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Rumänien
Kampf für einen politischen Neuanfang

Sie sind jung, gebildet und wollen ihr Land neu aufbauen: Die Demonstranten, die Rumäniens Ministerpräsidenten Victor Ponta zu Fall brachten. Der Rücktritt Pontas reicht ihnen nicht. Sie wollen die komplette politische Klasse ersetzen. An ihrer Seite: die Antikorruptionsbehörde.

Von Manfred Götzke | 11.11.2015
    A Romanian man holding a placard that reads 'I WANT A FUTURE FOR MY COUNTRY' shouts slogans against the political establishment during a rally in reaction to the nightclub fire accident at University Plaza in downtown Bucharest, Romania, 06 November 2015.
    Ein Mann demonstriert Anfang November in Bukarest. (dpa / Robert Ghement)
    "Korruption tötet", skandieren Tausende Demonstranten auf dem Universitätsplatz im Zentrum von Bukarest. Sie meinen das wörtlich.
    "Ich hoffe, dass die Leute verstehen, dass Korruption nicht nur ein ökonomisches Problem ist. Korruption tötet. Das hat uns diese Katastrophe jetzt ja leider gezeigt."
    Gemeint ist die Brandkatastrophe im Bukarester Kellerklub "Colectiv" Ende Oktober. Bei der Demonstration leuchtet in der Mitte des Platzes ein Kreuz aus 28 Kerzen - eine für jeden Menschen, der in den Flammen ums Leben gekommen ist. Doch in den folgenden Tagen werden es immer mehr Kerzen - denn viele Menschen sterben an den Folgen ihrer schweren Brandverletzungen. Insgesamt steigt die Zahl der Opfer auf 50. Für die Demonstranten: ein Fall von Staatsversagen.
    "Das ist doch üblich hier. Alle Genehmigungen werden über Nacht gegeben, und nur mit Schmiergeld. Hier kannst du gar nichts erreichen, ohne die Leute, die entscheiden, zu bestechen. Das muss alles radikal verändert werden."
    An dem Unfallabend hatte Rumäniens bekannteste Metal-Band in dem Klub ihre neue Single "The day we die" präsentiert - mit Licht und Feuerwerkshow. Sekunden, nachdem die Pyrotechnik gezündet wurde, fing die Schallisolierung Feuer, der Klub geriet in Brand. Um Geld zu sparen, hatten die Eigentümer kein feuerfestes Material verwendet. Die Staatsanwaltschaft wirft den Eigentümern nun fahrlässige Tötung vor. Auch gegen die Stadtverwaltung wird ermittelt.
    "Dieser Klub hätte nie eine Genehmigung bekommen dürfen, natürlich wurden die Behörden geschmiert. Sie hätten intervenieren können - haben aber nichts getan."
    Zur gemeinsamen Trauer auf den Universitätsplatz kommen erst nur einige hundert junge Leute. Doch binnen Minuten schwillt die Demonstration auf 25.000 Menschen an. Die Trauer schlägt in Wut um. Wut auf die Bezirks-Verwaltung, Wut auf den Innenminister, auf den Ministerpräsidenten.
    Irgendwann strömen die Demonstranten auf den vierspurigen Boulevard und marschieren vor den Victoria-Palast, den Sitz der Regierung von Ministerpräsident Victor Ponta.
    "Weg mit der Regierung, weg mit Ponta," skandieren sie. Und: "Ponta, wir vergessen nicht". Für die Demonstranten ist die Katastrophe im Klub "Colectiv" ein Symbol für eine korrupte politische Kaste, die nur in ihre eigene Tasche wirtschaftet - und keine Verantwortung übernimmt.
    "Schauen wir uns unsere Politiker doch an: Wir haben einen Premierminister, der strafrechtlich verfolgt wird. Und in der Opposition: dasselbe. Gegen die Mehrheit der oppositionellen Abgeordneten wird ermittelt. Wir haben keine politische Klasse mehr in Rumänien."
    Der Rücktritt kommt überraschend
    Am folgenden Tag, es ist der Mittwoch vergangener Woche, geschieht, womit zu diesem Zeitpunkt kaum einer rechnet. Victor Ponta, der hoch umstrittene Ministerpräsident des Landes, erklärt seinen Rücktritt, und den seiner kompletten Regierung:
    "Es wäre nicht gerecht, die Verantwortung jetzt auf andere abzuschieben, weder auf die Leute vor Ort, auf die Bürgermeister, auf die Minister. Ich bin bereit, den Schritt zu tun, den ein wichtiger Teil der Gesellschaft von mir fordert und lege mein Mandat als Ministerpräsident heute nieder."
