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"Rückkehrertage" in Sachsens Randgebieten
Jobbörsen für Abgewanderte

In vielen Regionen Ostdeutschlands hat es seit der Wiedervereinigung massive Bevölkerungsverluste durch Abwanderung gegeben. Inzwischen versuchen viele Städte, die Abgewanderten zurückzugewinnen und ihnen Perspektiven in der Heimat aufzuzeigen. In Zittau in Sachsen wurde erstmalig ein "Rückkehrer-Tag" mit Jobbörse ausgerichtet.

Von Alexandra Gerlach | 30.12.2017
    Die Johanniskirche, der Marsbrunnen, Wohn- und Geschäftshäuser und das Rathaus auf dem Marktplatz von Zittau (Sachsen).
    Zittau - prachtvollle Häuser, aber auch viel Leerstand. (dpa / Jens Kalaene)
    Es ist der 27. Dezember, das Weihnachtsfest klingt nach und die Innenstadt von Zittau ist festlich geschmückt. Während der Chor in der Johanniskirche das Programm für den festlichen Konzertabend probt, herrscht draußen in der Fußgängerzone reger Betrieb. Viele sind von weither in die Heimat gereist, um Weihnachten im Kreise der Familie zu feiern. Das belebt nun auch die von prachtvollen Häusern gesäumte Innenstadt der einstigen Tuchmacher- und Handelsmetropole, die unübersehbar von hohem Leerstand geprägt ist.
    Nun wenige Meter entfernt liegt das Gerhard-Hauptmann-Theater. Dort sind an diesem Morgen die Eingangstüren weit geöffnet. Am Eingang steht Maik Altmann und begrüßt die Gäste. Er ist Projektleiter der Initiative "Stellenbörse Jobs Oberlausitz". Heute unterstützt er die beiden Organisatoren des Rückkehrer-Tages, die Stadt Zittau und die Nachbarstadt Ebersbach-Neugersdorf, die erstmalig eine solche Initiative zur Rückgewinnung ehemaliger Zittauer und Oberlausitzer gestartet haben:
    "Die Idee ist, dass man halt zwischen Weihnachten und Neujahr die Zeit nutzt, um auch die vielen Heimatbesucher, die da sind, hierher zu locken und möglicherweise auch mit ein paar Klischees aufzuräumen, dass es hier nichts gibt, und man sich selbst einen Überblick verschafft. "
    Gut 20 private und kommunale Unternehmen und Institutionen aus Produktion, Dienstleistung, Gesundheitswesen und Kultur haben im Theaterfoyer ihre Stände und Roll-Ups aufgebaut, Prospektmaterial und Visitenkarten ausgebreitet. Die Industrie- und Handelskammer bietet Informationen über rund 1.000 Unternehmen, die akut oder in den nächsten Jahren im Landkreis Görlitz einen Nachfolger für die Firmenführung suchen. An den Stehtischen finden rege Gespräche mit Interessenten statt. Das Gros der Besucher ist zwischen 25 und 40 Jahre alt, manche haben kleine Kinder an der Hand oder auf den Schultern.
    Der Job ist der Knackpunkt
    Ein junges Paar, Anfang Dreißig hat sich an dem Stand eines traditionsreichen Maschinenbauunternehmens in ein Gespräch vertieft. Der Geschäftsführer des 300-Mann Unternehmens, zeigt Interesse:
    "Schreiben Sie einfach mal eine Bewerbung."
    "Super, werde ich machen."
    "Super."
    Eine kleine Jobmesse wirbt Ende Dezember 2017 in Zittau um Rückkehrer in die Region.
    Eine kleine Jobmesse wirbt Ende Dezember 2017 in Zittau um Rückkehrer in die Region. (Deutschlandradio / Alexandra Gerlach)
    Der junge Mann strahlt seine Frau an, sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis des Gesprächs. Sie sind klassische Rückkehrwillige, die aktiv planen, von Freiburg im Breisgau in die Heimat zurückzuziehen:
    "Ja, das kann man schon so sagen. Ursprünglich kommen wir von Jonsdorf und jetzt sind wir halt in der Freiburger Ecke gelandet."
