistan gegangen. Kathastrophale Zustände in der Berliner Notunterkunft Lageso, Übergriffe durch das Wachpersonal und Erniedrigungsgefühle bewegten ihn zu diesem Schritt. In seiner Heimat will der Polizist nun nur noch seinem Land dienen.

Von Sandra Petersmann | 12.04.2016
    Der afghanische Asylsuchende Khodaye ist aus Frust zurück in seine Heimat Afghanistan gekehrt.
    Der afghanische Asylsuchende Khodaye fühlte sich in Deutschland erniedrigt und kehrte in seine Heimat zurück. (Sandra Petersmann)
    Das Gespräch findet im Rohbau eines Geschäftshauses statt, in dem jedes Wort hallt.
    "Das ist sicherer als hier draußen auf der Straße", sagt Khodaye bestimmt. Er kennt sich in Kabul nicht so gut aus. Der durchtrainierte junge Mann trägt eine nagelneue Uniform der paramilitärischen Spezialeinheit der afghanischen Polizei. Aus seiner Hosentasche kramt er die Monatskarte Februar der S-Bahn Berlin.
    "Ich habe Taliban getötet. Die kennen mich, mein Leben war in akuter Gefahr", erzählt Khodaye. Er kämpfte im vergangenen Sommer wochenlang in seiner Heimatprovinz Baghlan im Norden Afghanistans. Im ehemaligen Einsatzgebiet der Bundeswehr. Auch im benachbarten Kundus gab es damals schwere Gefechte. Als die gleichnamige Provinzhauptstadt Kundus wenig später vorübergehend in die Hände der Taliban fiel, war Khodaye schon längst auf dem Weg nach Deutschland.
    38 Tage auf der Flucht nach Deutschland
    "Ich bereue meine Flucht", sagt Khodaye rückblickend. Der 24-Jährige floh über Kabul und die pakistanische Provinz Belutschistan in den Iran.
    Als die Schmuggler ihn über die iranisch-türkische Grenze schleusten, fielen Schüsse. Khodaye schaffte es, andere nicht. Über Griechenland und die Balkan-Route führte sein Weg nach Berlin. Anfang Oktober 2015 kam er am Lageso, am Landesamt für Gesundheit und Soziales, an. Nach 38 Tagen auf der Flucht.
    "Ich schlief am Lageso fast drei Wochen lang auf der Straße, bis ich endlich registriert war", berichtet Khodaye. Er zeigt schockierende Bilder, die er noch immer auf seinem Smartphone gespeichert hat. Fotos von geschwollen, zusammengeschlagenen Gesichtern. Es gab im vergangenen Herbst am Lageso immer wieder Schlägereien zwischen Asylsuchenden und privaten Sicherheitskräften.
    "Wir waren immer nur die Scheiß-Afghanen", erinnert sich Khodaye. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte auf Deutsche gehofft wie die netten Polizeitrainer, die ihn 2011 viereinhalb Monate lang im Masar-i-Sharif ausgebildet hatten. Dort unterhält die Bundeswehr bis heute ein großes Feldlager.
    Erniedrigungsgefühl in Deutschland
    In einer Asylbewerberunterkunft in der Bitterfelder Straße lebte er dann ab Ende Oktober mit vielen Syrern und Irakern zusammen. Khodaye hatte das Gefühl, dass vor allem die Syrer besser behandelt wurden als er. Es gab oft Streit. Die empfundene Erniedrigung schürte seinen Nationalstolz.
    "Ich dachte mir, dass es besser ist nach Afghanistan zurückzugehen, als jeden Tag in Deutschland gekränkt zu werden." Er lieh sich Geld und kaufte sich auf eigene Faust ein Ticket. Am 19. Januar 2016 landete seine Maschine in Kabul. Er meldete sich zurück bei seiner alten Polizei-Einheit, die ihn sofort zurücknahm. Jeder Mann zählt. Die Verluste der afghanischen Polizei sind hoch. Es gibt viele Desertierungen.
    "Mein Leben ist egal, ich will jetzt nur noch meinem Land dienen", sagt Khodaye. Als Polizist einer Spezialeinheit verdient er umgerechnet 170 Dollar im Monat. Es wird Jahre dauern, bis er die 6000 Dollar Schulden für die Schmuggler und für das Ticket von Deutschland nach Afghanistan zurückgezahlt hat.