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Rumänien
Gesetz gegen Amtsmissbrauch wird nach Protesten überarbeitet

Im Februar sind Hunderttausende Rumänen in Bukarest auf die Straße gegangen, um gegen einen umstrittenen Eilerlass zum Amtsmissbrauch zu protestieren. In dieser Woche will das Justizministerium deshalb einen neuen Gesetzentwurf vorgelegen. Doch ein kleiner Kreis hält am Protest fest - sie fürchten, dass der Spielraum für korrupte Politiker zu groß bleibt.

Von Annett Müller | 11.04.2017
    Der 38-jährige Unternehmer Constantin Paraschiv hält auf dem Piata Victoriei in Bukarest die Stellung und demonstriert seit über zwei Monaten gegen Korruption in Rumänien.
    Der Unternehmer Constantin Paraschiv hält auf dem Piata Victoriei in Bukarest die Stellung und demonstriert seit über zwei Monaten gegen Korruption in Rumänien (Deutschlandradio / Annett Müller)
    Vor dem Regierungsgebäude am Piata Victoriei in Bukarest fahren die Autos Stoßstange an Stoßstange. Dazwischen sitzt auf einer großen Verkehrsinsel Constantin Paraschiv auf einem Campingstuhl und arbeitet in aller Seelenruhe an seinem Notebook. Der 38-jährige Unternehmer nennt die Verkehrsinsel sein derzeitiges mobiles Büro:
    "Vor Jahren besaß ich eine Konditorei, in der ich ständig staatliche Kontrollen am Hals hatte. Die Beamten wollten aber in Wirklichkeit, dass ich sie mit Kuchen gratis beliefere - ob zum Geburtstag oder zur Hochzeit. Sie drohten, sie würden sonst bei ihrer Kontrolle garantiert etwas finden. Damals habe ich noch mitgemacht."
    Funktionäre, wie Paraschiv sie kennengelernt hat, sollten künftig in Rumänien straffrei ausgehen - vorausgesetzt, der durch sie verursachte Schaden hätte nicht mehr als 45.000 Euro betragen. Diesen Spielraum wollten viele Rumänen korrupten Funktionären und Politikern nicht geben.
    Der umstrittene Eilerlass der Regierung zum Amtsmissbrauch trieb im Februar Hunderttausende Menschen auf den Piata Victoriei, darunter auch Constantin Paraschiv. Zwei Monate später ist der Unternehmer immer noch da:
    "Wir halten hier den Protest wie eine Art ewige Flamme wach. Ich bin mir sicher, dass sich eine Menge Leute von uns vertreten fühlen, auch wenn sie selbst nicht hier sind."
    Zäher Protest: Jeden Tag findet eine Mahnwache vor dem Regierungsgebäude statt
    Tagsüber wechselt sich Paraschiv bei seiner Mahnwache vor dem Regierungsgebäude mit einer Handvoll anderer Unternehmer ab - ganz gleich ob es regnet, die Sonne brennt oder die Luft voller Abgase ist. Am Abend wächst die Gruppe auf 50 bis 100 Leute an. Darunter ist häufig auch die 59-jährige Rentnerin Verginia Curtuius:
    "Die Regierenden sollen spüren, dass wir sie im Blick haben. Sie sollen nicht denken, dass wir aufgegeben haben. Klar sind wir nur noch wenige. Doch die Regierungsmitglieder sehen uns hier jeden Tag, wenn sie zur Arbeit kommen, und wir sind unbequem für sie."
    Der Eilerlass der sozialliberalen Regierung zum Amtsmissbrauch ist zwar vom Tisch, das Thema aber nicht. Schon im vorigen Jahr drängte das Verfassungsgericht auf eine präzisere Rechtsprechung, wann Amtsmissbrauch strafrechtlich verfolgt werden sollte und wann nicht. Eigentlich hat Rumänien auf Druck der EU europaweit bislang eine der strengsten Regelungen. Doch ist diese äußert vage formuliert, meint Maria Andreescu von der Menschenrechtsorganisation APADOR-CH:
    "Wir sollten ein für alle Mal klären, was man unter Amtsmissbrauch versteht, damit er nicht verschieden ausgelegt werden kann. Es gibt Gerichte, die einen bei diesem Tatbestand freigesprochen haben, es gibt andere, die Angeklagte dafür verurteilt haben. Es ist ein riesiger Nachteil, dass wir in Rumänien keine einheitliche Rechtsprechung haben. Deshalb müssen die Strafgesetze umso klarer formuliert sein."
    Der Justizminister will nun einen neuen Gesetzentwurf vorlegen
    Ermittlungen gegen Amtsmissbrauch gibt es in Rumänien zur Genüge. Die Antikorruptionsbehörde DNA ermittelte im vorigen Jahr allein gegen ein Drittel aller Kreisratschefs. Der politische Druck auf die Antikorruptionsbehörde aber auch auf das Justizministerium ist damit entsprechend hoch.
    In dieser Woche will der parteilose Justizminister Tudorel Toader einen neuen Gesetzentwurf vorlegen. Auf eine Schadenssumme will er bewusst verzichten. Die hätte vermutlich wieder einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, meint Maria Andreescu von APADOR-CH:
    "Es ist kein guter Zeitpunkt für eine rationale Debatte. Das heißt aber nicht, dass die Regierung nicht an dem Thema arbeiten sollte. Sie muss hier offen und transparent vorgehen. Die Regierung kann nur wieder Vertrauen aufbauen, indem sie sich anders verhält als bislang."
    Letztes Wort bei der Neuregelung hat aber das Parlament. Dass es objektiv über das Thema diskutieren wird, glaubt Rentnerin Verginia Curtuius jedoch nicht. Denn ein Teil der Abgeordneten ist bereits verurteilt oder hat derzeit Prozesse laufen - auch wegen Amtsmissbrauch.
    "Ich finde, wer Probleme mit dem Gesetz hat, dürfte weder der Regierung, noch dem Parlament angehören. Dann wäre ich zufrieden und würde hier auch nicht mehr protestieren."