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Ruhestand nach 114 Semestern

Der 87-jährige Prof. Karl Dietrich Adam ist Geologe, Paläontologe und Museumsgestalter. An der Uni Stuttgart hat er nach 114 Semestern seine Abschiedsvorlesung über den vor 75 Jahren in Streinheim gefundenen Schädel des Urmenschen gehalten.

von Cajo Kutzbach | 08.07.2008
    "O Gott ... Ja. Ich habe noch nie mich eines Mikrofons bedient."

    Prof. Karl Dietrich Adam, Geologe, Paläontologe, verhinderter Mediziner (er musste Geld verdienen), Urgeschichtler und Museumsgestalter will das dann auch bei seiner letzten Vorlesung nach 114 Semestern nicht anfangen. Seine Stimme genügt für den Hörsaal mit 250 Plätzen von denen zwei Drittel belegt sind. Warum sind sie gekommen?

    "Ich bin hier her gekommen, weil ich hab' hier mal ne Vorlesung gehört beim Prof. Adam. Jetzt wo er die letzte Vorlesung heute Abend macht, dacht ich mir, dass muss ich mir noch mal antun, da komm ich vorbei, genieße die schönen Stunden."

    "Ich besuch' hobbymäßig die Vorlesungen, bin inzwischen in Rente. Es interessiert mich halt."

    "Wir kommen eigentlich aus der technischen Richtung und wenn's auch nur vier oder fünf Samstage bei ihm waren, hat uns das doch 'nen bleibenden Eindruck hinterlassen und auch weil uns Prof. Adam einen sehr sympathischen Eindruck hinterlassen hat."

    Wer Technik studiert muss nämlich ein nichttechnisches Fach zur Erweiterung des Horizonts belegen.

    Prof. Adam packt eine Kopie des Steinheimer Schädels aus, einen Faustkeil und einen Wecker, damit er nicht zu lange sprechen müsse, verrät er. Dann erklärt er begeistert an Hand von Dias, woran man erkennen kann, dass die Steinheimerin vor einer Viertel Million Jahren lebte und, dass sie wohl Schamanin war.
    Warum macht ihm die Lehre so viel Freude, während viele sie als Last beklagen?

    "Ich habe an der Lehre stets einen großen Gewinn gehabt, denn die Lehre ist dafür verantwortlich, dass man auf seinem gesamten Fachgebiet auf dem Laufenden bleibt. Wenn man der Forschung huldigt, dann wird man sehr leicht und unter Umständen sehr schnell zu einem Fachidioten."

    Karl Dietrich Adam bemängelt auch, dass Universitätslehrer keinerlei pädagogische Ausbildung bekommen und sich die Vorschriften jährlich ändern. Er spricht frei. Seine Sprache ist nicht modern, aber sie ist klar, humorvoll und anschaulich.

    "Ich habe viel Bewunderung dafür, dass er in dem Alter noch so fit ist und Vorträge halt macht."

    "Können sich da andere Profs noch mit messen?"

    "Also ich kenn keine. Vielleicht gibt es welche, aber mir sind keine bekannt."

    Prof. Karl Stahr, ehemaliger Schüler, heute Geologe an der Universität Hohenheim, erinnert sich gern an sein Studium in den 60er Jahren:

    "Zu Adam ging man, weil es Spaß gemacht hat, nicht weil man's unbedingt lernen musste."

    Prof. Eckart Olshausen, an dessen Historischem Institut Adam lehrte, sagt über den Kollegen:

    "Das ist ein warmherziger Kollege, der auf Formen sehr viel Wert legt und seine Vorträge hört man gerne und besonders, wenn man nicht aus dem Fach ist, dann muss man geholt werden. Und er hat sie alle geholt!"

    Weil er Freude an seinem Wissen ausstrahlt. Er bedankte sich deshalb am Schluss nicht nur bei Kollegen und Freundeskreis, sondern auch bei den Studierenden.

    "Ich möchte ganz besonders danken den jungen Kommilitoninnen und Kommilitonen, die nach hier gekommen sind, und die mir von Semester zu Semester so viel Freude bereitet haben. Denn für ei¬nen Dozenten, da gibt es doch nichts Erfreulicheres als die Forschung mit der Lehre zu verbinden um zu erleben, wie das eigene Gebiet, wie das in jungen Menschen ankommt, wie sie mitdenken, wie sie mitarbeiten. Da habe ich so viel Kraft gefunden und gewonnen."

    Und deshalb hört er auch nur mit den prüfungsrelevanten Vorlesungen auf. Er fürchtet, dass seine Studenten keine Noten bekämen, und dadurch ein Semester verlieren, wenn ihm etwas zustieße. - Aber was ist mit dem Studium Generale?

    "Ich bin jederzeit verfügbar, ich mache gerne weiter..."