Donnerstag, 28. März 2024

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Russischer Dopingskandal vor Sportgerichtshof
Letztlich geht es um Glaubwürdigkeit

Der Internationale Sportgerichtshof CAS verhandelt über die von der Welt-Anti-Doping-Agentur gegen Russland verhängten Sanktionen wegen Staatsdopings. Für FAZ-Redakteur Christoph Becker ist das ein wichtiger Prozess in der langen sportrechtlichen Auseinandersetzung, er bemängelt im Dlf aber fehlende Transparenz.

Christoph Becker im Gespräch mit Marina Schweizer | 08.11.2020
Die russische und die olympische Flagge während der Schlussfeier der olympischen Spiele in Sotschi /Russland
Sotschi 2014 - Schlussfeier (picture alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
Im Dezember 2019 hatte die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt. Demnach dürfen russischen Athletinnen und Athleten vier Jahre lang nur als neutrale Athleten bei sportlichen Großereignissen wie Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften teilnehmen. Vorausgesetzt sie können beweisen, dass sie nicht Teil des staatlichen gelenkten Doping-Programms waren. Weil die russische Anti-Doping-Agentur (Rusada) die Sanktionen nicht akzeptiert, liegt der Fall aktuell beim Internationalen Sportgerichtshof CAS. Das Urteil soll laut CAS voraussichtlich Ende des Jahres fallen.
Laut Christoph Becker, Sportredakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), habe der Prozess eine "erhebliche Tragweite": "Mancher spricht jetzt davon, das sei der wichtigste sportgerichtliche Prozess seit Jahren. Und das ist nicht so ganz falsch, weil die ausgesprochene Sanktionierung, gegen die sich die Rusada jetzt wehrt, die schärfsten sind, die es bisher gab", sagte Becker im Dlf. "Deswegen muss man da schon gespannt sein, zu welchem Urteil die Schiedsrichter kommen."
"Schwierig, eine Prognose zu stellen"
Ein Urteil zu prognostizieren sei laut Becker schwierig, auch, weil der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wird. "Letztlich geht es darum, zu befinden, ob der gesamte Aufarbeitungsprozess dieses Dopingkomplexes in Russland und der Umgang damit durch die Sportverbände glaubwürdig ist", so Becker. "Wir wissen nicht, welche Argumente vorgetragen wurden. Wir wissen nicht, wie darauf eingegangen wurde. Insofern ist es schwierig, eine Prognose zu stellen." Die Verhandlung ist abgeschlossen, das Urteil wird noch in diesem Jahr erwartet.
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Die Welt-Anti-Doping-Agentur hatte entschieden, dass Russland vier Jahre lang nicht als Nation an internationalen Sportereignissen teilnehmen darf. Worum geht es genau?
Zudem gebe es im Prozess sehr viele unterschiedliche Punkte, so Becker. Am Ende könnte man über einzelne Sanktionen nachdenken, sollte das Urteil in Gänze keinen Bestand haben. Dabei dürfe man die Rolle Russland in den internationalen Sportverbänden nicht unterschätzen. "Russland ist hier ein enorm wichtiger Player", sagte Becker. "Es gibt zahlreiche Verbände, die durch Russland maßgeblich finanziert werden und wo Russen an der Spitze der Verbände stehen. Insofern gibt es auf der Ebene der internationalen Sportverbände großes Interesse, dass Russland nicht über Jahre hinaus ausgeschlossen wird.
Generalkritik am CAS
Seine Kritik an der mangelnden Transparenz durch den Ausschluss der Öffentlichkeit bei dem Prozess will Becker auch als Generalkritik am CAS verstanden wissen. Zwar sei das Schiedsgericht des CAS für solch einen Fall das richtige Forum, "man darf aber nicht vergessen, dass die ganze Saga des russischen Staatsdopings sich jetzt seit Jahren zieht. Sie hat dafür gesorgt, dass die internationalen Verbände ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben. Und dieses Problem wird nicht dadurch gelöst, dass bei einem derartig entscheidenden Prozess keine Öffentlichkeit gibt."