    Der Rücktritt kommt überraschend, denn bislang hielt sich der Sozialdemokrat gegen alle Widerstände - und Rücktrittsforderungen an der Macht. 2012 wird er des Plagiierens überführt. Er hatte seine Doktorarbeit komplett abgeschrieben. Für Ponta kein Grund hinzuwerfen. Im April dieses Jahres nimmt die Antikorruptionsbehörde Ermittlungen gegen den Regierungschef auf, wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Dokumentenfälschung. Am 19. September wird Anklage erhoben. Für Ponta noch immer kein Rücktrittsgrund. Doch die Wut der Demonstranten auf Bukarests Straßen - das war nun offenbar auch für Ponta zu viel.
    "Ich bin es gewohnt, gegen jeden politischen Gegner zu kämpfen, gegen das Volk kämpfe ich nicht."
    So seine offizielle Erklärung im rumänischen Staatsfernsehen. Manche Beobachter halten die Demonstrationen nur für einen willkommen Anlass für seine Partei, den verhassten Regierungschef gesichtswahrend aus dem Rennen zu nehmen. So oder so: Die Erleichterung in Rumänien ist groß. Am frühen Abend gibt Staatspräsident Klaus Johannis eine Erklärung ab.
    "Am Ende, spät, sehr spät, hat die Regierung ihren Rücktritt erklärt. Es mussten erst Menschen sterben, damit das passiert."
    Victor Ponta geht an einer EU-Flagge vorbei.
    Ministerpräsident Victor Ponta räumte seinen Posten. (Archiv-Bild) (picture alliance / dpa / Robert Ghement)
    Johannis hatte in den vergangenen Monaten immer wieder Pontas Rücktritt gefordert - zwingen konnte er ihn dazu allerdings nicht. Johannis ist seit einem Jahr im Amt. Die Rumänen hatten den deutschstämmigen ehemaligen Bürgermeister von Hermannstadt mit überwältigender Mehrheit gewählt. Er galt und gilt noch immer als unbestechlich. Schon damals wollten die Rumänen den Neuanfang. Doch ohne eigene Mehrheiten im Parlament konnte Johannis wenig umsetzen. Jetzt, in diesen turbulenten Tagen, ist er die entscheidende Figur im politischen Machtgefüge des Landes.
    "Mit dem Rücktritt ist aber noch nicht viel erreicht. Dieser Rücktritt ist nur ein Schritt für einen Wandel der rumänischen Politik. Einen Wandel zu einer Politik, die wir uns alle wünschen: effizient, pragmatisch, transparent."
    Auch am Abend nach dem Rücktritt Pontas - und des Bukarester Bezirksbürgermeisters strömen die Demonstranten wieder auf die Straßen der Hauptstadt. Sie sind noch immer wütend.
    "Wir lassen uns nicht kaufen von zwei Rücktritten", skandieren sie. Und:
    "Toate partidele, acelas miserie" - alle Parteien, die gleiche Misere.
    Lange Zeit schienen die Bürger Rumäniens resigniert
    Seit der Wende wechseln sich in Rumänien zwei Parteienbündnisse an der Regierung ab. Die konservativ-liberalen, denen Klaus Johannis angehörte, bevor er Präsident wurde. Und die Sozialdemokraten des jetzt zurückgetretenen Victor Ponta. Eine Partei, die nach der Wende von Kadern des alten Systems und Securitate-Leuten geführt wurde - noch heute werde sie von deren Kindern dominiert, heißt es.
    "Was passiert ist, reicht nicht, diese Rücktritte sind nur Fassade. Die komplette politische Klasse muss ersetzt werden. Wir müssen Leute wählen, wählen können, die uns repräsentieren. Die nicht nur in ihre eigenen Taschen wirtschaften."
    35.000 Menschen protestieren in dieser Nacht allein in Bukarest. Auch in anderen Großstädten, in Ias, Timisorara, Cluj, Brasov gehen die Menschen auf die Straße - insgesamt mehr als 70.000 in ganz Rumänien. Es sind die größten Demonstrationen seit der Wende.
    Lange Zeit schienen die Bürger Rumäniens resigniert. Sie hatten sich offenbar damit abgefunden, dass sie Ärzte für eine Behandlung schmieren müssen, Lehrer für eine angemessene Note - oder Dorfbürgermeister für einen Hochzeitstermin. Die Wahlbeteiligung war im Keller, dümpelte bei den beiden vergangenen Parlamentswahlen um 40 Prozent. Die Zivilgesellschaft schien abgetaucht zu sein. Das hat sich nun innerhalb weniger Tage völlig verändert. "Romania Traizeste te - Rumänien wach auf", rufen sie auf dem Universitätsplatz immer wieder.
