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Rückzug von der Börse

Verletzt der Rückzug eines Unternehmens von der Börse das Eigentumsrecht der Aktionäre? Über diese Frage entscheidet nun das Bundesverfassungsgericht. Der Streit um das sogenannte Delisting eines Börsenunternehmens offenbart die Notwendigkeit einer Reform des Aktienrechts.

Von Stefan Wolff | 10.07.2012
    Aktionäre sind dumm und frech. Dumm, weil sie Aktien kaufen, und frech, weil sie dann noch Dividende haben wollen.

    Der deutsche Bankier Carl Fürstenberg soll dieses Bonmot eher augenzwinkernd gemeint haben, doch es gibt sicherlich Manager börsennotierter Unternehmen, die diesen Satz genau so unterschreiben würden. Denn wer Aktien kauft, übernimmt damit Risiken aber erwirbt eben auch Rechte, wie zum Beispiel das Stimmrecht und das Recht, bei Hauptversammlungen zu sprechen.
    Das können Unternehmen als lästig empfinden, wenn beispielsweise Minderheiten versuchen, wichtige Entscheidungen zu blockieren. Vor allem aber wird es schwierig, wenn es darum geht, die Rechte den Aktionären wieder zu nehmen. Etwa wenn sich Unternehmen von der Börse zurückziehen. Morgen entscheidet das Bundesverfassungsgericht, wie Aktionäre in dieser Situation behandelt werden sollen. Im konkreten Fall geht es um die Firma Macrotron.

    Der Computergroßhändler war im Jahr 1988 an die Börse gegangen. Nur zehn Jahre danach zog sich das Unternehmen wieder zurück. Macrotron war vom US-Konkurrenten Tech Data aus Florida aufgekauft worden. Tech Data besaß 98 Prozent der Aktien des Unternehmens und konnte so auf der Aktionärsversammlung eine erdrückende Mehrheit für den Börsenrückzug erzielen.

    Doch die verbliebenen Aktionäre wollten sich nicht so einfach damit abfinden, aus dem Unternehmen gedrängt zu werden. Viele klagten. Vor allem auch deshalb, weil sie nicht abgefunden wurden, sondern weil die verbliebenen Aktien einfach als Rest an der Börse verblieben. Weil diese Papiere natürlich kaum noch gehandelt wurden, schlug sich der Erfolg des Unternehmens nicht mehr in steigenden Kursen nieder. Eine Unternehmensbeteiligung ohne Wert, sozusagen.

    Vor vier Jahren fällte der Bundesgerichtshof (BGH) die sogenannte Macrotron-Entscheidung. Der zufolge ist ein Rückzug von der Börse - im Fachjargon als "Delisting” bezeichnet - nur zulässig,

    Wenn die Hauptversammlung es mit mindestens einfacher Mehrheit beschließt.

    Das war bei Macrotron der Fall. Doch im Urteil heißt es weiter:

    Wenn der Mehrheitsaktionär oder die Gesellschaft den Minderheitsaktionären ein Kaufangebot für ihre Aktien unterbreitet.

    Dieses Angebot muss gerichtlich nachvollziehbar und überprüfbar sein. Damit hatte der Bundesgerichtshof die Eigentumsrechte von Aktionären gestärkt. Macrotron-Anleger konnten ihre Abfindung in einem Spruchverfahren klären lassen.

    Morgen entscheidet das Gericht in Karlsruhe nun grundsätzlich. Es geht im Wesentlichen darum, ob das Grundrecht auf Eigentum Aktionäre vor einem Rückzug ihres Unternehmens von der Börse schützt. Denn Eigentum genießt im deutschen Grundgesetz einen besonderen Schutz. In Artikel 14, Absatz 1 heißt es:

    Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

    In Absatz 3 steht:

    Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.

    Strittig ist vor allem, ob die unternehmerische Entscheidung, ein Unternehmen wieder von der Börse zu nehmen, eine Enteignung darstellt. Aus Sicht der Kleinaktionäre mag es so sein. Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz erwartet deshalb vom Beschluss aus Karlsruhe einiges.

    "Wir wünschen uns zum einen natürlich, dass die Hürden für Kleinaktionäre vor allen Dingen möglichst niedrig gesetzt werden, dass die Abfindungen, die gezahlt werden, dass die Bedingungen dafür möglichst einfach gehalten werden, dass möglicherweise auch die formellen Anforderungen für solche Abfindungszahlungen entsprechend gesetzt werden, damit eben die Kleinaktionäre deutlich mehr profitieren davon als das bislang der Fall ist."

