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Rumänische Justizministerin erklärt der Korruption den Kampf

Die rumänische Justizministerin Monica Macovei erhofft sich vom Beitritt ihres Landes in die Europäische Union eine grundsätzliche Reform der politischen Klasse und der öffentlichen Verwaltung. Die geplante "Agentur für Integrität", welche die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Politiker kontrollieren soll, stoße zwar auf Widerstand, doch sei sie entschlossen, gegen Korruption vorzugehen, betonte Macovei.

02.11.2006
    Christoph Heinemann: Was erwarten Sie vom Beitritt Ihres Landes zur Europäischen Union?

    Monica Macovei: Ich erwarte eine schnellere Entwicklung. Und wenn wir über das Justizwesen sprechen, so hoffe ich, daß das rumänische Justizsystem rasch in das europäische integriert wird. Die Zusammenarbeit zwischen rumänischen Gerichten und solchen in den Mitgliedsländern bedeutet ein wichtige Hilfe für die rumänischen Gerichte.

    Heinemann: Abgeordnete des rumänischen Parlaments widersetzen sich Ihrem Plan für einer "Agentur für Integrität", welche die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Politiker kontrollieren soll. Wie bewerten Sie diesen Widerstand?

    Macovei: Dieser Widerstand ist normal und menschlich. Dahinter stecken einige Abgeordnete, die nicht wollen, daß Ihre Vermögensverhältnisse kontrolliert werden und mögliche Interessenskonflikte an die Öffentlichkeit gelangen. Am Ende dieses Prozesses der Anti-Korruptions-Maßnahmen werden wir die politische Klasse in Rumänien grundlegend erneuern. Gegen Politiker wird inzwischen ermittelt, unabhängig davon, welcher Partei sie angehören und ohne irgendwelche Arrangements. Wir überprüfen auch, ob sie in der Vergangenheit mit der rumänischen Stasi Securitate zusammmengearbeitet haben. Mit allen diesen Maßnahmen möchten wir die politische Klasse und die öffentliche Verwaltung reformieren".

    Heinemann: Wurden Sie bei Ihrer Arbeit eingeschüchtert oder bedroht?

    Macovei: Nein, eingeschüchtert höchstens durch einige Positionen bestimmter politischer Gruppierungen.

    Heinemann: Gibt es Pläne, Sie aus Ihrem Amt zu entfernen?

    Macovei: Wenn es die gibt, kenne ich sie jedenfalls nicht. Möglich ist das schon"

    Heinemann: Wird es diese "Agentur für Integrität" eines Tages geben?

    Macovei: Ich glaube, es wird sie geben. Wir werden jetzt sehen, was die zweite Parlamentskammer aus dem Gesetz macht. Der Präsident könnte die Verkündung des Gesetzes verhindern, wenn dieses nicht mit dem übereinstimmt, was wir uns unter dieser Agentur vorgestellt haben. Dann gelangte das Gesetz abermals in das Parlament".

    Heinemann: Wie wird diese Agentur arbeiten?

    Macovei: Sie wird unabhängig sein. Sie wird Befugnisse haben, die Vermögensverhältnisse und mögliche Interessenskonflikte zu überprüfen. Sie kannn verpflichtende Entscheidungen treffen, welche zu disziplinarischen Sanktionen und zu einer Amtsenthebung führen können. Es ist aber wichtig zu betonen, daß diese Konsequenzen nur gezogen werden, wenn sie die Agentur einstimmig beschließt".

    Heinemann: Welche war bisher die wichtigste Reform im rumänischen Justizsystem?

    Macovei: Das waren die Gesetzesbestimmungen, die wir im vergangenen Jahr angenommen haben, und welche die volle Unabhängigkeit sowohl der Richter, als auch der Staatsanwälte garantieren, sowie die Effizienz des Systems sicherstellen. Außerdem wurde die Datenverarbeitung im Justizsystem verbessert. Heute verfügt jeder Richter und Staatsanwalt in Rumänien über einen Computer und IT-Zubehör. Bis zum Ende dieses Jahres wird jedem der Zugang zum Internet ermöglicht. Heute gilt das nur für etwa 80 Prozent. Internetanschluß bedeutet: Zugang zu dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, zum Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, Zugang zur Welt. Was die Korruptionsbekämpfung betrifft, ist die Einrichtung eines Büros von Anti-Korruptions-Ermittlern sehr wichtig. Seit einem Jahr hat dieses Büro viele Ermittlungen wegen Bestechlichkeit gegen Politiker, Zoll- und Polizeibeamte geführt".

    Heinemann: Gibt es im rumänischen Justizsystem noch mächtige alte Seilschaften?

    Macovei: In einigen Gebieten ja! Aber ich glaube, daß wir in der Lage sind, diese demnächst aufzulösen".

    Heinemann: Sie sollen Interesse gehabt haben, als EU-Kommissarin nach Brüssel zu gehen. Wieso haben Sie diesen Job nicht bekommen?

    Macovei: Ich habe immer gesagt, daß ich in Rumänien bleiben und die Reformen fortsetzen möchte. Diese sind noch nicht abgeschlossen. Sie sind zwar unumkehrbar, aber noch nicht fertig. Wir arbeiten gegenwärtig zum Beispiel an einer neuen Prozessordnung für Straf- und Zivilverfahren. Ich möchte diese Arbeit gern zu Ende führen".

    Heinemann: Die Mafia und andere kriminelle Organisationen werden traurig darüber sein, daß Sie nicht weggehen …

    Macovei: Ja, warscheinlich, aber ich werde in Bukarest bleiben".

    Heinemann: In Deutschland haben ehemalige Stasi-Verantwortliche Karriere gemacht, etwa in der Wirtschaft. Wie ist das mit den früheren Funktionären der rumänischen Securitate?

    Macovei: Meine Antwort beruht auf Behauptungen in den Medien. Offenbar ist das hier auch so".

    Heinemann: Von Ihrem Ministerium aus, können Sie den Palast sehen, den Diktator Ceaucescu hat erbauen lassen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie dieses Bauwerk anschauen?

    Macovei: Ich mag dieses Gebäude nicht, es ist hässlich und riesig. Aber wir müssen damit leben und sollten nicht immer an die Vergangenheit denken, sondern es jetzt so gut wie wir können nutzen. Es ist ein Symbol der Diktatur. Große Gebäude – große Diktatoren".