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Rüstungsindustrie und Bundeswehr
Eine schwierige Partnerschaft

Die Bundeswehr ist an vielen Auslandseinsätzen beteiligt und klagt, zu schlecht ausgerüstet zu sein. Die Verteidigungsministerin hat Neuanschaffungen angekündigt, aber die Rüstungsindustrie vermisst konkrete Bestellungen. Auf beiden Seiten gibt es bis heute Verkrustungen - trotz Modernisierung.

Von Stephan Lina | 21.02.2017
    Schützenpanzer des Typs Marder werden am 21.02.2017 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr (Bayern) auf einen Zug verladen.
    Bundeswehr und Rüstungsindustrie sind voneinander abhängig. (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Ein Knopfdruck, und es wird laut in einer Werkshalle im Münchener Norden. In dieser Großgarage steht wohl der teuerste Fuhrpark Deutschlands. Die Fahrzeuge heißen aber nicht Golf oder S-Klasse, sie tragen Namen wie Dingo, Boxer und Leopard. Gerade startet ein schwerer Kampfpanzer seinen Motor für eine Runde auf der Teststrecke bei KMW KMW - Krauss-Maffei Wegmann, dem wohl bekanntesten deutschen Rüstungskonzern.
    Kaum ein Unternehmen ist in der Öffentlichkeit so umstritten wie der bayerische Panzerbauer. Wann immer zum Beispiel über den Export von Waffen diskutiert wird, fehlt das bekannteste Produkt von KMW nicht: Der Kampfpanzer Leopard 2, ein 60 Tonnen schweres Ungetüm, das auf rasselnden Ketten vorbeirollt. Wenn es so etwas wie den Mercedes unter den Kampfpanzern gibt, dann ist es der Münchener Leopard.
    Leopard wurde in den 80er Jahren eingeführt
    Als er in den 80er Jahren bei der Bundeswehr eingeführt wurde, galt er als unverwundbar. Seither wurde er ständig modernisiert. An diesem trüben Wintertag ist in Allach die 7. Generation zu sehen. Fotos machen ist streng verboten.
    Ein deutscher Leopard-Panzer auf einer Rüstungsmesse in Abu Dhabi
    Ein deutscher Leopard-Panzer auf einer Rüstungsmesse in Abu Dhabi. (dpa-picture-alliance/Jon Gambrell)
    Von der Teststrecke aus geht es zu Fuß zurück durch die Werkshallen. Dort scheint man gut ausgelastet zu sein. An jeder Arbeitsstation steht ein Leopard. Einige tragen das eiserne Kreuz der Bundeswehr. Andere haben keine Markierung. Nur an der Lackierung lässt sich für den Fachmann erkennen, für wen sie bestimmt sind: den Stadtstaat Singapur und das Wüstenemirat Katar.
    Über eine Werksstraße geht es in das Verwaltungsgebäude, einen schmucklosen, mehrstöckigen Zweckbau. Genauso nüchtern ist der Besprechungsraum, in dem Frank Haun wartet, der Geschäftsführer von Krauss-Maffei Wegmann. Zunächst geht es um wirtschaftliche Fragen. Zum Beispiel um die Nachfrage nach Fahrzeugen von KMW. Die müsste ja eigentlich rasant steigen. Frank Haun antwortet zurückhaltend:
    "Wenn ich in den Bestand der Systeme bei der Bundeswehr hineinschaue, dann ist natürlich die Anzahl reduziert worden. Aber man hat auch an Ecken gespart, die mit Fragezeichen zu versehen sind. Wenn man ein System hat, zum Beispiel einen Kampfpanzer, den aber in unterschiedlichsten Versionen mit einer relativ gesehen kleinen Stückzahl, dann tut sich eine Armee schon sehr schwer damit, beispielsweise vier verschiedene Kampfpanzer zu betreiben. Ich glaube, dass hier Nachholbedarf besteht. Der wurde auch von der Bundesverteidigungsministerin, Frau Dr. von der Leyen, deutlich adressiert."
