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Rüstungsexport
Woran die Kontrolle verkaufter Waffen scheitert

Deutschland exportiert jährlich Kleinwaffen im Wert von 50 Millionen Euro. Was vor Ort mit deutschen Gewehren und Panzerfäusten passiert, wird anders als in den USA nicht ausreichend überprüft, bemängeln Kritiker. Intelligente Waffen mit Ortungschip könnten helfen. Doch es gibt Widerstand.

Von Alois Berger | 14.02.2015
    Szene aus der Ausbildung kurdischer Soldaten an einer deutschen Panzerabwehrwaffe in Hammelburg
    Szene aus der Ausbildung kurdischer Soldaten an einer deutschen Panzerabwehrwaffe in Hammelburg (imago/epd/Peter Roggenthin)
    Bundeswehrleutnant: "Die Bunker hier, sind die alle baugleich?"
    Standortkommandant: "Also, ich hab hier 12 von den großen und drei kleinere hier"
    Bundeswehrleutnant: "Wenn ich mir die Türen angucke, da ist extra eine Vorrichtung für ein zweites Schloss und die ursprünglichen Schlösser sehen auch schon ziemlich verrostet aus. Ist da etwas geplant, das zusätzlich zu sichern, weil so geht das nicht?"
    Standortkommandant: "Ja gut, die Schlösser, die funktionieren ja, also das hält, die Türen sind zu."
    Oberstleutnant Heiko Lambert vom Bundeswehrdezernat für globale Rüstungskontrolle steht vor einem Waffenbunker, wie er ihn in vielen Ländern der Welt immer wieder vorfindet. Die Eingänge sind schlecht gesichert, die Beleuchtung ist kaputt, die Bewachung gerade in der Mittagspause, und der lokale Standortkommandant findet das alles nicht so wichtig. Drinnen sieht es nicht besser aus. Knapp 100 Gewehre liegen kreuz und quer in den Regalen, davor ein Dutzend Kisten mit Munition und Pistolen, alles durcheinander gewürfelt, dazwischen Panzerfäuste, Maschinengewehre und anderes Gerät.
    "Besonders gefährlich, die beiden Fliegerfäuste. Im Falle eines Diebstahls hat derjenige sich eine besonders prekäre Waffe aneignen können. Was man mit Fliegerfäusten unternehmen kann, sehen Sie ja in täglichen Presseberichten."
    Das schlampig gesicherte Waffenlager, das Oberstleutnant Lambert unter die Lupe nimmt, steht in einem Waldstück bei Aachen. Lamberts Leute haben ein solches Depot in Moldawien vorgefunden und zu Übungszwecken eins zu eins nachgebaut.
    "In den Staaten, wo wir unsere Staff-Assessment-Visits durchführen, begegnen wir solchen Situationen sehr oft. Das ist eigentlich die Regel."
    Heiko Lambert gehört zum Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr in Geilenkirchen. Wenn irgendwo auf der Welt überprüft werden soll, ob sich ein Land an internationale Verträge hält, dann werden Waffenspezialisten wie er losgeschickt.
    Bewertungsbesuch sollen Waffenklau verhindern
    Bei den sogenannten Bewertungsbesuchen geht es darum, die Waffendepots und Munitionslager befreundeter Armeen auf Sicherheitsmängel zu untersuchen. Offiziell werden die deutschen Inspekteure von Ländern wie Moldawien, Tadschikistan oder auch Sudan und Äthiopien freiwillig eingeladen. In Wahrheit ist es eher so, dass Auswärtiges Amt und Entwicklungshilfeministerium in vielen Ländern darauf drängen, solche Inspektionen zuzulassen. Denn die oft schlecht gesicherten Waffenlager sind eine der Ursachen für die rasante Verbreitung von Kleinwaffen.
    "Waffen kommen permanent abhanden, deswegen hat man auch sehr viele Waffen in Umlauf. Wir haben's momentan mit etwa einer Milliarde Kleinwaffen zu tun, weltweit. Und davon ist ein ganz gehöriger Teil in Umlauf gekommen aufgrund von Diebstahl und mangelhafter Kontrolle."
    Zur Kategorie der Kleinwaffen zählt alles, was ein Mann mit sich herumtragen und bedienen kann, von der Pistole bis zur Panzerfaust. Jeden Tag sterben mehr als 1000 Menschen durch solche Waffen, jeden Tag. Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan nannte Kleinwaffen die Massenvernichtungswaffen unserer Zeit.