    Der Jonsdorfer hat Maschinenbau studiert und ist vor einem Jahrzehnt am westlichen Ende der Republik gelandet. Seit Kurzem hat er eine kleine Familie und nun reifen Überlegungen, den Lebensmittelpunkt doch wieder in die angestammte Heimat zu verlegen:
    "Also ganz wichtig ist erst mal, dass man einen Job hat, das ist hier in der Region halt immer so ein Knackpunkt, wir haben halt unsere Familie jetzt hier, der Freundeskreis ist zum Teil halt noch hier, und jetzt sind wir eine kleine Familie und da hat man so ein bisschen mehr Heimweh oder man hängt dann wieder ein bisschen mehr an der Heimat, wenn man dann sagt, na der Kleine kann dann mal zu Oma und Opa spielen gehen."
    Tausende junge Menschen wanderten ab
    Mangelnde berufliche Perspektiven haben in Zittau und der gesamten Oberlausitz zu einem erheblichen, nachhaltigen Aderlass in der jungen Bevölkerung geführt. In den ersten drei Jahren nach dem Mauerfall verließen rund 7.600 junge Leute ihre Heimatstadt Zittau, zwischen 2012 und 2014 waren es immerhin auch noch 4.500. Diese Menschen fehlen jetzt in der Region. Und es fehlt der Nachwuchs, denn durch die Abwanderung sank auch die Geburtenrate. Eine anhaltende Entwicklung, wenngleich inzwischen der Trend zur Abwanderung gestoppt und leicht gedreht werden konnte. Viele erinnern sich noch gut an jene Zeit, als sie sich zum Weggang entschieden. So wie dieser Mittdreißiger, ein Physiotherapeut, der seit neun Jahren wöchentlich von seiner Familie in Zittau 400 Kilometer zur Arbeit nach Österreich pendelt:
    "Die Situation war so, dass es eben doch für einen 40-Stunden-Job keine Chance war zu bekommen, sondern nur halbtags. Und als Familienvater mit zwei Kindern halbtags, im Sozialbereich, der eh sehr schlecht finanziell vergütet wird, war das keine Option und da war der Weg nach Österreich nicht zu weit."
    Anders als vor zehn Jahren ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt jetzt günstig, doch das Gehaltsniveau liegt häufig weit unter dem, was im Westen gezahlt wird. In manchen Berufen, so etwa auch bei den Physiotherapeuten sind es auf dem Gehaltszettel bis zu 20 Prozent weniger am Ende eines Monats.
    Die wöchentliche Pendelei ist eine Belastung für viele Familien, auch für die des jungen Physiotherapeuten. Die beiden gemeinsamen Kinder mit 14 und 8 Jahren vermissten den Vater sagt die Ehefrau, die als Verkäuferin arbeitet und sich einen Wandel dringend wünscht:
    "Ich bin in der Heimat, ich bin hier und er pendelt und die Familie leidet eben darunter, die Kinder wollen eben den Papa gerne hier haben."
    Die Rückkehrer-Jobmesse ist ein Anfang
    Der Besuch der kleinen Rückkehrer-Jobmesse ist ein Anfang, wenngleich die Ausbeute noch gering ist. Eine echte berufliche Perspektive sieht das Ehepaar nach den ersten Recherchen noch nicht:
    "Also ich würde sagen, in Deinem Bereich ist zu wenig."
    "In meinem Bereich ist jetzt speziell für mich wenig Angebot da, das ist aber nicht das Problem, aber letzten Endes, der Anfang ist gemacht."
    Und die Motivation ist klar. Der Wunsch, zurückzukehren zu den Wurzeln definiert die Richtung:
    "Heimat ist für mich, gemütlich mich auf mein Sofa zu setzen und die Seele baumeln zu lassen, und dann mit Freunden wieder etwas unternehmen, Geborgenheit, sich auskennen, ja, einfach ein paar ruhige Minuten zu haben, bevor Sonntagabend um 18 Uhr wieder der Startschuss für die nächste Woche losgeht."