    Zahl der Beschäftigten unklar
    Frank Haun ist schon lange im Geschäft. Er hat die Zeiten erlebt, in denen die Bundeswehr deutlich verkleinert wurde, in denen kaum noch Panzer gekauft wurden. Das ließ auch die Rüstungsindustrie schrumpfen. Seit dem Ende des kalten Krieges fielen in Deutschland etwa zwei Drittel der Jobs in der Branche weg.
    Wie viele es überhaupt noch gibt, dazu gibt es keine verlässlichen Statistiken, nur Schätzungen. Demnach ist Bayern bis heute der wichtigste Standort. Friedensinstitute schätzen die Zahl der Beschäftigten im bayerischen Rüstungssektor auf etwa 25.000. Wie es mit diesen Jobs weitergeht, ist offen.
    Das Logo von Krauss-Maffei Wegmann (KMW) ist am 18.11.2015 am Werk des Rüstungsunternehmens in München (Bayern) zu sehen. 
    Noch sind keine konkreten Aufträge bei Krauss-Maffei Wegmann eingegangen. (dpa / picture-alliance / Matthias Balk)
    "Ich denke, ob die deutsche wehrtechnische Industrie eine Zukunft hat oder nicht, das ist eine Entscheidung, die letztlich in Berlin getroffen wird. Denn wir hängen von deutschen Aufträgen ab. Wenn beispielsweise die Bundeswehr keinen Bedarf mehr hätte, dann brauchen wir Auslandskunden. Wenn ich dann aber nicht exportieren dürfte, was dann eine Frage der Exportpolitik ist, dann wird es die deutsche wehrtechnische Industrie schlicht nicht mehr geben."
    Eigentlich müsste Frank Haun euphorisch sein. Die Bundeswehr ist im Dauereinsatz, das heißt: Sie braucht immer mehr Material. Und soll es auch bekommen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will den Rüstungsetat für die kommenden zehn Jahre um 130 Milliarden Euro aufstocken. Manager Frank Haun wirkt dennoch wenig begeistert. Denn konkrete Aufträge gibt es keine, es bleibt bei Ankündigungen.
    Bisher keine Aufträge, sondern nur Versprechungen
    Bei genauerem Hinsehen wird klar, wo die Probleme liegen. Nämlich in der komplizierten Bürokratie der Bundeswehr. Das sagt Peter Bartels, der Wehrbeauftragte des Bundestages. In Berlin stellt er vor Journalisten seinen Jahresbericht vor. Und geht dabei auch auf Krauss-Maffei Wegmann ein. Eigentlich winke dem Unternehmen ein Großauftrag. Längst hat das Verteidigungsministerium angekündigt, 100 ausgemusterte Panzer in München modernisieren zu lassen. Doch passiert ist seit dieser Ankündigung nichts. Es gebe keinen Vertrag, nur Versprechungen, schimpft Bartels:
    "Ich nehme das plakative Beispiel Kampfpanzer. Um eine Vollausstattung für Ausbildung, Übung und Einsatz zu erreichen, sollen die 225 vorhandenen Panzer um 100 gebrauchte, modernisierungsbedürftige Leopard 2 aufgestockt werden - in den nächsten sieben Jahren. Wenn man schon gebrauchte Panzer zurückkauft, warum dauert das dann so lange?"
    Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, hält seinen Jahresbericht bei der Bundespressekonferenz am 24.01.2017 in Händen.
