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Russischer Dopingskandal
Personalwechsel für den Neuanfang

Seit der Doping-Skandal Ende 2014 öffentlich wurde, kämpft der russische Leichtathletik-Verband um seine Reputation. Die Olympiateilnahme russischer Athleten in Rio ist in ernster Gefahr. Jetzt tauschte der Verband in einer Sondersitzung das alte Personal aus.

Von Gesine Dornblüth | 16.01.2016
    Die Welt-Anti-Doping-Agentur wirft Russland systematisches Doping vor.
    Die Welt-Anti-Doping-Agentur wirft Russland systematisches Doping vor. (dpa / picture alliance / Robert Ghement)
    Der neue Präsident des Russischen Leichtathletik Verbandes heißt Dmitrij Schljachtin. Er ist 48 Jahre alt und derzeit Sportminister des Gebietes Samara an der Wolga. Mit Leichtathletik hatte er bisher wenig zu tun. Schljachtin war mal Sportschütze und machte dann Karriere beim Militär: Zunächst beim Sportklub der Luftwaffe in Samara, dort trainierte er Rugby-Spieler und Leichtathleten, später war er Chef des Klubs. Danach leitete er den bekannten Armeesportklub des Verteidigungsministeriums, ZSKA.
    Das Fachblatt Sowetskij Sport titelte heute denn auch, ein Oberst werde die Leichtathletik von den Knien erheben. Schljachtin selbst sieht sich als Krisenmanager. Er sagte nach seiner Wahl: "Die Aufgabe ist einfach umrissen: Wir müssen die russische Leichtathletik auf Weltniveau zurückbringen, das Vertrauen der IAAF und der WADA wieder gewinnen, und wir müssen das Recht unser Jungs und Mädels wieder herstellen, bei großen internationalen Wettkämpfen anzutreten."
    Reformen für die Olympiateilnahme
    Vor allem geht es um die Olympiateilnahme der russischen Leichtathleten in Rio. Wollen sie starten, muss der Russische Verband zunächst einmal wieder in den Weltverband aufgenommen werden, und das geht nur, wenn er zuvor eine ganze Reihe von Reformen durchführt. Sportminister Witalij Mutko sagte dem neuen Präsidenten heute seine Unterstützung zu und hob dessen Management-Erfahrung hervor. Schljachtin hat neben seiner Funktion als Regionalminister noch diverse andere Posten. Unter anderem ist er Vorsitzender eines Fußballklubs in Samara und Vizepräsident eines Eishockeyklubs in Togliatti. Kommentatoren lobten die Wahl. Wjatscheslaw Sambur, Redakteur bei dem Portal sports.ru: "Schljachtin ist ein Manager mit Reputation. Was mich allerdings beunruhigt, ist, dass er gleichzeitig sein Amt als Minister wahrnehmen will, also ein Staatsamt, und Präsident einer nichtstaatlichen Organisation sein wird. Eine der Arbeiten muss darunter leiden."
    Das Votum für Schljachtin war einstimmig. Zuvor hatten zwei von drei Mitbewerbern ihre Kandidatur zurückgezogen. Darunter Michail Butow, Generalsekretär des Verbandes. Das ist ein Signal. Denn Butow sitzt zugleich im Präsidium des Internationalen Leichtathletikverbandes. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hatte in ihrem vorgestern veröffentlichten zweiten Bericht kritisiert, dass die personelle Verflechtung des Internationalen und des Russischen Leichtathletikverbandes den Doping- und Korruptionssumpf erst ermöglicht habe. Das war gemünzt gegen den mittlerweile lebenslang gesperrten Ex-Präsidenten des Russischen Verbandes, Walentin Balachnitschow*. Er war zugleich Kassenwart der IAAF.
    Das alte Personal musste weg
    Nach eigener Darstellung hat der Russische Verband heute auch den Rest des Präsidiums komplett neu besetzt. Es sei darum gegangen, alle Namen zu vermeiden, die mit dem Doping-Skandal in Verbindung gebracht werden könnten. Die Funktionäre betonen allenthalben ihre Bereitschaft, mit der IAAF und der WADA zusammenzuarbeiten. Anfang der Woche war eine Arbeitsgruppe der IAAF in Moskau. In einer Erklärung war danach von "konstruktiven" und "professionellen" Diskussionen mit dem Russischen Verband die Rede. Sportminister Mutko sagte heute, er hoffe, dass der Russische Leichtathletik-Verband bereits im März seine vollen Rechte zurückerhalte.
    Viele bezweifeln, dass in der kurzen Zeit tatsächlich so tiefgreifende Veränderungen möglich sind, dass systematisches Doping, wie es die WADA Russland vorwirft, künftig ausgeschlossen werden kann. Der Sportredakteur Wjatscheslaw Sambur glaubt nach den heutigen Wahlen aber, dass die russische Leichtathletik auf dem richtigen Weg ist. "Die Leichtathletik liegt am Boden. Da muss etwas geschehen. Wir sehen jetzt erste Veränderungen und neue Leute. Wie Schljachtin. Vielleicht sind das nur vorübergehende Maßnahmen, vielleicht ändert sich aber langfristig etwas."
    *Anm. d. Red.: In vorangegangen Berichten wurde Walentin Balachnitschow als Walentin Balachnitschew bezeichnet. Dies war die falsche Schreibweise. Sein Familienname lautet richtigerweise Balachnitschow.