    Beim Deutschen Aktieninstitut, kurz DAI, hält man die bestehenden Gesetze für ausreichend. Franz-Josef Leven weist darauf hin, dass es bei einem Rückzug nicht nur um die Anleger, sondern auch um eine unternehmerische Entscheidung gehe. Sollte das Bundesverfassungsgericht das BGH-Urteil kippen, dann wäre es in Zukunft leichter für Unternehmen, sich von der Börse zurückzuziehen, zumindest wäre es billiger.

    Stärkt dagegen das Bundesverfassungsgericht den Anlegern den Rücken, indem es die Eigentumsrechte vor die Rechte der Mehrheitsaktionäre stellt, wird ein Delisting schwerer als bisher.
    "Wir warten gespannt auf das Urteil des Verfassungsgerichts. Da geht es um Fragen des Eigentumsrecht und so weiter. Es ist immer schwer, einen richtigen Preis zu finden. Die Ökonomen diskutieren seit fast tausend Jahren um die Frage des gerechten Preises. Aber auch die Frage, welcher Preis ist gerecht, wenn der Aktionär abgefunden wird, wird sich immer unterschiedlich beantworten, je nachdem aus welcher Position man es sieht. Man kann ja nur versuchen, den Wert objektiv zu finden, der aus der Investition noch gezogen werden könnte und dem Aktionär entsprechend zubilligen. Dafür gibt es Gerichte, dafür gibt es Methoden, dafür haben Wirtschaftsprüfer eigene Verfahren entwickelt. Und das Verfassungsgericht wird dann entscheiden, ob das so richtig ist oder nicht."

    Sagt Franz-Josef-Leven vom Deutschen Aktieninstitut. Wenn Unternehmen an die Börse gehen, sammeln sie Geld von Anlegern ein. Neue Aktien herauszugeben macht die Firmen unabhängiger von Bankkrediten. Die Börse ist damit ein wichtiges Standbein der Unternehmensfinanzierung, doch scheuen Firmen wegen der Finanzkrise schon länger den Kapitalmarkt. Den letzten großen Börsengang in Frankfurt feierte der Hamburger Hafen im Herbst 2007.

    Zuletzt hat der Mischkonzern Evonik das für Juni geplante Debüt abgesagt. Der Leuchtmittelhersteller Osram und der Versicherungskonzern Talanx zögern mit ihrem Börsengang. Sie alle befürchten, nicht die geplante Summe mit einem Aktiendebüt einspielen zu können. Denn die Finanzkrise sorgt generell dafür, dass Anleger gegenüber Börsenneulingen besonders skeptisch sind. Wenn überhaupt, dann vertrauen sie ihr Geld großen Namen an. Das bedeutet:

    "Dass nur jene Unternehmen, die ein altes, gängiges Geschäftsmodell haben, eine echte Chance haben, in Deutschland zu reüssieren. Alles was neu ist - entweder als Unternehmen neu ist oder mit einer neuen Idee auf den Markt kommt - braucht Finanzierung von außen, braucht Risikokapital, weil es risikoreiche Entscheidungen sind. Genau an dieser Stelle hat die deutsche Wirtschaft und hat der deutsche Finanzmarkt seine Schwäche."

    Sagt der Ökonom Norbert Walter. Diese Schwäche tritt in der Krise stärker zutage als zu normalen Zeiten. Während also neue Unternehmen eher zögerlich auf die Börse blicken, ziehen sich auf der anderen Seite Unternehmen von der Börse zurück. So beschloss der Füllfederhalter-Hersteller Pelikan den Rückzug von der Schweizer Börse. Der Motorrad-Hersteller KTM bereitet sich ebenfalls darauf vor, seine Aktien vom Markt zu nehmen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Franz-Josef Leven:

    "Die Börsennotierung ist eine gute Möglichkeit Kapital aufzunehmen, natürlich nur für Unternehmen, die frisches Kapital von der Börse auch wollen. Unternehmen, die das nicht nötig haben, Unternehmen, die inzwischen durch Umstrukturierungen zu einem Großaktionär gehören, Unternehmen, für die Kapitalaufnahme über die Börse nicht mehr interessant ist, müssen natürlich die Möglichkeit haben, die Börsennotiz, die ja auch teuer ist und aufwendig ist auch überprüfen zu können."