    Hans-Peter Bartels kritisiert die komplizierten Bürokratie der Bundeswehr. (picture alliance / Rainer Jensen/dpa)
    Bartels ist als Wehrbeauftragter so etwas wie der oberste Anwalt der deutschen Soldaten. Bei ihm sammeln sich Klagen und Beschwerden aus der Truppe. Und immer wieder gibt es dieselben Probleme: Zu wenig Ausrüstung, eine lahme Bürokratie, zähe Beschaffungsprozesse, während die Soldaten in immer mehr Einsätze müssen. Bartels fordert ein schnelles Umdenken im Ministerium und in den Beschaffungsbehörden:
    "Ich erwarte Strukturen, die in der Lage sind, das Geld auch auszugeben. Ich habe ja Beispiele genannt. Also, wenn man 100 Panzer braucht, um die Strukturen voll aufzufüllen: Wir haben nur sechs Panzerbataillone auf dem Papier stehen. Das ist nicht die Welt. Es gab einmal 4.600 Kampfpanzer in der Bundeswehr. Es ist nicht die Welt, wenn es von 225 auf 325 gehen soll. Wenn das sieben Jahre dauern soll, dann ist das zu lang, das ist auch keine Frage des Geldes. Das kann man jetzt machen."
    Entwicklung des Hubschraubers Sea Lion
    Ortswechsel nach Donauwörth. Trotz des grauen Winterhimmels ist die Stimmung in dem großen Hangar blendend. Männer in Uniformen, Männer in Piloten-Overalls und Männer in Anzügen prosten sich zu. Mehrere hundert Gäste sind Mitte Dezember vergangenen Jahres zu einem Festakt in das Werk von Airbus Helikopters nach Schwaben gekommen. Sie wollen Historisches feiern: Einen neuen Bundeswehr-Hubschrauber, der in Rekordzeit entwickelt wurde.
    "Zur Einstimmung, meine Damen und Herren, haben wir ein kurzes Video für Sie vorbereitet. Film ab!"
    Dramatische Musik, dann fliegt der Sea Lion über die riesige Leinwand. Sea Lion, das ist die Marine-Variante des NH 90. Der NH 90 wiederum stand in den vergangenen Jahren für das, was bei der Beschaffung von Rüstungsgütern alles schief laufen kann: Um Milliarden zu teuer, Jahre hinter dem ursprünglichen Termin. Technische Probleme.
    Beim Sea Lion sollte alles besser laufen. Vor etwa eineinhalb Jahren vergab die Bundeswehr den Auftrag an Airbus Helikopters - mit einem straffen Zeitplan, dessen Einhaltung ständig überprüft wird. Beim Festakt in Donauwörth jedenfalls sind die Teilnehmer der Überzeugung, dass es bislang gut läuft. So gut, dass auch der Erstflug vor dem Hangar den Managern des Herstellers keine Schweißperlen auf die Stirn treibt.
    Der Marine-Hubschrauber der Bundeswehr «NH90 Sea Lion» fliegt bei seinem Erstflug am 08.12.2016 über dem Gelände von Airbus Helicopters Deutschland in Donauwörth (Bayern).
    Erstflug des Marine-Hubschraubers "NH90 Sea Lion". (dpa / picture-alliance / Karl-Josef Hildenbrand)
    Auch Ralph Herzog wirkt entspannt. Der Direktor des Bundeswehr-Beschaffungsamtes schlendert über das Vorfeld des Hangars, während der graue Sea Lion ein paar Runden über das Gelände dreht. Er widerspricht auch Berichten, dass der Bundeswehr schon wieder eine peinliche Panne drohe: Dass ausgerechnet der Marine-Hubschrauber anfällig gegen Salzwasser sei. Herzog schüttelt den Kopf und schmunzelt:
    "Ich sage mal, das liegt ganz einfach in der Natur der Sache. Dass fliegende Systeme, die in salzhaltiger Luft und über See betrieben werden natürlich korrosionsanfälliger sind. Aber aus gewissen Erkenntnissen der Vergangenheit hat man gelernt. Die entsprechenden Stellen sind bekannt, werden adäquat konserviert. Und das System unterliegt unter diesem Aspekt einer regelmäßigen Inspektion an den relevanten Stellen.
    Und wenn man im Rahmen dieser Inspektionen entsprechende vorbeugende Maßnahmen ergreift, sollte Korrosion nicht das Thema sein, was die Einsatzfähigkeit dieses Hubschraubers in irgendeiner Weise einschränkt."