    Die Bundesregierung betreibt über die Bundeswehr sehr viel Aufwand, damit fremde Waffen in vielen Ländern der Erde besser gelagert, besser gesichert, besser kontrolliert werden.
    Gelieferte Waffen können auch weitergegeben werden – an die Falschen
    Doch dieser Aufwand steht in seltsamem Widerspruch zu der leichtfertigen Praxis, mit der die Bundesregierung Waffenlieferungen in alle möglichen Staaten genehmigt - und dann aus den Augen verliert. Das betrifft nicht nur die zunehmenden deutschen Waffenexporte in Länder außerhalb der Europäischen Union. Das betrifft auch die Gewehre und die Munition, die das Verteidigungsministerium an die kurdischen Peschmerga geschickt hat, damit sie gegen den sogenannten Islamischen Staat kämpfen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen plant bereits eine neue Waffenlieferung an die Kurden, musste aber jetzt einräumen, dass sie keine Ahnung hat, wo die Waffen der ersten Lieferung letztlich geblieben sind.
    Früher oder später, meint der Wissenschaftler Michael Ashkenazi vom Internationalen Zentrum für Rüstungskonversion in Bonn, landen vor allem Kleinwaffen fast immer in den falschen Händen. Die Frage sei nicht, ob, sondern wann das sein wird.
    "Bevor man Kleinwaffen irgendwohin liefert, sollte man lieber dreimal, besser viermal, nachdenken."
    Michael Ashkenazi findet es grundsätzlich richtig, dass die Bundesregierung den Kurden Waffen schickt. Das sei derzeit eben wichtiger als das Risiko des späteren Missbrauchs.
    Doch warum verzichtet die Bundesregierung darauf, wenigstens stichprobenartig zu kontrollieren, was mit den Waffen aus Deutschland passiert? Sie untersucht fremde Depots in aller Welt auf Sicherheitsmängel, aber die eigenen Exporte will sie nicht nachverfolgen? Die USA machen das seit vielen Jahren.
    Mikrochips in Waffen könnten das "Wo sind sie hin?"-Problem lösen
    Warum verzichtet die Bundesregierung darauf, Mikrochips in die Gewehre einbauen zu lassen? Jedes Handy kann man heute weltweit orten und jede Bewegung per Satellit nachverfolgen - bei Gewehren soll das nicht möglich sein? Michael Ashkenazi vom Internationalen Zentrum für Rüstungskonversion in Bonn:
    "Es ist ganz leicht und nicht teuer, Kontrollchips in Waffen einzubauen, damit man die Waffen per Satellit in Echtzeit verfolgen kann und immer weiß, wo sie gerade sind. Es gibt andere Technologien, die verhindern, dass Unbefugte diese Waffen benutzen oder dass sie in bestimmten Gebieten benutzt werden. Alle diese Technologien gibt es. Was fehlt, ist der politische Wille."
    Das Problem stellt sich vor allem bei kleinen und leichten Waffen. In Panzern oder Abschussrampen ist ohnehin so viel Elektronik verbaut, dass sie leicht zu orten sind. Zudem sind die großen Waffensysteme nur von gut ausgebildeten Spezialisten zu bedienen und müssen regelmäßig gewartet werden. Ein gestohlener oder illegal verkaufter Panzer bleibt spätestens nach ein paar Hundert Kilometern liegen.
    Gewehre und Panzerfäuste dagegen sind robust und einfach zu bedienen – und deshalb zeitlos gefährlich. Eine Studie der CIA kam im letzten Jahr zu dem Ergebnis, dass praktisch alle kleinen und leichten Waffen, die von den USA geliefert wurden, früher oder später gegen US-Truppen eingesetzt wurden.
    Bekanntestes Beispiel sind die Stinger-Raketen, mit denen die USA in den 80er-Jahren die afghanischen Taliban ausgerüstet hatten. Diese einfachen Luftabwehrgeschütze werden von der Schulter aus abgefeuert und sollten beim Kampf gegen die sowjetische Besatzung helfen. Doch aus den Verbündeten wurden Feinde und die Stinger-Raketen zu einem großen Problem für die Hubschrauber der Anti-Terror-Koalition in Afghanistan.