    Unternehmen wechseln den Besitzer. Verschiebt sich die Eignerstruktur deutlich, dann müssen die Großaktionäre sogar ein Übernahmeangebot abgeben. Wenn ein Anteilseigner mehr als 30 Prozent eines Unternehmens besitzt, ist er dazu verpflichtet, den anderen Aktionären ein Angebot zu unterbreiten. Nehmen insgesamt 95 Prozent aller Aktionäre das Angebot an, können die restlichen fünf Prozent abgefunden werden.

    Squeeze-out nennt man dieses Verfahren, also Herausquetschen.

    Bei großen Fusionen, wie zwischen den Stahlkonzernen Thyssen und Krupp oder der Energieriesen Veba und Viag zum E.on funktionieren solche Tauschgeschäfte meist reibungslos. Zuletzt scheiterte der Gesundheitskonzern Fresenius mit einem Übernahmeangebot an die Krankenhauskette Rhön-Klinikum. Es gibt aber neben Übernahmen auch andere Gründe, die einen Börsenrückzug logisch erscheinen lassen, sagt Klaus Nieding:

    "Man stellt nach einer bestimmten Zeit der Notierung fest, dass die damit verbundenen Pflichten durchaus unangenehme und kostenträchtig sein können - Stichwort Publizitätspflichten, Halbjahresberichte, Jahresberichte. Schauen sie sich den jahrelangen Kampf der Porsche AG an, wo man sich weigerte, bestimmte Quartalszahlen eben auch herauszugeben. Die Prüfung dieser Berichte ist sehr aufwendig und kostenträchtig durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die anzuwendenden Rechnungslegungsgrundsätze können zu einer entsprechenden Verteuerung führen und wenn dann die Aktie selber eigentlich keinen großen Streubesitz hat, muss man als Unternehmen schon die Frage stellen, welchen Sinn macht es, all diese Ausgaben zu tätigen."

    Ein Unternehmen an der Börse zu führen kann schnell einen sechsstelligen Euro-Betrag pro Jahr kosten. Das lohnt sich für Unternehmen, die regelmäßig neues Kapital an der Börse aufnehmen. Viele Firmen halten es aber für schädlich, wenn sie zu viele Informationen an die Öffentlichkeit tragen müssen. Wer zum Beispiel die besten Geschäfte zum Jahresende macht, wird im ersten Quartal vergleichsweise maue Zahlen vorlegen. Für den Aktienkurs kann das zum Debakel werden und für die Reputation an der Börse auch. Doch der Aktienexperte Ascan Iredi ist überzeugt, Transparenz ist nicht der Kern des Problems – es ist auch eine Kostenfrage:

    "Vor allem die Quartalsberichterstatttung ist immer sehr aufwendig, und man muss sich immer nach außen darstellen und man muss sich immer besser außen darstellen, anstatt sich auf die inneren Werte zu konzentrieren. Das ist ja die generelle Diskussion bei der Frage nach Transparenz. Sind die Unternehmen nicht zu sehr damit beschäftigt, nach außen zu publizieren, was sie lieber drinnen mal lösen sollten."

    Überhaupt ist Ascan Iredi nicht der Meinung, dass um einen Börsenrückzug zu viel Aufregung gerechtfertigt sei, sollte das Delisting ordentlich verlaufen:

    "Generell ist das ja ein völlig normaler Vorgang, wenn Unternehmen an die Börse gehen, dann dürfen sie sich auch wieder zurückziehen, wenn sich die Dinge, die Rahmendaten verändert haben."

    Ein normaler Vorgang mag es sein, doch bestimmte Fälle erzeugen große Aufmerksamkeit, vor allem, wenn viele Privataktionäre beteiligt sind.

    "Wissen Sie was boomt? Genau! Das Internet! Und was boomt wohl noch mehr? Richtig. T-Online!"