    Der Geschichtsstudent Alexandru Nica ist mit ein paar Kommilitonen hierher gekommen. Alle haben die gleichen kleinen Banner mit ihren Forderungen dabei, laminierte DIN 4-Blätter, in Rot Geld blau, den rumänischen Nationalfarben.
    "Hier steht: Neue Parteien, neuer Anfang - ihr seid die Vergangenheit. Für mich gibt es keine Parteien mehr, sondern nur noch eine Ansammlung von Kriminellen, die sich die Hand reichen und alle Schlüsselpositionen besetzen. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass sich Leute finden, die das Land führen können."
    Die jungen Leute bleiben in Rumänien
    In allen Ländern des ehemaligen Ostblocks gab und gibt es Korruption und Misswirtschaft, doch wohl nirgendwo so stark ausgeprägt wie in Rumänien. Das Land erholt sich viel langsamer von den Jahrzehnten sozialistischer Diktatur als etwa Polen, Tschechien oder die baltischen Staaten. Auf dem Korruptionsindex von Transparency International liegt Rumänien auf Rang 69 hinter Ländern wie Ruanda, Oman und Bulgarien. Aber auch: vor Italien. Der Durchschnittslohn in Rumänien liegt bei rund 400 Euro, die Infrastruktur ist völlig unterentwickelt. Der rumänische Top-Ökonom Lucian Albu, Chef des nationalen Prognoseinstituts, macht die Korruption dafür zumindest mitverantwortlich:
    "Die Korruption behindert seit den 90er-Jahren unsere Marktwirtschaft. Sie befällt unser Gesundheitssystem - und sie behindert messbar unser Wirtschaftswachstum. Die Verteilung der Ressourcen, unsere Wettbewerbsfähigkeit und unser Wirtschaftswachstum leiden massiv unter der Korruption. Man wird Korruption nie völlig eliminieren können - aber wir müssen ein Niveau erreichen wie, sagen wir mal in Westeuropa."
    Jahrelang kehrten gut ausgebildete Rumänen ihrem Land den Rücken. Hunderttausende Ärzte, IT-Spezialisten oder Ingenieure sind nach Spanien, Italien oder Großbritannien ausgewandert. Insgesamt drei Millionen Rumänen leben im Ausland.
    Doch die jungen Leute, die jetzt die Universitäten verlassen, bleiben in Rumänien. Die Demonstranten auf dem Bukarester Universitätsplatz sind fast alle jünger als 30. Hier protestiert eine junge, gebildete Generation, die für ein besseres, sauberes Rumänien kämpft und das Land neu aufbauen will.
    "Viele junge Leute sind bereit, sie sind motiviert, selbst in die Politik zu gehen - sie hatten bisher keine Chance. Wir werden jeden Abend wieder kommen, bis sie verstehen, dass wir nicht immer nur dieselben zwei, drei alten Parteien wählen wollen. Dass wir einen Neuanfang brauchen."
    An einem Novembermorgen stehen sich Kameramänner und Journalisten am Boulevard Stirbei Voda die Beine in den Bauch. Hier, einen guten Kilometer vom Platz des Protests entfernt, sitzt die Nationale Antikorruptionsbehörde DNA, die an diesem Neuanfang mitarbeitet. Auf die die Demonstranten ihre Hoffnungen setzen, und die die Politiker so fürchten.
    Vor dem Haupteingang sirren die Übertragungswagen, die Journalisten lassen sich die Herbstsonne ins Gesicht scheinen. Sie warten heute auf eine ehemalige Tourismusministerin. Gegen sie wird wegen Vorteilsnahme ermittelt. Sie hat einen ungewöhnlich günstigen Kredit von einem befreundeten Topbanker bekommen, über mehr als drei Millionen Euro.
    Die Journalisten sind jeden Tag hier, erzählt die Beamtin Livia Saplacan, während sie durch die weitläufigen Flure der Behörde führt.
    "Für uns ist das sehr unangenehm, immer wenn wir in die Mittagspause gehen und die Tür öffnen, stürzen sie sich auf uns. Es könnte ja ein Politiker rauskommen."