    Stinger-Raketen mit Selbstzerstörungsmechanismus
    Das britische Nachrichtenmagazin "Economist" berichtete in einer seiner vierteljährlichen Technologie-Ausgaben, dass die CIA in den 90er-Jahren einzelne Stinger-Raketen aufspüren ließ. Diese Geschütze wurden dann zur Abschreckung mit Sprengstoff-Fallen ausgestattet und wieder in Umlauf gebracht. Wer immer sie danach benutzte, wurde von der eigenen Stinger zerrissen. Ob diese Art der Abschreckung erfolgreich war, ist nicht überliefert. Zweifel sind erlaubt.
    Die US-Regierung lässt sich inzwischen bei Waffenexporten grundsätzlich das Recht einräumen, die gelieferten Bestände von Zeit zu Zeit zu kontrollieren. In der Regel machen das die Botschaften vor Ort. Und die Bundesrepublik?
    Die Rüstungsexpertin der Grünen im Bundestag, Katja Keul, fordert seit Langem, dass Deutschland seine Waffenexporte zumindest so nachverfolgen müsse wie die USA:
    "Die Amerikaner, die ja nicht zimperlich sind beim Export von Waffen, sind aber sehr genau und gründlich, wenn es darum geht, dass jemand etwas mit ihren Waffen macht, was sie nicht möchten. Die gehen tatsächlich los und kontrollieren mit Stichproben, wo ihre Waffen geblieben sind. Das zeigt, dass das diplomatisch durchaus möglich wäre. Die Bundesregierung zieht sich bislang darauf zurück, dass sie sagt, das können wir nicht, das ist nicht unser Hoheitsgebiet. Wenn die Waffen irgendwo sind, dann sind die da. Da können wir nichts machen. Dass das nicht so ist, sieht man, dass das eben andere Länder durchsetzen. Und das könnte die Bundesrepublik auch."
    Deutschland vertraut bisher voll und ganz auf die Zuverlässigkeit der Waffenempfänger. Das Einzige, was das zuständige Wirtschaftsministerium verlangt, ist die sogenannte Endverbraucherlizenz. In dieser Lizenz versichern die Empfänger deutscher Waffen, dass sie sie nicht weiterverkaufen und auch nicht vermieten.
    Auf dem Papier hat Deutschland die strengsten Waffenexportgesetze der Welt. Theoretisch dürfen keine deutschen Waffen in Kriegs- oder Spannungsgebiete geliefert werden. Bis vor einigen Jahren gingen deutsche Rüstungsgüter auch fast nur an NATO- und EU-Länder. Aus dieser Zeit stammt das grenzenlose Vertrauen in die Endverbraucherlizenzen. Zwar gab es vor 15 Jahren schon gelegentlich Hinweise, dass beispielsweise britische Empfänger deutsche Rüstungsgüter mit deutlichem Preisaufschlag in Krisengebiete weiter verkauft haben. Aber das waren eher Ausnahmen.
    Lieferungen an Drittstaaten sind verboten – eigentlich
    Seit der Finanzkrise haben die Länder der EU und der NATO ihre Verteidigungsausgaben drastisch gekürzt. Umso stärker wurde das Drängen der Rüstungsindustrie, Waffenexporte in Drittländer zu genehmigen. Mit Erfolg. Die Bundesregierung verstoße seit Jahren gegen die im Jahr 2000 formulierten Richtlinien für Rüstungsausfuhren, rechnet die Grünenpolitikerin Katja Keul vor:
    "In den Grundsätzen ist eigentlich mal festgelegt worden, dass in der Regel nur in EU- und NATO-Staaten geliefert werden darf, und in Drittstaaten eben nicht. Also Kriegswaffen haben in Drittstaaten nichts zu suchen. Und wenn wir uns die Exportberichte der letzten Jahre angucken, dann stellen wir fest, dass dieses Regel-Ausnahmeverhältnis sich geradezu umgedreht hat. Wir sehen, dass mehr als die Hälfte der Kriegswaffen in Drittstaaten geliefert wurde, insbesondere auf die arabische Halbinsel, in der Region, wo sie nichts zu suchen haben."
    Bundeswirtschaftsminister Siegmar Gabriel, der für die Genehmigung von Rüstungsausfuhren zuständig ist, sieht das offensichtlich so ähnlich. Vor seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr versprach Gabriel, deutlich weniger Ausfuhren zu genehmigen und strenger darauf zu achten, wohin geliefert werde. Im Koalitionsvertrag wurde zudem mehr Transparenz zugesagt.