    So tönte die computeranimierte Werbefigur Robert T-Online am 17. April 2000 über den Börsenplatz. Die Deutsche Telekom hatte ihre Tochter zum Verkauf gestellt. Für 27 Euro pro Aktie kauften vor allem kleine Anleger, was das Zeug hielt. Die Telekom hätte damals 20 mal mehr Aktien verkaufen können. Denn die Strategie vom damaligen Telekom-Chef Ron Sommer klang bestechend:

    "Ich bin überzeugt davon, dass diese Aktienfamilie großartige Perspektiven besitzt und dass diese der Aktienkultur in Deutschland neue Impulse vermitteln wird."

    Impulse ja, positive nicht unbedingt. Denn die Strategie Ron Sommers ging nicht auf. Internet und Telefon getrennt zu betrachten, kostete Telekom und T-Online Marktanteile. Die Konkurrenz bot längst kombinierte Festnetz und DSL-Tarife an. Auch den geplanten Börsengang der Mobilfunktochter T-Mobile legte die Telekom bald auf Eis. Mehr noch: Nur fünf Jahre nach dem pompös inszenierten Debüt der T-Online-Aktie ruderte das Unternehmen zurück. Die Internet-Tochter sollte zurück unter das Dach der Telekom. Auf der Hauptversammlung im Jahr 2005 verteidigte der damalige T-Online-Chef Rainer Beaujean die strategische Kehrtwende:

    "Wir sind überzeugt, gemeinsam können wir unsere Ziele noch schneller, effizienter und noch nachhaltiger erreichen. Wir kennen unsere Stärken und wir kennen auch die Anforderungen der Zukunft im umkämpften Markt. Aus diesem Wissen heraus, haben wir uns für den Zusammenschluss entschieden. Er ist vor allen Dingen auch im langfristigen Aktionärsinteresse."

    Das sahen viele Aktionäre nicht so. Sie blickten bang auf den schwindsüchtigen Kurs der T-Aktie, denn mit diesen Aktien der Konzernmutter sollten sie abgefunden werden. Der Großaktionär Telekom hatte mit seiner Mehrheit dieses Tauschverhältnis von
    T-Online-Aktien in Telekom-Papiere durchgesetzt. Auch wenn die Aktionäre dabei einen kräftigen Verlust von Zweidrittel des ursprünglichen Wertes hinnehmen mussten. Kleinaktionäre waren nach der Hauptversammlung frustriert:

    "Ja das Fazit: Es ist schon eine ziemliche Unverschämtheit und die vielen Rednerbeiträge, die haben schon gezeigt, wie recht der Kleinaktionär hat, wenn er hier dagegen votiert. Das hat gar nichts gebracht, nur eine Schauveranstaltung."

    Hauptversammlungen machen deutlich, dass Aktionärsdemokratie eine eigene Form der Demokratie ist. Jeder, der eine Aktie besitzt, hat Rederecht, doch wenn es zur Abstimmung kommt, gilt nicht das Prinzip Ein Mann - eine Stimme. Stimmberechtigt ist nicht der Aktionär, sondern das Kapital, das er vertritt. Wer 50 Prozent an einem Unternehmen besitzt, hat auch 50 Prozent der Stimmen. An sich ist das völlig in Ordnung, sagt der Aktienexperte Ascan Iredi:

    "Schwierig wird es immer nur, wenn einzelne Gruppen versuchen, Interessen auszuspielen gegen andere, und dann kann natürlich schnell Ungerechtigkeit auftreten. Letzten Endes ist aber Aktienengagement und Aktieninvestition auch immer eine Frage von Information. Und gehört es dazu, sich zu informieren, was macht das Unternehmen und was hat es vor."

    Im Falle T-Online empfanden jede Menge Aktionäre das Angebot als ungerecht – sie fühlten sich übergangen und schlecht informiert und zogen vor Gericht. Erst im März 2009 – also etwa vier Jahre später - bekamen sie Recht und einen Nachschlag. 1 Euro 15 je Aktie plus Zinsen, und darüber hinaus musste die Telekom einen Großteil der Prozesskosten zahlen. Dennoch bleibt ein Nachgeschmack. Anlegeranwalt Klaus Nieding sieht den Kleinanleger klar übervorteilt:

    "Die Telekom hat seinerzeit den Telekom-Hype ausgenutzt, um es mal so zu nennen und hat im Zuge dessen versucht, ihre Tochter oder Beteiligungsunternehmen gewinnbringend an den Aktionär oder die Aktionärin zu bringen, um diese Unternehmen günstiger zu finanzieren und natürlich Teile über die Börse zu veräußern und entsprechende Gelder einzustreichen. Was wir in der Form deutlich kritisieren, ist einmal, dass es dem Aktionär eine gewisse Mittel- bis Langfristigkeit der Börsenpräsenz vorgaukelt, um dann nach eigentlich überschaubarer Zeit einzuräumen, dass die Ziele, die sich das Unternehmen selbst gesetzt hat, nicht erreicht werden können und man dann eben mit großen Mühen dieses Unternehmen auch dann wieder von der Börse nimmt. Unterm Strich hat hier der Kleinaktionär gründlich draufgezahlt."

