Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Rüstungskontrolle
Dem INF-Vertrag droht das Ende

Am Samstag endet das Ultimatum der US-Regierung an Russland, sich an den INF-Vertrag zu halten. Weil beide Seiten nicht aufeinanderzugehen, könnte Washington das Papier aufkündigen. Die Trauer darüber hält sich bei der Trump-Regierung in Grenzen.

Von Martin Ganslmeier | 01.02.2019
    Das Bild zeigt US-Präsident Donald Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
    Es droht ein neues atomares Wettrüsten - Trump und Putin finden offenbar keine Lösung (dpa-Bildfunk / AP / Evan Vucci)
    Seit über fünf Jahren wirft die US-Regierung Russland vor, eine neue landgestützte, atomar bestückbare Mittelstreckenrakete entwickelt zu haben. Der neue russische Marschflugkörper hat nach Erkenntnissen von US-Geheimdiensten eine Reichweite von etwa 2.500 Kilometern. Schon die Obama-Regierung sah darin einen Verstoß Russlands gegen den Abrüstungsvertrag. Obama hielt dennoch am INF-Abkommen fest, weil die europäischen Verbündeten ein neues atomares Wettrüsten in Europa befürchteten. Anders Donald Trump: Er kündigte Ende Oktober ohne Abstimmung mit den Europäern den Ausstieg aus dem Abrüstungsvertrag an:
    "Russland hat gegen das Abkommen verstoßen, und das seit vielen Jahren. Ich weiß nicht, warum Präsident Obama nicht ausgestiegen ist oder nachverhandelt hat. Wir werden jedenfalls nicht zulassen, dass Russland ein Nuklearabkommen verletzt."
    Gespräche ohne Fortschritte
    Auch wenn die europäischen Nato-Verbündeten ebenfalls überzeugt sind, dass Russlands neue Rakete gegen den Vertrag verstößt, so fühlten sie sich doch von der nicht abgestimmten Vertragskündigung überfahren. So kam es auch auf Initiative der Bundesregierung hin zu einer letzten 60-Tage-Frist an Russland. Doch Russland behauptet immer noch, die neue Rakete fliege nur 480 Kilometer weit - 20 Kilometer weniger als die Untergrenze für Mittelstrecken-Raketen. Eine Untersuchung der neuen Rakete durch unabhängige Experten lehnt Russland bislang ab. Auch die Gespräche in den letzten Wochen verliefen ohne Fortschritte, so das ernüchternde Fazit von Andrea Thompson, der im US-Außenministerium für Rüstungskontrolle zuständigen Staatssekretärin.
    "Rüstungskontroll-Verträge funktionieren nur, wenn sich alle Beteiligten daran halten und Verstöße Konsequenzen haben. Wenn wir Verstöße weiter zulassen, dann unterminieren wir alle Abrüstungsverträge."
    Thompson sagte, die US-Regierung sei zwar weiter für Gespräche offen. Wenn sich Russland aber bis zum Ablauf der Frist am Samstag weiter nicht bewege, werde die US-Regierung den INF-Vertrag kündigen. Dann könnten die USA nach einer Übergangszeit von sechs Monaten ebenfalls neue Mittelstrecken-Raketen in Europa stationieren. Weil dies jedoch auf großen Widerstand der Bevölkerung in Europa stoßen würde, plant das Pentagon bereits den Einsatz see-gestützter atomarer Marschflugkörper.
    USA sehen sich benachteiligt
    Ohnehin hält sich in der Trump-Regierung die Trauer über das Ende des INF-Vertrages in Grenzen. Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton kritisiert seit langem, das über 30 Jahre alte Abkommen benachteilige Amerika gegenüber den neuen Atommächten:
    "China, Iran, Nordkorea - sie alle sind nicht an den INF-Vertrag gebunden. Sonst würde fast die Hälfte der chinesischen Raketen gegen das Verbot von Mittelstrecken-Raketen verstoßen."
    Tatsächlich hat China zwar die USA und Russland aufgefordert, sich weiter an das Verbot von Mittelstrecken-Raketen zu halten. China selbst lehnt es aber ab, dem INF-Vertrag beizutreten oder - was aus europäischer Sicht die beste Lösung wäre - sich einem neuen weltweiten Abrüstungsvertrag anzuschließen.
    Wenn den Europäern nicht doch noch ein diplomatischer Coup gelingt, dann sieht alles nach einem neuen atomaren Wettrüsten zwischen Amerika, Russland und China aus. Auch deshalb kündigte US-Präsident Trump kürzlich bereits die Entwicklung eines Raketenabwehrsystems im Weltraum an.