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Rumänische Medien
Neue Chancen für deutschsprachige Angebote?

Um rechtsstaatliche Grundsätze aufzuweichen, bedienen sich Regierungspolitiker in Rumänien auch der Medien. Während hinter privaten Sendern in der Regel die großen Parteien stehen, gilt auch das öffentlich-rechtliche Programm inzwischen nicht mehr als unabhängig. Für deutschsprachige Angebote liegt darin eine Chance.

Von Thomas Wagner | 14.11.2018
    Zeitungen hängen an einem Kiosk.
    Deutschsprachige Medien in Rumänien versuchen mit regierungskritischer Berichterstattung neue Leser zu gewinnen (picture alliance / dpa / Martin Gerten)
    20 Uhr rumänische Ortszeit, Auftakt zur Hauptnachrichtensendung im öffentlich-rumänischen Fernsehen TVR 1. Sie schaut da auf jeden Fall nicht mehr zu: Nina May, stellvertretende Chefredakteurin der in Bukarest erscheinenden "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien":
    "Ich persönliche gucke kein Fernsehen, weil man nicht mehr weiß, was man glauben soll, weil sehr viel reißerische, tendendenziöse Diskussionen laufen. Also ich persönlich suche mir Informationen aus den seriösen Agenturen."
    Mit dieser Meinung weiß sich die deutsche Journalistin, die seit über 15 Jahren in Rumänien arbeitet, nicht alleine.
    Viele private Sender von den großen Parteien beeinflusst
    "Da gibt es zum Beispiel die Antenne 3, ein privater, landesweiter Sender, der von einem ehemaligen Mitarbeiter der früheren Geheimpolizei gegründet wurde. Das ist ganz einfach ein regierungstreuer Propaganda-Sender, der aber handwerklich gut gemacht wird. Aber in den Talkshows geht es hauptsächlich darum, die Opposition zu verunglimpfen",
    so Marcel Tolcea, der an der West-Universität Timisoara Journalistik lehrt. Ähnlich verhalte es sich mit "Romania TV", einem weiteren landesweiten Nachrichtenkanal.
    Dass es in Rumänien daneben mit Digi TV und Realitate TV noch zwei weitere große nationale Informationsprogramme gibt, ist der besonderen Situation in Rumänien geschuldet: Hinter solchen privaten Sendern stehen in der Regel die großen Parteien oder den Parteien nahe stehende Personen mit viel Geld, die übers Fernsehen versuchen, Einfluss zu nehmen auf die öffentliche Meinungsbildung.
    Auch öffentlich-rechtlicher Sender TVR nicht mehr unabhängig genug
    Digi TV und Realitate TV stellt Journalistik-Professor Marcel Tolcea allerdings gute Noten aus; dort kämen auch die Oppositionsparteien zum Zuge. Eher kritisch sieht er die Informationsprogramme von TVR, dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen:
    "TVR 1 sollte als öffentlich-rechtliches Fernsehen eigentlich mit einer ausgewogenen Distanz über die Geschehnisse berichten. Aber die Umfragen zeigen: Das Vertrauen in das Programm ist ziemlich geschwunden. Das Programm überzeugt nicht mehr als unabhängiges Produkt. Auch sie machen nicht immer, aber manchmal Propaganda für bestimmte Parteien. Und oh Wunder: Das sind nicht die Parteien der Opposition, sondern die Parteien der Macht!",
    was damit zusammenhängt, dass in Rumänien derzeit ein auch in den Medien erbittert ausgetragener Machtkampf tobt: Die so genannte sozialdemokratisch geprägte Regierung bemüht sich derzeit redlich, die Strafvorschriften für Korruption und Amtsmissbrauch zu lockern, rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft zu setzen. Über die Medien will sie dies dem gemeinen Wählervolk plausibel machen.
    Politische Kontrolle durch geänderte Finanzierung: Staatszuschüsse statt Rundfunkgebühren
    "Leider Gottes ist auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen davon betroffen. Man stellt immer wieder fest, wie parteiisch die Sendungen sind. Und das hat auch eine Erklärung",
    nämlich die, dass Anfang 2017 die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens geändert wurde: Statt über Rundfunkgebühren finanziert sich die Anstalt nun über direkte Staatszuschüsse,
    "…das heißt: über die Vermittlung der Regierungsparteien. Weil die entscheiden ja, wie der Haushalt verteilt wird. Und diese politische Kontrolle spürt man sehr stark."
    So Ovideo Gant, Parlamentsabgeordneter des "Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien." Ihm geht es so wie vielen im Land: Das Vertrauen in die Medien sinkt.
    Neue Chancen für deutschsprachige Medien
    Vor diesem Hintergrund eröffnet sich für die deutschsprachigen Medien in Rumänien eine neue Chance. Zu denen gehören neben der "Banater Zeitung" deutschsprachige Rundfunk- und Fernsehprogramme, die " Hermannstädter Zeitung" sowie die "Allgemeine Deutsche Zeitung" in Rumänien. Deren Hauptaufgabe bestand in den vergangenen Jahren darin, den Informationsbedarf der ständig schrumpfenden rumäniendeutschen Minderheit zu bedienen. Zu der gehört bis heute...
    "...auch die alte Frau im Dorf, die noch ihre Büffel hütet und dann die ADZ liest, auch wenn sie nur einmal in der Woche mit dem Pferdewagen kommt",
    so Nina May, stellvertretende Chefredakteurin der ADZ. Doch längst versucht das Blatt mit aktuellen Beiträgen aus Kultur und Wirtschaft, aber auch mit regierungskritischen Kommentaren an neue potentielle Leser heranzukommen - Leser, die den rumänischsprachigen Medien nicht mehr trauen:
    "Es ist ein sehr bereiter Leserkreis. Es sind Diplomaten und Wirtschaftskreise aus deutschsprachigen Ländern. Es sind die Rumänen, die mit ihnen zu tun haben, Deutsch lernen oder Deutsch sprechen. Also es ist wirklich ein sehr breiter Leserkreis. Es aber sicherlich ein großer Spagat, die alle zusammen zu fassen und glücklich zu machen, sag ich mal."