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Russisches Manöver "Sapad"
Militärübung mit vielen Fragezeichen

Russland und Weißrussland haben das gemeinsame Militärmanöver "Sapad" begonnen. Die Übung habe einen rein defensiven Charakter, hieß es vonseiten des Verteidigungsministeriums in Moskau. Kritiker fürchten aber, dass russische Soldaten nach der Übung nicht aus Weißrussland abziehen könnten.

Von Thileko Grieß | 14.09.2017
    Weißrussische Militärfahrzeuge fahren am 11.09.2017 in Weißrussland durch unwegsames Gelände.
    Gemeinsames Manöver von Russland und Weißrussland (dpa / Vayar Military Agency)
    Nach Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums ist dies das Szenario: Terroristen gelangen unter Unterstützung zweier – erdachter – Staaten auf russisches und weißrussisches Staatsgebiet. Sie gelte es zu bekämpfen. Alexander Fomin, stellvertretender Verteidigungsminister, nannte in Moskau unter anderem:
    "Eine spezielle Operation zur Vernichtung illegaler bewaffneter Gruppen, Stabilisierung der Lage, Seeblockade des Bereichs dieser Operation durch die Baltische Flotte, verhindern, dass sich illegale bewaffnete Gruppen über das Meer absetzen."
    Dann referierte Fomin Zahlen, die seither stets wiederholt werden: "Wir planen, in die Übung 12.700 Militärs einzubeziehen, etwa 7.200 aus Belarus und 5.500 aus Russland, von denen sich rund 3.000 in Belarus befinden. Einbezogen werden etwa 70 Flugzeuge und Helikopter, bis zu 250 Panzer, bis zu 200 Geschütze, Mehrfachraketen- und Granatwerfer sowie zehn Schiffe."
    Ab einer Anzahl von 13.000 Soldaten müssten nach OSZE-Regeln Militärbeobachter aus dem Westen Einsicht in die Übung nehmen können. Weißrussland erklärte, es habe Journalisten und Beobachter freiwillig eingeladen – von deren Seite heißt es indes, ihnen werde wohl nur begrenzter Bewegungsspielraum zugestanden. Oleg Belokonew, Chef des Generalstabs in Weißrussland, sagte, um Sicherheit zu gewährleisten, sei es unentbehrlich, dass beide verbündeten Armeen miteinander übten. Die NATO habe weit größere Manöver abgehalten, etwa im vergangenen Jahr "Anakonda".
    "Zweimal so viele Militärs, fast viereinhalb Mal so viel Kriegsgerät, eineinhalb Mal so viele Flugzeuge und Hubschrauber. "Anakonda" schloss unter anderem ein: Aufstellung von Aufklärungssystemen, Truppenverschiebung zur weißrussischen Grenze, Training von Angriffsaufgaben. Aber keiner war damals so aufgebracht wie heute."
    Dass der amtlich mitgeteilte Übungszweck der Kampf gegen imaginierte Terroristen sei, bezweifelt Pawel Felgengauer, der bei der kremlkritischen Nowaja Gaseta zu Militärthemen schreibt.
    "Das ist eine ziemlich dumme Bezeichnung. Es ist ganz klar, dass es um eine gesamtmilitärische Operation geht, an der alle Waffengattungen teilnehmen. Das heißt: Das ist keine Anti-Terror-Operation, sondern eine für die ganze Armee."
    Erneutes Verwirrspiel um Gesamtteilnehmer
    Zu den unter "Sapad 2017" zusammengefassten Übungen kämen andere in anderen Regionen hinzu. Die Teilnehmer seien vor allem Soldaten, die nun im Herbst nach ihrer Ausbildung aus der Armee ausscheiden. Nun könnten sie zeigen, was sie gelernt hätten. Ein Verwirrspiel um die Gesamtteilnehmer habe es in den vergangenen Jahren ebenso gegeben. Beispiel Übung Kaukasus im vergangenen Jahr, als es zunächst geheißen habe, 12.000 Soldaten nähmen teil.
    "Der Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat später öffentlich gesagt, dass 223.000 teilgenommen hätten. Generalstabschef Gerassimow erklärte, dass die 12.000 diejenigen gewesen seien, die im Übungsgelände mit Kampfmunition geschossen hätten."
    Felgengauer vertritt die Ansicht, dass das russische Militär mit den Großübungen nicht allein die NATO beeindrucken wolle. Vielmehr habe der Apparat auch den eigenen Präsidenten, Wladimir Putin, im Blick – es gehe schlicht ums Geld.
    "Man muss ihm einen Schrecken einjagen, damit er mehr Geld gibt. Die Militärs bereiten sich ernsthaft auf einen Krieg vor, der als fast unvermeidlich erscheint."
    Um in den nächsten Tagen zu proben, stelle Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko sein Land bereitwillig zur Verfügung.
    "Für Lukaschenko ist es sehr wichtig, Moskau seine Bündnistreue zu beweisen. Dafür bekommt er viel Geld. Weißrussland hat bei Russland Schulden, kann sie aber nicht zurückzahlen, bekommt immer neue Kredite. Vor kurzem hat es einen weiteren Kredit bekommen."
    Fraglich bleibt, ob russische Militärs oder Technik nach dem Ende des Manövers in Weißrussland bleiben. Dagegen spricht, dass Lukaschenko zuletzt auch wiederholt eine Nähe zum Westen gesucht hat, um nicht gänzlich in Moskaus Fänge zu geraten.