    Viele Fahrzeuge nicht einsatzbereit
    Das Wort Einsatzfähigkeit treibt die Militärs schon seit Langem um. Immer wieder klagen die Soldaten, dass nur ein Bruchteil der eigentlich vorhandenen Flugzeuge, der Hubschrauber, der Panzer und anderen Fahrzeuge zur Verfügung steht. Der Rest ist marode, wurde für Ersatzteile ausgeschlachtet oder es fehlen schlicht die nötigen Besatzungen. Auch das soll künftig besser werden, verspricht Herzog, während der Hubschrauber weiter kreist. Allerdings: Ein paar Maschinen werden wohl immer im Wartungshangar stehen:
    "Der Hintergrund ist ganz einfach, dass hier auf engstem Raum komplexe Hochtechnologie verarbeitet ist, die zum einen natürlich eine gewisse Anfälligkeit hat. Aber das ist der Tribut an den Einsatzzweck. Und zum anderen aufgrund ihrer Komplexität einer deutlich intensiveren Überwachung und Inspektion bedarf. Deswegen ist der Hubschrauber nicht kaputt, auch nicht Schrott. Sondern, das liegt in der Natur der Sache solcher komplexen Systeme."
    Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Eurocopter, Wolfgang Schoder, aufgenommen am Donnerstag (11.02.2010) in Donauwörth (Schwaben).
    Wolfgang Schoder ist stolz über das enwickelte Krisen-Management im Falle des Sea Lion. (dpa / picture-alliance / Andreas Gebert)
    Das sieht auch Wolfgang Schoder ähnlich. Der Deutschlandchef von Airbus Helikopters lächelt zufrieden, als der Sea Lion nach dem Erstflug sicher gelandet ist. Auch er vergisst nicht zu erwähnen, dass man im Zeitplan sei. Man habe einfach gelernt, sagt er. In der Vergangenheit habe es die Auftragsvergabe gegeben, dann habe die Industrie vor sich hin entwickelt, ohne enge Absprache mit den Kunden. Das habe unweigerlich zu Problemen, Verzögerungen und Streit geführt. Beim Sea Lion gebe es dagegen ein sogenanntes Risiko-Management, wie es jenseits der Rüstungsbranche längst üblich ist:
    "Wir treffen uns jede Woche. Wir sind jede Woche im Projektteam zusammen und gehen die Planung gemeinsam durch und diskutieren, wenn es Probleme gibt, was es auch für Lösungsmöglichkeiten gibt. Und gehen diesen Weg dann auch gemeinsam."
    Verkrustete Strukturen auf beiden Seiten
    Es ist so etwas wie ein erster Versuch, die starre Bundeswehr-Bürokratie aufzuweichen. Genau das haben sich vor allem zwei Frauen auf die Fahnen geschrieben: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre Staatssekretärin Katrin Suder, eine frühere Unternehmensberaterin. Bis jetzt sind die Fortschritte aber überschaubar, klagt auch der Wehrbeauftragte Peter Bartels.
    Denn die Beharrungskräfte sind im Rüstungsgeschäft groß. In diesem Punkt sind sich die schwierigen Partner durchaus ähnlich. Verkrustungen gibt es auf beiden Seiten: im Beamten-Apparat der Bundeswehr, aber eben auch in den Rüstungskonzernen.
    Kaum jemand kennt die Widerstände der alten Netzwerke so gut wie Jana Rosenmann. Die quirlige Südafrikanerin ist eine Exotin: eine Frau in einer Spitzenposition im Verteidigungsgeschäft. Sie leitet alle Drohnen-Programme des Airbus-Konzernes. Es geht durch Drehtore, gesicherte Türen durch ein schmuckloses Gebäude. Doch kaum betritt man Jana Rosenmanns Etage, leuchten knallige Farben, laden Lounge-Ecken zu lockeren Gesprächen ein. Sie wolle eine entspanntere, kreative Atmosphäre, sprudelt es aus Rosenmann heraus.
