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Russisch-georgische Beziehungen
Proteste und Propaganda

Seit drei Wochen protestieren die Menschen in Georgien unter anderem gegen Russland. Moskau hat deswegen Flugverbote gegen das Kaukasusland verhängt. Russische Politiker und Medien machen weiter Stimmung gegen Georgien: mit altbekannten Mitteln.

Von Gesine Dornblüth | 11.07.2019
Menschen mit einer georgischen Flagge vor dem beleuchteten Parlamentsgebäude
Eine Kundgebung vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis (Sputnik/Alexander Imedashvily)
Das russische Staatsfernsehen kennt in diesen Tagen vor allem ein Thema: Georgien und die angeblichen antirussischen Unruhen in dem Kaukasusland. Seit Montag sind Direktflüge zwischen Russland und Georgien verboten. Am Dienstag schlug die russische Staatsduma der Regierung einstimmig vor, über das Flugverbot hinaus noch weitere Sanktionen gegen Georgien zu verhängen.
Russlands Präsident Wladimir Putin aber riet noch am selben Tag davon ab, "aus Respekt vor dem georgischen Volk", wie er sagte. Gestern dann berichtete die gewöhnlich gut informierte Zeitung "Kommersant" von Überlegungen im russischen Außenministerium, auch die Flugverbote nach Georgien wieder aufzuheben. Das wiederum schränkte Kremlsprecher Dmitrij Peskow ein: Noch seien russische Touristen in Georgien angesichts der, Zitat: "antirussischen, russophoben Stimmungen" gefährdet; es sei zu früh, über die Wiederaufnahme des Flugverkehrs zu sprechen. Ein Hin und Her.
Russische Vorwürfe
Im Föderationsrat, dem russischen Oberhaus, erklärte der Außenpolitiker Konstantin Kossatschjow:
"Die Georgier müssen wie wir auch lernen, in Frieden und Harmonie mit allen Nachbarländern zu leben. Und wir sind natürlich bereit, die Harmonie in unseren Beziehungen wieder herzustellen, aber unter der Bedingung, dass Georgien, dass das georgische Volk das will."
Konstantin Kossatschjow tat so, als hinge eine Verbesserung der Beziehungen nur von Georgien ab, nicht aber von Russland, das immerhin mehrere tausend Soldaten in den von Georgien abtrünnigen Separationsgebieten stationiert hat.
Gemischte Reaktionen in Georgien
In Georgien stoßen die Äußerungen der russischen Politiker auf ein geteiltes Echo. Außenminister Davit Zalkaliani lobte Wladimir Putins Reaktion, kritisierte dann aber, Russlands Präsident habe, als er gegen die Sanktionen sprach, die georgische Geschichte falsch dargestellt. Die wenigen prorussischen Politiker in Georgien fühlen sich von Wladimir Putin bestätigt. Staatspräsidentin Salome Surabischwili rief die Georgier zu Einigkeit und Frieden auf und unterstrich:
"Historisch ist Georgien ein Symbol der Toleranz, und wir werden nicht zulassen, dass mit dieser Tradition gebrochen wird."
Die Diskussion um Sanktionen gegen Georgien fällt in eine Zeit innenpolitischer Anspannungen in dem Land. Die Proteste vor dem Parlament halten mittlerweile seit drei Wochen an. Sie wurden zwar von dem Auftritt eines russischen Duma-Abgeordneten im georgischen Parlament ausgelöst, inzwischen geht es aber längst um innenpolitische Fragen. Dabei treten auch orthodox-religiöse Extremisten in Aktion, die eher mit Russland sympathisieren.
Ukraine im Fokus
Parallel zu Georgien hat die russische Propaganda diese Woche auch in der Ukraine eine "antirussische Hysterie" ausgemacht. Am Sonntag hatte das russische Staatsfernsehen eine sogenannte Fernsehbrücke mit einem prorussischen, ukrainischen Sender angekündigt. Ukrainer und Russen sollten, so hieß es aus Moskau, im Fernsehen miteinander ins Gespräch kommen. Der ukrainische Sender hat seine Teilnahme mittlerweile abgesagt. Die ukrainische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen geplanten Hochverrats. Im russischen Staatsfernsehen heißt es nun, ähnlich wie in Bezug auf Georgien, Russland wolle den Dialog, die Ukrainer seien dazu nicht bereit.
Propaganda bewusst machen
Für Kirill Martynow, politischer Redakteur der Moskauer Zeitung Nowaja Gaseta, kommt es darauf an, dieser Propaganda nicht auf den Leim zu gehen. Dem Sender Echo Moskwy sagte er:
"Für unsere russischen Propagandisten ist es der größte Traum, dass wir hier aufhören, die Korruption in Russland, die Wahlen, den Müll und das alles zu diskutieren und stattdessen über die Ukraine reden: Was sie für einen komischen Präsidenten und für schlimme Fernsehsender haben. Wir müssen uns auf diese Logik einlassen, aber wir sollten uns bewusst sein, was für ein Spiel sie uns vorschlagen."