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Rüstung
"Es kann keinen Export um jeden Preis geben"

Bereits im Portfolio der saudischen Streitkräfte ist der Eurofighter von der Airbus-Rüstungssparte, der unter anderem in Ingolstadt hergestellt wird. Bernhard Stiedl von der IG Metall Ingolstadt fordert im Deutschlandfunk eine weltweite Harmonisierung der Exportrichtlinien.

Bernhard Stiedl im Gespräch mit Benjamin Hammer | 14.04.2014
    Benjamin Hammer: Die weltweiten Rüstungsausgaben sind zurückgegangen, in Ländern wie China oder Russland jedoch gestiegen. Und auch in Saudi-Arabien ist das der Fall. Das Land hat großes Interesse an Technik aus Deutschland, am Panzer Leopard II zum Beispiel. Hier soll sich ja Wirtschaftsminister Gabriel gegen einen Verkauf von in Spanien produzierten Leopard ausgesprochen haben, auch wegen der Menschenrechtslage im Königreich. Bereits im Portfolio der saudischen Streitkräfte ist jedoch der Eurofighter von der Rüstungssparte von Airbus, und der wird unter anderem in Ingolstadt hergestellt. Bernhard Stiedl sitzt im Aufsichtsrat der Verteidigungssparte von Airbus, er ist Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt und er steht uns jetzt am Telefon zur Verfügung. Guten Tag, Herr Stiedl!
    Bernhard Stiedl: Hallo, Herr Hammer.
    Hammer: Herr Stiedl, als Mitglied der IG Metall in einem Rüstungsbetrieb arbeiten und am 1. Mai Friedenslieder singen. Geht das?
    Stiedl: Das ist ja kein Widerspruch, denn auch die Beschäftigten in Rüstungsunternehmen sind ja nicht für Krieg oder Auseinandersetzung, sondern sie wollen auch vertreten werden von ihrer IG Metall. Sie wollen sichere Arbeitsplätze und sie wollen gute Arbeit und dafür steht auch die IG Metall in Firmen, die Rüstungsgüter herstellen.
    Es gibt klare Exportrichtlinien der Bundesregierung
    Hammer: Leopard-Panzer nach Saudi Arabien - nach Berichten will der Bundeswirtschaftsminister einen solchen Deal verhindern. Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht?
    Stiedl: Nun gut, das ist eine Entscheidung des Wirtschaftsministers, und es gibt klare Exportrichtlinien der Bundesregierung, die sinnvoll sind, die beschreiben, dass in Ländern, wo es eine bewaffnete Auseinandersetzung gibt, oder wo Rüstungsgüter für interne Repressionen oder zu Menschenrechtsverletzungen benutzt werden können, dass in diese Länder nicht exportiert werden darf. Und wenn der Wirtschaftsminister zu der Entscheidung gekommen ist, dass Saudi-Arabien zu solchen Ländern zählt, dann ist das eine richtige Entscheidung gewesen. Das muss man im Einzelfall immer prüfen. Die deutschen Exportrichtlinien sind da aus meiner Sicht sehr gut und die müssen natürlich auch eingehalten werden.
    Hammer: Aber nehmen Sie uns da mal noch ein bisschen mit, was die Richtlinien oder auch vielleicht Ihre persönliche Einschätzung betrifft. Sie sprechen für die Beschäftigten der Rüstungstochter von Airbus. Ihre Mitglieder stellen den Eurofighter her, an dem ja auch Länder interessiert sind, die unsere Vorstellungen zur Wahrung der Menschenrechte jetzt nicht gerade haben, oder sich in bewaffneten Konflikten mit den Nachbarn befinden. Wo ziehen Sie persönlich da die Linie? Wann darf verkauft werden?
    Stiedl: Es kann keinen Export um jeden Preis geben. Das, glaube ich, will niemand und das kann auch nicht unsere Zielsetzung sein, sondern es muss klare Richtlinien geben, in welche Länder kann man exportieren und in welche Länder kann man nicht exportieren. Da hat die Bundesregierung Exportrichtlinien aufgestellt, wo unter klaren Kriterien festgelegt worden ist, in welche Länder man exportieren kann oder nicht. Unsere Problematik ist in diesem Fall, dass es solche klaren Vorgaben nur auf deutscher Seite gibt. Unsere Forderung als IG Metall ist, dass man so was auf europäischer, auf weltweiter Ebene harmonisiert, dass eben dann nicht andere Länder in Länder exportieren, wo es Menschenrechtsverletzungen gibt. Dann würden wir so etwas wieder konterkarieren. Darum finde ich es gut, dass es in Deutschland solche Richtlinien gibt, aber diese Richtlinien müssen auf europäischer Ebene oder sogar weltweit harmonisiert werden.
