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Rüstungsexportbericht
Kritik an Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien

Saudi-Arabien gehört offenbar zu den Ländern, an die Deutschland die meisten Rüstungsgüter liefert. Jan Grebe, Rüstungsexperte vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn, kritisiert, dass die Bundesregierung Waffen in eine konfliktreiche Region verkaufe, in der auch der auch die Menschenrechtslage umstritten sei.

Jan Grebe im Gespräch mit Benjamin Hammer | 19.11.2013

    Benjamin Hammer: Wohin die Verkäufe von Rüstungsgütern wie Gewehren, Aufklärungsinstrumenten und Panzern gehen, das wird einmal im Jahr im sogenannten Rüstungsexportbericht veröffentlicht. Er wird am Mittwoch, 20. November, im Kabinett besprochen und liegt bereits jetzt einigen Medien vor. Laut ARD ist das Land, in das Deutschland so viele Rüstungsgüter exportiert hat wie in kein anderes, Saudi-Arabien. Jan Grebe ist Rüstungsexperte am Internationalen Konversionszentrum in Bonn. Herr Grebe, von außen betrachtet würde man bei den wichtigsten Rüstungskunden Deutschlands vielleicht an die USA denken oder an Frankreich. Warum landen so viele deutsche Rüstungsgüter aber in Saudi-Arabien?
    Jan Grebe: In den letzten Jahren hat sich schon abgezeichnet, dass immer mehr sogenannte Drittstaaten, also Staaten außerhalb der Europäischen Union und der NATO, zu wichtigen Abnehmern deutscher Rüstungsgüter werden, und dazu gehört eben auch ein Land wie Saudi-Arabien. Von daher setzt sich hier eigentlich nur ein Trend fort, den wir in den letzten Jahren schon beobachten können, und Saudi-Arabien scheint, hier immer mehr Rüstungsgüter aus Deutschland kaufen zu wollen, und die Bundesregierung bereit zu sein, diese auch zu genehmigen.
    Hammer: Saudi-Arabien kauft viele Rüstungsgüter. Wofür werden die dann eingesetzt?
    Grebe: Zunächst muss man sehen, dass wahrscheinlich der Großteil der Lieferungen, die genehmigt wurden in den letzten Jahren, sogenannte Grenzsicherungsanlagen und Systeme sind. Hiermit will das Land offensichtlich seine Grenzen besser schützen. Aufklärungsdrohnen finden sich darunter. Aber angesichts der Menschenrechtslage und insgesamt der Konfliktlage in der Region sind auch diese Systeme hoch problematisch, neben anderen Kriegswaffen, an denen das Land interessiert ist. Ob es jetzt zu dem Panzergeschäft kommt, was immer wieder in den Medien diskutiert wird, ist derzeit aber offen.

    Es ist hoch problematisch, immer mehr Waffen in diese doch angespannte und konfliktreiche Region zu liefern

    Hammer: Dann lassen Sie uns das noch mal sortieren. Die Befürworter von Exporten nach Saudi-Arabien, die sagen, das Land ist ein Garant für Stabilität. Die Kritiker, die können das nicht fassen. Die verweisen auf die Lage der Menschenrechte. Wie schätzen Sie das ein?
    Grebe: Das Argument, was von Befürwortern angebracht wird und auch von der Bundesregierung immer genutzt wird, dass man mit Waffen Stabilität schafft, das ist auch schnell zu widerlegen. Es gibt keine Kausalität, die zeigt, dass mit Waffen, eben über Abschreckung, Stabilität geschaffen wird. Vor allem, wenn man sich die insgesamt hohe Aufrüstung in der Region anschaut, ist es hoch problematisch, immer mehr Waffen in diese doch angespannte und konfliktreiche Region zu liefern, was wahrlich nicht zu mehr Stabilität beiträgt. Hinzu kommt die problematische Menschenrechtslage in dem Land selber und auch in vielen anderen Ländern der Region, und hier muss die Bundesregierung sich der Kritik stellen, weil sie an ihren eigenen Grundsätzen gemessen wird, nämlich dass in Ländern, in denen die Menschenrechtslage problematisch und kritisch ist, keine Rüstungsgüter exportiert werden sollen.
    Hammer: Der Bundessicherheitsrat, der ist ja, so kann man sagen, eines der geheimsten Gremien des Landes. Ist er damit auch anfällig für Lobbygruppen der Rüstungsindustrie?
    Grebe: Es ist unzweifelhaft, dass die Rüstungsindustrie ein perfektes Lobbynetzwerk in Berlin hat und die Politik beeinflusst. Die Wirtschaft ist abhängig auch vom Rüstungsexport, um Rüstungsgüter auch preiswert für die Bundeswehr herzustellen und andere europäische Staaten. Von daher ist natürlich hier ein Einfluss auf die Bundesregierung, auf die Politik insgesamt gegeben.
    Und die fehlende Transparenz ist ein Grundproblem, was wir in der deutschen Rüstungs-Exportpolitik haben. Wenn man sich anschaut, dass der Rüstungsexportbericht morgen (Anmerkung der Redaktion: der Bericht wird Mittwoch, 20.11.2013 veröffentlicht) veröffentlicht werden soll und wir über Zahlen aus dem Jahr 2012 reden, ist hier eine Riesenlücke, eine Riesen zeitliche Lücke, die so nicht hinnehmbar ist, und hier muss sich dringend was ändern.

    Oberstes Ziel muss sein, die restriktive Rüstungs-Exportpolitik zu stärken und nicht mehr so viele Kriegswaffen in Drittstaaten zu exportieren

    Hammer: Hier könnte sich was ändern. Union und SPD haben sich, so hört man, geeinigt, dass der Bundessicherheitsrat in Zukunft häufiger seine Informationen mit der Öffentlichkeit und dem Parlament teilt. Ist das dann der Schlüssel zum Erfolg?
    Grebe: Es ist zunächst ein positiver Schritt. Es ist aber nicht der Schlüssel zum Erfolg. Oberstes Ziel muss sein, die restriktive Rüstungs-Exportpolitik zu stärken und nicht mehr so viele Kriegswaffen in Drittstaaten zu exportieren, da diese unter Umständen in Konflikten eingesetzt werden und auch natürlich die Stabilität und die Sicherheit in den Regionen gefährden.
    Aber die Transparenz ist eine Grundvoraussetzung, um stärker und deutlicher über Rüstungsexporte in Deutschland zu debattieren und dem Parlament die Möglichkeit zu geben, auch stärker seine Kontrollfunktion zu erfüllen, und hier ist unter Umständen mit der Großen Koalition, wenn sie denn dann kommt, ein erster positiver Schritt eingeleitet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.