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Rumänische Gefängnisse
Prominente Häftlinge prangern Missstände an

Seit Jahren diskutiert Rumänien über den Bau neuer Gefängnisse, denn offiziellen Angaben zufolge fehlt derzeit für ein Drittel aller rund 30.000 Häftlinge der Platz. Wegen der entwürdigenden Zustände verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Land bereits 2013 und 2014 zu Strafzahlungen. Getan hat sich wenig, doch jetzt beschweren sich auch prominente und wegen Korruption verurteilte Ex-Politiker.

Von Annett Müller | 12.03.2015
    Die rumänische Abgeordnete Elena Udrea tritt im Bukarester Parlamentssaal ans Mikrofon. Die landesweit prominente konservative Politikerin steht unter Korruptionsverdacht, mehrere Tage hat sie deswegen in Untersuchungshaft gesessen - im Bukarester Polizeiarrest. Was sie dort erlebt hat, sei schockierend, sagt sie:
    "Die Zelle ist gerade drei Mal drei Meter groß. Vier Frauen sind dort in Doppelstockbetten untergebracht. Warmes Wasser gab es nur morgens und abends. Von den Wänden bröckelte der Putz. Das WC war eine Hocktoilette - ohne Tür und ohne Vorhang. Wenn wir sie nicht benutzten, haben wir sie abgedeckt, damit durch die Öffnung keine Ratten kamen."
    Dass man sich als Journalist selbst ein Bild von den Bedingungen im Arrest macht, lehnt die Bukarester Polizei kategorisch ab. Zur Begründung heißt es: Die Bedingungen dort seien Verschlusssache. Maria Andreescu kann über soviel Geheimniskrämerei nur müde lächeln. Die Chefin der rumänischen Menschenrechtsorganisation Apador-CH erhält seit Jahren regelmäßig Zutritt zu den Untersuchungshaftanstalten und zu den Gefängnissen im Land
    "Die U-Haft in Bukarest ist extrem überbelegt. Würden wir uns an den EU-Standard halten, hätte jeder Insasse das Recht auf vier Quadratmeter Platz. Und stellen Sie sich das nicht üppig vor! Schon das Bett macht zwei Quadratmeter aus und irgendwo muss man sich ja auch noch bewegen können. Doch diesen Mindeststandard an Platz haben nur die wenigsten Gefangenen."
    Doch nicht nur an Platz mangele es, erzählt Andreescu. In vielen Haftanstalten sei das Trinkwasser völlig verdreckt, weil die maroden Leitungen, aber auch die Gebäude seit Jahrzehnten nicht erneuert wurden. In den Zellen wimmele es von Ungeziefer, das Essen, so die Insassen sei mäßig oder sogar ungenießbar. Das Thema würde von der Politik stoisch ignoriert und von der Gesellschaft zumeist totgeschwiegen, meint Andreescu:
    "Die Rumänen denken bis heute, dass Straftäter möglichst hinter dicken Gefängnismauern vor der Öffentlichkeit weggesperrt werden müssten. Hinzu kommt, dass es vielen Rumänen wirtschaftlich nicht gut geht und sie einen Schuldigen dafür suchen. Das sind für sie die Leute, die stehlen, die ihrer Meinung nach nicht nur mit Freiheitsentzug büßen, sondern im Gefängnis auch leiden sollen."
    Dass die oft unmenschlichen Haftbedingungen verschwinden müssten, mahnt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ständig an. Die rumänische Regierung steht inzwischen unter Zeitdruck. Noch in diesem Jahr muss sie laut einem Grundsatzurteil des Gerichtshofes einen Maßnahmenkatalog vorlegen, wie sie die Haftbedingungen verbessern will. Druck kommt aber nicht nur aus Straßburg, sondern inzwischen auch von prominenten Haftinsassen – rumänischen Ex-Politikern, die millionenschweres Staatsvermögen veruntreut haben und nun ihre zumeist mehrjährige Haftstrafe absitzen müssen.
    Zwar machen die derzeit nur ein Prozent der gut 30.000 Strafgefangenen in Rumänien aus, doch können sie sich gute Anwälte leisten, und sie sind immer noch bestens vernetzt mit den Medien. Ihnen höre die Politik inzwischen sehr genau zu, meint der stellvertretende Chefredakteur Florin Negrutiu von der Online-Zeitung Gandul, die regelmäßig über Korruptionsprozesse berichtet:
    "Die Politiker haben bislang nicht in bessere Gefängnisse investiert, weil niemand von ihnen glaubte, dass er dort landen würde. Jetzt ist es ein Thema für die Politik. Jetzt denken viele genau umgekehrt: Was, wenn ich eines Tages dort lande? Sie fragen sich, sollten wir nicht lieber das Leben in den Gefängnissen humaner gestalten?"
    Die 41-jährige Abgeordnete Elena Udrea engagiert sich dieser Tage stark für das Thema. Wegen weiterer Korruptionsermittlungen sitzt sie jetzt wieder in U-Haft. Udrea ist einer der reichsten Politikerinnen im Land. Ihre klägliche Gefängniszelle wollte sie kürzlich auf eigene Kosten renovieren lassen - weil die Staatsmittel dafür fehlen. Die Polizeiverwaltung lehnte ab. Man wolle nicht, dass Udreas Beispiel Schule mache, hieß es zur Begründung.