    Drohnenbau sei High-Tech mit der Geschwindigkeit des Silicon Valley. Da dürften die Büros nicht wie in einer Kaserne aussehen. Im ganzen Rüstungsgeschäft brauche es solche Veränderungen. Deswegen habe sie allen Respekt vor Staatssekretärin Suder, die es mit dem Apparat der Bundeswehr aufgenommen habe:
    "Sie hat eine extrem schwierige Aufgabe. Weil man versucht, da Prozesse zu ändern und auch zu verbessern und das ist nicht so einfach. Wir reden über sehr komplexe Beschaffungsprozesse. Und man versucht, den richtigen Weg zu finden. Dafür braucht man Zeit. Man kann nicht erwarten, dass innerhalb von 12 Monaten alles super laufen wird. Aber ich glaube, sie und auch ihr Team sind auf dem richtigen Weg.
    Auch wir als Industrie müssen uns anpassen. Es ist schwieriger für uns geworden, uns da durchzusetzen. Wir müssen auch mehr Risiko übernehmen. Und das ist auch die Erwartung der Kundenseite zu sagen: Industrie, Du kriegst Unterstützung von uns. Aber Industrie, Du musst jetzt auch bereit sein, Risiko anzunehmen und Deine Programme gut aufzusetzen. Ich hoffe, dass sie so weitermacht."
    Krauss-Maffei Wegmann Geschäftsführer Frank Haun und der französische Nexter-Chef Philippe Burtin am 29. Juli 2015. 
    KMW-Geschäftsführer Frank Haun und der französische Nexter-Chef Philippe Burtin. (dpa / picture-alliance / Etienne Laurent)
    Skepsis gegenüber Ankündigungen aus Berlin
    Zurück nach Allach, zu Krauss-Maffei Wegmann. Dort ist man bisher noch skeptisch, ob den großen Ankündigungen aus Berlin auch konkrete Aufträge folgen werden. Geschäftsführer Frank Haun jedenfalls hat schon eine Konsequenz gezogen: Er fusioniert gerade seine Firma mit dem französischen Konkurrenten Nexter. Ähnlich wie der multinationale Airbus-Konzern will er ein europäisches Rüstungsunternehmen aufbauen, das weniger abhängig von einzelnen Regierungen ist. Kritiker sagen, Haun gehe es vor allem darum, die strengen deutschen Export-Beschränkungen zu umgehen. Das weist er von sich:
    "Dass Frankreich ein anderes Verhalten zu wehrtechnischen Export hat als Deutschland, das ist nun hinlänglich bekannt. Aber wenn mir dann gesagt wird, Du machst das nur, dass Du dann Leoparden über Paris in alle Welt verkaufen kannst, dann ist das vollkommener Unfug. Alles, was wir hier in Deutschland machen, das unterliegt deutschem Exportkontrollrecht. Das heißt: Wenn ich etwas nach Paris liefere, was Paris weiterverkaufen möchte, dann muss das die Bundesregierung in Berlin positiv bescheiden. Ansonsten geht das nicht.
    Aber die Frage, die man sich nun stellen darf, ist: Was ist denn, wenn wir in Zukunft gemeinsam ein neues Produkt deutsch-französisch entwickeln? Ich denke, dann braucht man eine Verabredung zwischen zwei Regierungen, was damit gemacht werden darf, und wohin man es vor allem exportieren kann. Ich gehe davon aus, dass wir in einer absehbarer Zeit eine solche Vereinbarung haben werden, denn die ist dann die Basis gemeinsamer neuer Produkte."