    Hammer: Herr Stiedl, Hand aufs Herz: Wird man in der IG Metall als Vertreter von Rüstungsmitarbeitern manchmal schief angeguckt oder kritisiert?
    Stiedl: Man hat halt keinen leichten Job. Aber wie schon gesagt: Auch die Kollegen in Firmen, die Rüstungsgüter herstellen, wollen von ihrer IG Metall vertreten sein. Und ich habe ja gesagt, wir argumentieren ja nicht für Exporte um jeden Preis. Ich kann zum Beispiel kein Problem daran erkennen, wenn ein Eurofighter nach Österreich oder in irgendein NATO-Land exportiert wird. Warum denn nicht! Da widerspricht ja niemand oder da gibt es auch keine Exportrichtlinien in dem Sinne, die das Widersprechen. Und in Ländern, wo es in der Tat Menschenrechtsverletzungen gibt, wo in der Tat interne Repressionen die Bevölkerung ausgesetzt sind, oder auch, wo es aktuelle bewaffnete Auseinandersetzungen gibt, soll man nicht exportieren. Das finden wir für sinnvoll. Aber solche Regelungen bräuchte es ja auf europäischer oder auf weltweiter Ebene, denn Sie haben es ja schon gesagt, die Problematik zum Beispiel vom Leopard ist: Wenn jetzt auf deutscher Seite nicht exportiert wird, dann wird von spanischer Seite oder von anderer Seite exportiert, und so was muss man unterbinden. Deshalb fordern wir auch von der IG Metall, dass solche Richtlinien weltweit zu gelten haben.
    In der deutschen Rüstungsindustrie arbeiten rund 80.000 Beschäftigte
    Hammer: Jetzt arbeiten, wenn ich richtig informiert bin, rund 50.000 Menschen direkt in Deutschland in der Rüstungsindustrie. Das klingt jetzt im Vergleich zu anderen Branchen nicht viel. Was antworten Sie einem Friedensaktivisten, der sagt, dann macht die Fabriken doch einfach dicht?
    Stiedl: Es sind mehr. Es sind insgesamt 80.000 Beschäftigte, wenn Sie die Zulieferer noch mit dazurechnen. Jemand kann so eine Position haben, aber da geht es auch um 80.000 Arbeitsplätze. Das kann man nicht von der Hand weisen. Und es geht auch ein Stück weit um Technologien, die für Deutschland verloren gehen. Rüstung heißt ja nicht nur, dass dieser Bereich auch dazu verwendet werden, in endgültiger Konsequenz irgendwo militärisch eingesetzt zu sein, sondern sie haben auch einen zivilen Nutzen. Ich will aber das jetzt nicht aufrechnen, sondern wir versuchen natürlich auch, im militärischen Bereich die Arbeitsplätze, die dort verloren gehen, im zivilen Bereich zu schaffen. Das ist unsere Zielsetzung auch als IG Metall. Es macht doch Sinn, dass es weniger Rüstungsgüter weltweit gibt. Kein vernünftiger Mensch würde sagen, mehr Rüstungsgüter auch in Deutschland, sondern wenn die Welt friedlicher wird, dann sind wir ja alle daran interessiert, und dafür brauchen wir aber dann zivile Produkte. Aber leider ist halt nicht immer so die Welt, wie wir uns das vorstellen, und leider ist die Welt nicht immer so friedlich, wie wir das wollen. Es gibt eben kriegerische Auseinandersetzungen und da muss zum Beispiel auch eine Nation, die auf demokratischen Füßen steht, das Recht haben, sich, seine Ländergrenzen und seine Bevölkerung zu verteidigen.
    Hammer: Herr Stiedl, haben Sie herzlichen Dank. Ich muss Sie an dieser Stelle leider unterbrechen, weil wir mit der Zeit etwas knapp sind.
    Stiedl: Kein Problem!
    Hammer: Herzlichen dank! - Das war Bernhard Stiedl, Aufsichtsratsmitglied der Verteidigungssparte von Airbus und Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.