    Doch rund um Waffenlieferungen wird noch immer viel Geheimnistuerei veranstaltet. Deshalb ist nach wie vor unklar, ob der Wirtschaftsminister wirklich ernst macht. Offenbar will Gabriel in den nächsten Wochen neue Grundsätze für den Export von Kleinwaffen vorlegen. Nach den Zahlen, die bislang durchgesickert sind, sind die Genehmigungen für Rüstungsexporte im letzten Jahr um ein Drittel gesunken, bei Kleinwaffen sogar um fast die Hälfte. Doch der Anteil der Exporte in Drittländer außerhalb der EU und Nato soll sogar leicht gestiegen sein.
    Zwei von drei Kriegsopfern sterben durch Gewehre
    Mit 50 Millionen Euro Verkaufswert spielen die Kleinwaffen in der Exportstatistik kaum eine Rolle. Bei den übrigen Rüstungsgütern geht es um Milliarden. Aber gerade weil Kleinwaffen billig, einfach zu bedienen und leicht zu missbrauchen sind, sind sie für einen großen Teil des weltweiten Leides verantwortlich. Zwei von drei Kriegsopfern sterben durch Gewehre. Und die stammen sehr oft aus deutscher Produktion. Das Standardgewehr G3 von Heckler & Koch aus dem schwäbischen Oberndorf - übrigens dem Wahlkreis von Unions-Fraktionschef Volker Kauder - wurde in fast 90 Staaten geliefert. Zehn Millionen Exemplare sind derzeit im Umlauf. Deutschland zählt zu den größten Kleinwaffen-Exporteuren der Welt.
    Aus der Umgebung des Bundeswirtschaftsministers heißt es, dass Gabriel die Genehmigungen für Waffenausfuhren, vor allem für Kleinwaffen, künftig deutlich restriktiver handhaben will. Offen sei noch, ob der Wirtschaftsminister darauf bestehen werde, dass deutsche Behörden vor Ort nach US-Vorbild die Verwendung gelieferter Waffen kontrollieren dürfen.
    Das könnte schwierig werden, meint Wolfgang Hellmich, Rüstungsexperte der SPD im Bundestag. Kontrollen vor Ort würden von vielen Staaten aus Prinzip abgelehnt.
    "Also, man schaut dann in das Herzstück der Verteidigungsfähigkeit des jeweiligen Landes hinein. Das muss man miteinander vereinbaren, ob das zugelassen wird oder ob das nicht zugelassen wird."
    In der Regierung sind diese Kontrollen nach wie vor umstritten. Potenzielle Kunden könnten abspringen und woanders einkaufen. Deutschland habe nicht die Marktmacht wie Amerika, heißt es, und auch nicht das nötige Personal in den Botschaften. Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Hellmich:
    "Weil wir so ein System nie aufgebaut haben und weil wir uns darauf verlassen haben, dass die Staaten, an die wir liefern, dass diese Staaten mit diesen Waffen ordentlich umgehen. Dort, wo man Probleme vermuten kann, ich sag mal Beispiel Mexiko, gibt es Zusatzabkommen mit der Regierung von Mexiko, dass die Polizei im Norden Mexikos nicht mit diesen Waffen ausgestattet werden darf."
    Die Polizei in den nördlichen Provinzen Mexikos ist bekannt für Menschenrechtsverletzungen. Beim Mord an 43 Studenten durch Mafia und Polizeieinheiten waren nach Presseberichten auch Waffen von Heckler & Koch im Einsatz. Deshalb besteht die Bundesregierung darauf, dass deutsche Waffen nur im Süden Mexikos zum Einsatz kommen dürfen. Doch bislang gibt es niemanden, der das kontrolliert.
    Intelligent gesicherte Waffen, die sich selbst deaktivieren
    Dabei wäre das technisch längst möglich, auch ohne großen Personalaufwand. Zum Beispiel per Satellit und Mikrochip. Die Forschung ist schon viel weiter als die Politik. Karl-Friedrich Giebel ist Entwicklungschef der Münchner Armatix GmbH. Armatix stellt elektronische Systeme her, um Waffen sicherer und besser kontrollierbar zu machen. Man könne ohne weiteres Gewehre mit einem technischen Verfallsdatum ausstatten, erklärt der Waffenentwickler Giebel:
    "Die Möglichkeit gibt es. Die Idee ist, Waffen mit Ablauf einer bestimmten Zeit automatisch zu deaktivieren und dann Zertifikat-basiert wieder zu aktivieren. Es wäre dann auch möglich, diese Zertifikate auf den Ort zu beschränken, das heißt, dort wo die Waffe einmal hin exportiert wurde, kann sie funktionieren, kann auch wieder aktiviert werden, woanders ist das eben nicht möglich. "
    Nur wer den Code des Herstellers hat, kann die Waffe wieder aktivieren, und nur dort, wo der Hersteller das zulässt.