    "Sie lernen nicht daraus - sie bleiben korrupt"
    Saplacan führt in das Büro ihrer Chefin Laura Codruta Kövesi. Sie ist Rumäniens oberste Korruptionsbekämpferin. Ihr Amtszimmer ist groß, aber spartanisch eingerichtet. Auf dem simplen Holzschreibtisch stehen nur ein Monitor und ein Drucker. Die kahlen Wände ziert nur ein großes Logo der Behörde: eine Justitia mit Waage und Schwert.
    "Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir unerbittlich sind - aber unabhängig arbeiten. Wir haben gegen Politiker aus allen Parteien, in allen Regionen ermittelt. Vor allem aber: 90 Prozent der Politiker, die wir anklagen, werden später auch verurteilt."
    2002 hat die damalige Justizministerin Monica Macovei die Behörde gegründet, um die Korruption an der Staatsspitze zu bekämpfen - und Rumänien fit zu machen für die EU. Die DNA ermittelt ausschließlich gegen Politiker und hohe Beamte. Damit haben wir hier leider genug zu tun, sagt Laura Kövesi fast resigniert. Die 42-jährige Spitzenjuristin beugt sich aus ihrem Sessel vor, streicht die schwarzen schulterlangen Haare aus dem Gesicht.
    "Leider werden wir nicht überflüssig, im Gegenteil: Obwohl wir jedes Jahr immer mehr Politiker anklagen und verurteilen - sie lernen nicht daraus, sie bleiben korrupt. Man kann sich das ja kaum vorstellen: Die Hälfte unserer Bürgermeister wurde von uns vorgeladen, sind angeklagt oder verurteilt - und trotzdem lassen sich die anderen weiter bestechen."
    Kövesi geht zu ihrem Rechner und druckt die neuesten Ermittlungserfolge aus. Bis Oktober dieses Jahres haben sie so viele Politiker angeklagt wie in keinem anderen Jahr zuvor.
    "Also allein bis Oktober hatten wir hier 14 Parlamentarier, vier Minister, zehn Bürgermeister von Großstädten und neun Landräte."
    Die ehemalige rumänische Justizministerin Monica Macovei, sprechend, Porträt.
    Die ehemalige Justizministerin Monica Macovei hatte die rumänische Antikorruptionsbehörde 2002 gegründet. (imago/stock&people/Metodi Popow)
    Ihren größten Coup hat sie noch nicht auf der Liste vermerkt, sagt Kövesi. Victor Ponta. Im September hat ihre Behörde ihn wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Dokumentenfälschung angeklagt. Vor sieben Jahren habe Ponta als Rechtsanwalt fiktive Leistungen in Rechnung gestellt, die Begründung für die Rechnungen gefälscht, so die Anklage. Von den Honoraren habe er sich unter anderem zwei Wohnungen gekauft. Die betroffene Kanzlei wurde damals von Pontas Parteifreund Dan Sova geleitet. Ponta holte ihn später als Minister in sein Kabinett.
    "Das war trotzdem eine Ermittlung wie jede andere, klar nach dem Prinzip: Keiner steht über dem Gesetz. Warten wir ab, wie das Gericht entscheidet."
    Dass Ponta trotz der Anklage zunächst nicht zurückgetreten ist, will Kövesi, ganz Beamtin, nicht direkt kommentieren:
    "Ich kann dazu nur sagen, dass zum Teil sogar verurteilte Politiker nicht zurücktreten. Das ist nicht in Ordnung - und muss gesetzlich verboten werden. Wir haben hier Abgeordnete im Parlament sitzen, die wegen Korruption verurteilt sind. Und genau die verhindern, dass diese Gesetze geändert werden."
    "Es ist eine Bewegung der jungen Leute"
    Neuwahlen möglichst schon in ein paar Monaten müsse es geben, meint die Europaabgeordnete Monica Macovei:
    "Jetzt ist Pontas Partei am Boden, wir dürfen nicht abwarten, bis sie sich wieder erholt. Wenn wir möglichst schnell wählen, haben die kleinen, sauberen Parteien die besten Chancen."
    Freund: "Ja? Meinst Du wirklich? Jetzt oder in ein paar Monaten?"
    Die 56-jährige Politikerin sitzt im Büro der Nichtregierungsorganisation "Gruppe für den sozialen Dialog". Es ist ihr provisorisches Büro, seit sie von Bukarest nach Brüssel gewechselt ist. Jetzt diskutiert sie mit dem Vizechef der NGO. Natürlich gibt es seit dem Rücktritt von Victor Ponta auch hier nur ein Thema.