    Diese Einschätzung geht natürlich davon aus, dass T-Online erfolgreich gewirtschaftet hätte, wenn es als Unternehmen unabhängig geblieben wäre. Im Nachhinein ist es schwer zu beurteilen, ob die Telekom aus Sicht der Anleger richtig gehandelt hat oder nicht. Franz-Josef Leven vom Deutschen Aktieninstitut sagt dazu:

    "Die ganze mit diesen Fällen verbundene öffentliche Aufmerksamkeit ist natürlich nicht dazu angetan, das Vertrauen in die Aktie nachhaltig zu fördern, doch bei vielen Anlegern und bei vielen Medienkonsumenten, bleibt nur eine ganz grobe Vorstellung dessen hängen, was tatsächlich passiert ist, es bleibt immer dabei, die Konnotation, es war für die Aktionäre schlecht."

    Dabei ist es ohnehin mit der Aktienakzeptanz in Deutschland nicht weit her. Erst mit dem Börsengang der Telekom im Jahr 1997 begannen sich die Deutschen überhaupt für Aktien zu interessieren. Doch dem Hype um Dividendenpapiere folgte schnell die Ernüchterung. Mit der Internetblase platzten viele Börsenträume. Binnen weniger Monate brachen die Kurse ein. Später sorgten die Anschläge vom 11. September und wirtschaftlicher Abschwung für flaue Börsenzeiten. Viele Anleger kehrten der Börse den Rücken. Im vergangenen Jahr waren 8,7 Mio. Anleger direkt oder indirekt über Fonds in Aktien investiert. Dies entspricht 13,4 Prozent der Bevölkerung.

    "Wir brauchen einfach bessere ökonomische Kenntnisse, finanzielle Allgemeinbildung, damit die privaten Anleger einschätzen können, welche Risiken und welche Chancen sie mit welcher Anlage eingehen, damit sie sich ein Portefeuille zusammenstellen können in eigener Verantwortung, von dem sie sagen können, das passt zu mir, das passt zu meiner Risikostruktur. Im Augenblick sind sie, glaube ich, aufgrund von Vorurteilen, aufgrund von falschen Vorstellungen, die in der Bevölkerung vorherrschen, weit davon entfernt, ein optimales Portfolio zu haben."

    Doch auch das optimalste Portfolio schützt Anleger nicht davor, zur Not auch mal vor Gericht ziehen zu müssen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts dürfte ein Stück weit für Klarheit sorgen, aber die Rechte der Anleger sind in keinem Falle ausreichend geschützt, sagt Aktionärsanwalt Klaus Nieding:
    "Angefangen von direkten Schadenersatzansprüchen der Aktionäre gegen Vorstände und Aufsichtsräte, der so genannten Außenhaftung, damit Organmitglieder dann eben auch für schädliches Verhalten direkt in die Haftung genommen werden können. Man sollte hingehen und die Verfahrensdauer gesetzlich klar verkürzen für bestimmte Klageverfahren, Stichwort Spruchverfahren und Ähnliches. Was die Anfechtungsklagen angeht, sollte man durchaus an der einen oder anderen Schraube nochmals drehen, damit es nicht so leicht ist, mit nur einer einzigen Aktie Sand ins Getriebe zu bringen, sondern da durchaus auch eine qualifizierte Minderheit zu fordern. Es gibt also einen Strauss von Dingen, die noch zu tun sind. Die Arbeit wird uns nicht ausgehen."

    Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis sich die Gerichte erneut mit den Rechten von Aktionären beschäftigen werden. Eigentlich hatte die Bundesregierung noch für diese Legislaturperiode eine umfassende Reform des Aktienrechts angekündigt. Konkrete Vorschläge lassen aber auf sich warten.