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Rücktritt von Jim Yong Kim
Vöcking: Weltbank wie vom Blitz getroffen

Weltbank-Präsident Jim Yong Kim hat seinen Rücktritt angekündigt. Künftig will für eine Firma arbeiten, die in die Infrastruktur von Entwicklungsländern investiert. Problematisch sei, dass Kim unmittelbar in die gleiche Branche wechsle, kritisiert Knud Vöcking von der Umweltorganisation "urgewald" im Dlf.

Knud Vöcking im Gespräch mit Jule Reimer | 08.01.2019
    Weltbank-Präsident Jim Yong Kim beim G7-Gipfel der Finanzminister in Bari im Mai 2017.
    Seit 2012 an der Spitze der Weltbank: der in Südkorea geborene US-Bürger Jim Yong Kim (picture alliance / Andrew Medichini)
    Jule Reimer: Weltbank-Präsident Jim Yong Kim hat gestern überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Der US-Amerikaner gebe sein Amt nach mehr als sechs Jahren auf und werde sich einer Firma anschließen, die Investitionen in die Infrastruktur von Entwicklungsländern ausbauen wolle. Das teilte die Weltbank gestern Nachmittag mit. Seine vorläufige Nachfolge trete Geschäftsführerin Kristalina Georgieva an, eine frühere EU-Kommissarin. Der 59-jährige Kim stand seit 2012 an der Spitze der Weltbank.
    Knud Vöcking arbeitet für "urgewald", eine kleine deutsche Umweltorganisation, die die Aktivitäten der Weltbank seit vielen Jahren kritisch begleitet und ihre Meinung dazu auch immer wieder im deutschen Entwicklungsministerium, im BMZ sagen darf. Urgewald und Sie, Herr Vöcking, sagen, Sie sind empört über diesen Abschied und den Wechsel. Warum?
    Knud Vöcking: Schönen guten Tag, Frau Reimer. – Das ist relativ einfach. Wir finden es schlimm, dass jemand, der als Präsident der Weltbank dafür verantwortlich ist, dass Hunderte von Millionen in Infrastruktur-Investitionsfonds geht, nun genau ohne irgendeine Abkühlungsphase direkt in die gleiche Branche wechselt.
    Neuer Kandidat wird von Donald Trump nominiert
    Reimer: Allerdings hat ja Kim bei der Weltbank einen gewissen Ausstieg aus der Finanzierung von Projekten fossiler Energien eingeleitet. Vielleicht macht der Mann jetzt ganz viel Gutes in dieser Richtung.
    Vöcking: Das kann schon sein, dass er dann im Klimabereich demnächst tätig wird. Aber es ist allgemein so – das fordern wir auch im deutschen Bereich vielfältig -, dass es nicht angeht, dass zum Beispiel Minister einfach per Drehtür in die Wirtschaft wechseln, möglichst noch in die gleichen Bereiche, in denen sie vorher gearbeitet haben. Da gehört eine Abkühlungsphase hin und das muss auch im internationalen Bereich für die Weltbank gelten.
    Reimer: Die Frage ist, wie geht es jetzt weiter bei der Weltbank. Wer könnte den Posten übernehmen? Traditionell hatten bisher immer die US-Amerikaner das Vorrecht, den Weltbank-Präsidenten, die Präsidentin zu bestimmen. Die Europäer wiederum hatten den Zugriff auf den Internationalen Währungsfonds. Wer kommt nach?
    Vöcking: Das ist eine gute Frage. Es droht dann ja irgendjemand, der von Donald Trump nominiert wird. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das ohne größere Widerstände der Europäer und auch der Entwicklungsländer vonstattengeht, zumal Trump ja ein erklärter Skeptiker, um nicht zu sagen Gegner des Multilateralismus ist.
    Wer da nun nachfolgt, das ist noch eine offene Frage. Es hat nach unseren Informationen den Verwaltungsrat der Weltbank gestern wie ein Blitz getroffen, dass Kim zurückgetreten ist. Die Damen und Herren da tagen in Permanenz. Das ist das, was wir aus unseren Quellen aus der Weltbank hören. Da ist noch alles offen. Es kann aber gut sein, dass sich jetzt mehrere Kandidaturen dort darbieten und auch, wie das ja schon bei der Nominierung von Kim war, es dann auch aus Entwicklungsländern plötzlich Namen gibt, die dort kandidieren wollen.
    Weltbank fördert "indirekt" fossile Energien
    Reimer: Die eine Frage ist, ob die Regierung Trump die Weltbank weiter wichtig nimmt. Die zweite Frage ist, was passiert mit diesem Richtungswechsel, weniger Investitionen, weniger Finanzierung von Projekten in fossile Energien. Wie glaubwürdig ist da der Kurs der Weltbank bisher?
    Vöcking: Die Weltbank hat vor schon einigen Jahren gesagt, dass sie nicht mehr direkt in Kohle investiert, keine neuen Kohlekraftwerke macht. Das letzte Kraftwerk im Kosovo haben sie auch gerade aufgegeben. Gleichzeitig hat die Weltbank letztes Jahr angekündigt, dass sie auch die Förderung und die Exploration von Öl und Gas nicht weiter finanzieren. Das ist aber die direkte Projektfinanzierung.
    Nach unseren Recherchen ist die Weltbank weiterhin dabei, indirekt solche Vorhaben zu finanzieren – durch Programmkredite, die sie per Budget-Hilfe und andere Programme direkt den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen, oder über sogenannte Finanz-Intermediäre. Das sind große Banken oder auch Investitionsfonds, Private Equity Fonds, also genau der Geschäftsbereich, in den Herr Kim jetzt wechselt.
    "Kuhhandel" in den Hinterzimmern Washingtons
    Reimer: Können Sie sich vorstellen, dass die Europäer sich sammeln, auf die Hinterbeine stellen und sagen, wir wollen mitreden, diesmal kein US-Amerikaner an der Spitze der Weltbank?
    Vöcking: Vorstellbar ist das durchaus. Das hängt, glaube ich, davon ab, welche Kandidatur vonseiten der USA vorbereitet wird, und es hängt natürlich auch davon ab, wie dort in den Hinterzimmern in Washington jetzt der Kuhhandel abgeht. Es ist so, dass der Verwaltungsrat der Bank eigentlich nie richtig abstimmt, sondern da so lange diskutiert wird, bis irgendein Kompromiss gefunden wird, und da wird jetzt wahrscheinlich gerade heftig darüber diskutiert, was gibst Du mir, damit ich Dir dieses gebe, damit dieser oder jener Kandidat dann eine Mehrheit bekommt.
    Reimer: Zum überraschenden Rücktritt des Weltbank-Präsidenten Kim war das Knud Vöcking von der Organisation "urgewald". Vielen Dank.
    Vöcking: Bitte sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.