    Monica Macovei hat gerade mehrere Fernsehinterviews gegeben - die ehemalige Justizministerin Rumäniens ist zurzeit eine gefragte Gesprächspartnerin. Sie ist eine der wenigen Politikerinnen in Rumänien, die als integer und nicht korrumpierbar gelten. Schließlich war sie es, die die so wichtige Antikorruptionsbehörde Rumäniens, die DNA, gegründet hat. Wenn über einen Neuanfang in Rumänien diskutiert wird, fällt häufig ihr Name und der ihrer neu gegründeten Partei M10.
    "Das ehrt mich, aber es ist eine Bewegung der jungen Leute. Die 30- bis 40-Jährigen sollen jetzt das Land regieren. Die könnten die Hälfte der Wähler mobilisieren - vor allem auch diejenigen, die bisher nie gewählt haben. In die aktuelle politische Klasse habe auch ich kein Vertrauen mehr."
    Während des Gesprächs diktiert Macovei ihrer Mitarbeiterin Facebook-Mitteilungen - mit Links und Forderungen. Schon vor ein paar Tagen hat sie eine Liste mit Reformvorschlägen gepostet, die viele Gruppen unter den Demonstranten weitgehend übernommen haben:
    - Angeklagte Politiker sollen keine Immunität mehr genießen.
    - Wegen Korruption verurteilte Politiker dürfen kein politisches Amt mehr bekleiden.
    - Automatische Konfiszierung illegalen Vermögens.
    - Halbierung der Parlamentssitze - von 600 auf 300.
    "Nach nur einer Demonstration ist die Regierung zurückgetreten. Ich hoffe, dass die Demonstranten jetzt so lange auf die Straße gehen, bis einige dieser Dinge umgesetzt sind - sagen wir drei oder vier Kernforderungen."
    "Die Demonstranten müssen sich darüber klar werden, was sie genau wollen, das gemeinsam fordern - und so lange da bleiben, bis es vom Parlament umgesetzt wird."
    Denn:
    "Ein Gesetz ändern - kann das Parlament in einem Tag."
    Nur: Sie müssten sich schnell einig werden, sagt Macovei. Sonst bestehe die Gefahr, dass sich die Bewegung in diverse kleine Grüppchen aufspaltet - oder von Parteikadern unterwandert wird. Macovei ist zuversichtlich, dass in Rumänien jetzt wirklich ein Neuanfang gelingen kann.
    "Es werden jetzt neue Parteien entstehen, mit Leuten, die nicht nur Geld einsammeln wollen, sondern ihr Land lieben."
    "Ich meine, die Welt ändert sich jeden Tag und wir können dank eines neuen Gesetzes mit nur drei Mitgliedern eine neue Partei gründen. Das kann also sehr schnell gehen."
    "Klar, mit drei Leuten kann man zwar keine Wahl gewinnen, aber in zwei, drei Monaten könnten sie auch genügend Mitglieder bekommen. Da bin ich absolut sicher."
    "Das ist ein historischer Moment"
    Zwei Tage nach dem Rücktritt der Regierung Ponta tritt Präsident Klaus Johannis erneut vor die Presse. Er hat sich mit allen Parteien über die Bildung einer neuen Regierung beraten - aber auch mit Vertretern der Demonstranten.
    "Das war ein sehr gutes Treffen, die Leute aus den Reihen der Demonstranten sind mit ausgezeichneten Ideen gekommen, durchdachte Konzepte, die aus meiner Sicht auch umgesetzt werden könnten. Ich werde diese Ideen in die politischen Parteien tragen."
    Umsetzen könnte diese Ideen Dacian Ciolos. Gestern hat Johannis den ehemaligen EU-Landwirtschaftskommissar als Premier vorgeschlagen. Ciolos war einer der Favoriten der Demonstranten für dieses Amt. Wird er gewählt, soll er eine Regierung bis zur regulären Parlamentswahl im Herbst 2016 führen.
    "Eins ist deutlich geworden: Es geht jetzt nicht um einen Regierungswechsel. Wir brauchen einen kompletten Neuanfang in der rumänischen Politik, mit neuen Politikern, die nicht korrupt sind."
    Auch nach den Konsultationen protestieren wieder Zehntausende junge Leute auf dem Bukarester Universitätsplatz. Die 29-jährige Irina Petrovici ist mit ihrem Freund Wasile Moradu gekommen:
    "Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass sich was ändert. Aber was anderes kann ich nicht machen, als hierherkommen."
    "Wenn sich nichts ändert, protestieren wir eben weiter. Das ist ein historischer Moment. Seit der Wende sind noch nie so viele Leute auf die Straße gegangen. 1989 haben wir die Freiheit erlangt - jetzt wollen wir Gerechtigkeit."