    Doch was technisch geht, ist politisch noch lange nicht erwünscht. Deshalb wurde diese Technik nie mit Nachdruck weiterentwickelt. Es fehlte schlicht die Nachfrage. Denn die meisten Empfängerländer wollen keine Kontrollen und keine Elektronik, die ihre Handlungsmöglichkeiten einschränken könnte. Karl-Friedrich Giebel:
    "Zunächst ist es so, dass die Armee selber kein Interesse daran hat, weil die natürlich nicht politisch denken, sondern funktional. Die möchten, dass die Waffe funktioniert. Die kümmern sich nicht darum, was passiert, wenn die Waffe in fremde Hände kommt. In den letzten Jahren sieht man, dass es ein gewisses Umdenken gibt. Weil natürlich zum einen der politische Aspekt eine sehr wichtige Rolle spielt. Zum anderen die Frage zunehmend eine Rolle spielt: Was passiert eigentlich mit Waffen, die uns einmal gehört haben und die in fremde Hände gekommen sind und dann gegen uns verwendet werden?"
    Das Umdenken passiert langsam und nicht überall. Zu groß ist die Angst vieler Regierungen, die eigene Armee könnte in ihrer Kampffähigkeit eingeschränkt oder gar ferngesteuert von außen abgeschaltet werden. Wenn es um Armee und Polizei geht, sind Regierungen äußerst empfindlich.
    USA lehnen intelligent gesicherte Kleinwaffen ab
    Die größten Bedenken gegen elektronische Sicherungen für Kleinwaffen aber kommen aus den USA. Washington lehnt solche Systeme aus Prinzip ab. Dahinter steht die Angst vieler Amerikaner, dass der Staat auch ihre Privatwaffen kontrollieren könnte. Vor einem Jahr bot die Münchner Firma Armatix auch auf dem amerikanischen Markt Pistolen an, die nur in Verbindung mit speziellen Armbanduhren funktionieren. So soll verhindert werden, dass Unbefugte damit schießen. Die Händler, die diese Smart Guns in ihr Sortiment aufnahmen, bekamen Morddrohungen, bis sie schließlich aufgaben. Der Druck sei enorm gewesen, klagt Armatix-Entwickler Karl-Friedrich Giebel, vor allem von der Waffenlobby NRA (National Rifle Association):
    "Die NRA und andere Organisationen haben einfach Angst, dass dann in absehbarer Zeit keine Waffen mehr verkauft werden dürfen, die nicht über solche Sicherungssysteme verfügen. "
    Doch wenn der Marktführer USA nicht mitmacht, dann wird sich die neue Technik kaum durchsetzen. Michael Ashkenazi vom Bonner Zentrum für Waffenkonversion erzählt, dass bis vor einiger Zeit auch US-Wissenschaftler an Smart Guns geforscht hätten. Die Waffenlobby habe aber dafür gesorgt, dass ihnen die Forschungsmittel entzogen wurden.
    "Im Fall der Kleinwaffen hat die amerikanische Innenpolitik die Entwicklungen zu einer besseren internationalen Waffensicherheit praktisch gestoppt. Es ist wirklich so, dass die innere politische Kultur der USA den Rest der Welt dabei behindert, Waffensysteme zu entwickeln, die international sehr hilfreich wären."
    Weltweit gültige Sicherheitsstandards für den Export und Handel von Kleinwaffen wird es deshalb auf absehbare Zeit nicht geben. Neben den USA sperren sich auch China und Russland gegen neue Regeln. Nach Ansicht von Wissenschaftlern wie Ashkenazi wäre aber schon viel gewonnen, wenn sich zunächst nur die EU-Länder auf strengere Vorschriften einigen würden. Doch auch hier zögern viele Regierungen. Waffenexporte bedeuten Arbeitsplätze, Macht und Einfluss. Eine lückenlose Kontrolle der Kleinwaffen sei ohnehin nicht möglich, heißt es immer wieder: Kontrolleure kann man überlisten, Technik mit etwas Geschick ausschalten.
    "Selbst wenn man in jedes Gewehr einen Chip einbaut, wird das natürlich nicht alle Probleme lösen. 100-prozentige Sicherheit, dass Kleinwaffen nicht in falsche Hände geraten, gibt es nicht. Aber 50 Prozent kann man erreichen, vielleicht sogar ein bisschen mehr."