    Ein erstes neues Produkt könnte ein Nachfolger des Leopard 2 sein:
    "Damit könnte man recht schnell rechnen, weil wir arbeiten an dem Thema schon eine ganze Weile - hier in Deutschland, und natürlich arbeiten auch die Franzosen daran schon eine Weile. Die offizielle Planung, die ich kenne: Seit 2012, also lange vor unserem Zusammenschluss, gab es diese Entscheidung, die Anforderungen an ein neues Kampfsystem gemeinsam – also deutsch-französisch – zu schreiben. Der Prozess ist gestartet in der Absicht, im Jahre 2030 oder 2035 einen neuen Kampfpanzer einzuführen. Wie immer der dann auch aussieht."
    Gabriel kritisiert Export nach Katar
    Dann aber dürfte dem Unternehmen, vor allem aber der Bundesregierung eine neue Export-Debatte ins Haus stehen. Denn schon der heutige Leopard ist international ein Bestseller. Nato-Partner wie die Niederlande oder Kanada haben ihn gekauft, aber eben auch autoritäre Staaten wie Katar und Saudi-Arabien.
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußert sich (03.02.2017) vor dem Deutschen Haus in New York.
    Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagt, die Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien waren falsch. (dpa picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Dem langjährigen Wirtschafts- und heutigen Außenminister Sigmar Gabriel von der SPD sind solche Deals ein Dorn im Auge. Er verwies immer darauf, dass die Export-Genehmigung für Katar vor seiner Amtszeit gefallen sei. Und das Saudi-Geschäft sei ein klarer Fehler gewesen:
    "Dass Saudi-Arabien in den letzten Jahren mit aus Deutschland gelieferten Panzern dann Demonstrationen im Nachbarstaat Bahrain unterdrückt hat, ist für mich ein Zeichen dafür, dass die Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien damals aus meiner Sicht falsch gewesen sind. Das ist der Grund, warum ich jetzt keine hinliefere. Um mal ein konkretes Beispiel zu machen."
    Das sagte Sigmar Gabriel vor gut zwei Jahren bei einer Anhörung des Petitionsausschusses im Bundestag. Damals ging es um die Frage, ob man Rüstungsexporte nicht ganz abschaffen könnte. Damit würde man es sich aber zu einfach machen, auch moralisch, so Gabriel.
    "Ich glaube, dass man sich bei der Frage des Umgangs mit Waffen immer schuldig machen kann. Man kann sich durch das Liefern von Waffen schuldig machen. Und man kann sich durch das Nicht-Liefern von Waffen schuldig machen. Die Peschmerga sind – wie ich finde – ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was passiert wäre, wenn wir sie nicht unterstützt hätten. Und man kann ja nicht sagen, dann hätten es halt andere machen müssen.
    Sondern: Wenn man die grundsätzliche Einstellung hat, Deutschland darf zum Beispiel die Kurden und Jesiden durch Waffenlieferungen an die Peschmerga, die sie gegen den IS verteidigt haben, nicht unterstützen, dann muss man die grundsätzliche Haltung einnehmen. Jeder andere soll es auch nicht tun. Dann wären die Jesiden vermutlich inzwischen ausgerottet."
    Wer entscheidet künftig über Waffenexporte?
    Mittlerweile ist umstritten, wer überhaupt künftig über die deutschen Waffenexporte entscheiden soll. Bis heute tut dies der Bundessicherheitsrat, ein geheim tagendes und entscheidendes Gremium, das von der Regierung und der Bundeswehr besetzt wird. Es gibt aber auch Forderungen, künftig den Bundestag öffentlich diskutieren und entscheiden zu lassen.
    Auf absehbare Zeit dürften deutsche Rüstungsexporte allerdings weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit genehmigt oder untersagt werden. Dass dabei Fehler passieren, dürfte auf der Hand liegen. So verstehen heute selbst die Befürworter laxer Regelungen nicht, wie eine Bundesregierung je darauf kommen konnte, Ländern wie Kolumbien und Saudi-Arabien nicht nur Gewehre zu liefern, sondern gleich komplette Gewehr-Fabriken, zum Beispiel für das G3 von Heckler & Koch.