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Die Wiederkehr der Virtuellen Realität

Schon in den 1960er-Jahren wurde mit Brillen experimentiert, die künstliche Räume in die Augen projizierten. In den 1990er-Jahren kam die CAVE auf den Markt, die erste serienmäßige, sehr teure Virtual Reality Visualisierung. Doch das Jahr 2017 gilt als das Jahr des Durchbruchs für die Virtuelle Realität. Und das liegt am Smartphone.

Von Maximilian Schönherr | 06.01.2018
    Ein älterer Mann in einer Motorradjacke trägt eine VR-Brille.
    Spritztour gefällig? Eine VR-Brille machte es möglich. (imago stock&people)
    Virtuelle Realität beruht auf einer Illusion. Der Benutzer setzt sich eine Brille auf, die ihn blind für alles um ihn herum macht und dafür das Bild einer anderen Welt einspielt. Eine VR-Brille, auch VR-Headset genannt, ist quasi ein Bildschirm direkt vor den Augen. Um den räumlichen Eindruck zu präsentieren, sind zwei Bilder nötig, für jedes Auge eines. Nikolai Bockholt koordiniert bei Google Deutschland in Hamburg die VR-Projekte und stellt die technischen Herausforderungen dar. Die größte ist die Leistung des Prozessors.
    "Die 3D-Elemente müssen in der stereoskopischen Ansicht flüssig darstellbar sein. Zusätzlich zur Prozessorkompomente muss natürlich auch ein gutes Display mit einer hohen Pixeldichte verbaut sein. Und neben Display und Prozessor gibt es noch eine dritte Komponente, nämlich die Sensorik, die die Kopfbewegung auf die Bewegung im virtuellen Raum überträgt. Sie muss auch einem entsprechenden Standard genügen."
    Mindestens 60 Frames per Second
    Die hohe Leistung erforderte noch bis vor kurzem starke Grafikkarten im stationären PC oder in der Spielekonsole. 2014 führte Google Cardboard ein, eine VR-Brille aus Karton zum selber Zusammenbauen, plus eine dazu gehörige Software-Entwicklungsumgebung. Man steckt vorn sein Mobiltelefon hinein, welches dann zwei Bilder auf die Augen projiziert. Ende 2015 zog Samsung mit derselben Technik nach und nannte sie Gear VR. Die ins Display montierten Handys in diesen Niedrigpreisgeräten schafften typischerweise eine Bildwiederholungsrate von 30 Frames per Second, also Bildern pro Sekunde – viel zu wenig, und oft verbunden mit Übelkeit beim Betrachter, die immer dann eintritt -
    "Wenn der Prozessor mit dem Darstellen der Inhalte nicht hinterherkommt und die virtuelle Bewegung nicht mit der realen Bewegung übereinstimmt. Wenn das Gehirn also sozusagen merkt, dass ihm dort etwas vorgespielt wird, was mit der Realität nicht übereinstimmt. Wir gehen immer von mindestens 60 Frames per Second aus. Das ist mindestens doppelt so viel, wie man das von zweidimensionalen Videos kennt. Und mit dieser Framerate ist es so, dass zumindest aus der technischen Komponente keinerlei Motion Sickness aufkommen sollte. Da sind manche Leute sensibler als andere."
    Der Daydream-Stempel
    Google hat aus der Erfahrung gelernt und deswegen für seine Daydream genannte VR-Technologie hohe Anforderungen an Smartphones gestellt, nicht zuletzt, um die Smartphones aus dem eigenen Haus nach vorn zu bringen. Eine interne Abteilung zertifiziert Handys von Drittherstellern. Ohne das Zertifikat kann die etwa 100 Euro teure mobile VR-Brille nicht betrieben werden. Der Zertifizierungsprozess ist intransparent. So haben die leistungsstärksten Smartphones von Huawei, Motorola und Samsung den Daydream-Stempel bekommen, die neuen iPhone-Flaggschiffe jedoch nicht. Google kommentiert diese Politik nicht.
    Eine der Virtuellen Realität verwandte Technologie ist die Augmentierte Realität, die auch immer stärker an Fahrt gewinnt. Nikolai Bockholt bringt die beiden Techniken so zusammen:
    "Wir sagen, dass Virtual Reality die Kraft hat, den Nutzer innerhalb eines Augenblickes überall hin auf der Welt zu befördern. Augmented Reality hat dagegen die Kraft, alles zum Nutzer hinzubringen, also kontext-sensitive Informationen zu liefern, zum Beispiel Informationen zu einem bestimmten Produkt, zu einer bestimmten Sehenswürdigkeit."