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Russland-Affäre
"Dann reden wir von Falschaussage unter Eid"

"Das ist der erste Beweis, dass es tatsächlich Verbindungen gegeben hat", sagte der Politikexperte Michael Dreyer im Dlf über die neusten Enthüllungen in der Russland-Affäre. Nun sei die Frage, was der Präsident über das Treffen seines Sohnes mit einer russischen Anwältin wusste. Die Konsequenzen könnten erheblich sein - politisch wie juristisch.

Michael Dreyer im Gespräch mit Christine Heuer | 12.07.2017
    U.S President Donald Trump looks on during a meeting with President Moon Jae-in of the Republic of Korea in the Oval Office of the White House in Washington, DC, on June 30, 2017. US-Präsident Donald Trump bei einem Treffen mit dem koreanischen Präsidenten Moon Jae-in im Weißen Haus am 30. Juni 2017.
    Die Russland-Affäre belastet US-Präsident Donald Trump seit Monaten. (dpa / Olivier Douliery)
    Christine Heuer: "Wenn es das ist, was Du sagst, liebe ich es." So enthusiastisch schrieb Donald Trump Junior im US-Wahlkampf zurück, als ein Freund der Familie ihm kompromittierendes Material über Hillary Clinton anbot, vermittelt über eine "russische Regierungsanwältin". Deren Informationen seien – auch das ein Zitat – "als Teil der Unterstützung Russlands und seiner Regierung für Mr. Trump zu verstehen". Der älteste Sohn des heutigen US-Präsidenten war also bewiesenermaßen bereit, mit den Russen gegen die US-Demokraten zu kooperieren. Aber was bedeutet das für Donald Trump im Weißen Haus?
    Am Telefon begrüße ich Michael Dreyer, Politikwissenschaftler, US-Experte an der Universität Jena. Guten Tag.
    Michael Dreyer: Schönen guten Tag.
    Heuer: Die Vorwürfe an Donald Trump sind ja inzwischen Legion, Herr Dreyer. Hat dieser jetzt eine andere Qualität?
    Dreyer: Ich würde schon sagen, dass der eine andere Qualität hat, und zwar, weil bislang waren alle Vorwürfe über die russischen Verbindungen Vermutungen und das ist jetzt die erste harte Evidenz, der erste echte Beweis, dass es da tatsächlich Verbindungen gegeben hat. Das ist zwar keine Verbindung zum Kandidaten Trump persönlich gewesen, jedenfalls wissen wir das noch nicht, aber es ist immerhin eine Verbindung zu seinem ältesten Sohn. Und was die Sache noch deutlich problematischer macht ist, dass bei dem Treffen, das da stattgefunden hat, ja auch sein damaliger Kampagne-Manager, Wahlkampfmanager Manafort dabei gewesen ist und sein Schwiegersohn Jared Kushner, der eine wesentlich größere Rolle im Wahlkampf und jetzt in der Administration gespielt hat als Donald Trump Junior. Also es ist nicht nur der Sohn, der was für seinen Vater tut, sondern es sind auch tatsächlich zwei hochrangige, höchstrangige Mitglieder des Wahlkampfteams dabei gewesen, und das ist schon was anderes.
    Heuer: Welchen Unterschied macht denn das genau? Bleiben wir bei Jared Kushner. Paul Manafort ist ja immerhin ausgeschieden, Donald Trump Junior ist "nur" der Sohn, aber Jared Kushner ist einer der Chefberater im Weißen Haus.
    "Belege, wo wir bislang nur Vermutungen hatten"
    Dreyer: Es macht den Unterschied, dass wir jetzt die Belege dafür haben, wo wir bislang nur Vermutungen hatten, und natürlich, dass das Weiße Haus bislang immer erklärt hat, dass da absolut nichts zu sehen ist, und danach sieht es jetzt nicht mehr aus. Ich meine, alleine schon die Tatsache, dass der damalige Kampagne-Manager sich die Zeit nimmt, zu so einem Meeting zu gehen, und nicht irgendeinen Vertreter schickt, das zeigt ja, wie hoch das angesiedelt wurde bei dem Kandidaten Trump. Und dass da hinterher nichts rausgekommen ist, na ja, das ist nun keine echte Entschuldigung. Das ist so ähnlich, als ob man einen Safe knackt und sich dann beschwert, dass er leer gewesen ist.
    Heuer: Nun sagt Donald Trump Junior ja, er habe seinem Vater nichts von dem Treffen erzählt. Mal unabhängig davon, wie glaubwürdig das ist, ist das am Ende der entscheidende Punkt? Kann Donald Trump so lange nichts passieren, bis ihm bewiesen werden kann, dass er tatsächlich informiert war, also selber aktiv geworden ist?
    Dreyer: Seit Watergate gilt eigentlich die Faustregel, der Cover Up ist schlimmer als das ursprüngliche Vergehen. Es ist gut möglich, dass Donald Trump von dem ursprünglichen Treffen nichts gewusst hat, aber dann gilt wiederum die Watergate-Frage: Was wusste der Präsident und wann wusste er es. Das sind dann genau die Fragen, die es herauszufinden gilt. Wir reden hier jetzt nicht mehr über Gespräche mit Journalisten, die folgenlos sind, sondern es gibt ja schließlich einen Spezialuntersucher des FBI, Mueller, der sich dieser Sache jetzt annehmen wird, und dann reden wir von Falschaussage unter Eid und das kann erhebliche Konsequenzen haben.
    Heuer: Nämlich welche?
    Dreyer: In den USA hat so was auch in der Regel erhebliche Konsequenzen. Mehrere der Mitarbeiter von Nixon sind genau aus so einem Grunde ins Gefängnis gegangen.
    "Kann sehr schnell zu einem juristischen Problem werden"
    Heuer: Nun hat man ja den Eindruck, dass sich seit Richard Nixon manches anders entwickelt hat in den USA, und man wundert sich ja, mit wie vielen Dingen Donald Trump bisher durchgekommen ist. Inwiefern ist das alles juristisch relevant, was wir jetzt in den jüngsten Tagen erfahren haben? Falschaussage unter Eid ist das eine; Es steht, Spekulation, aber immerhin, der Gedanke an Landesverrat im Raum.
    Dreyer: Ja, der ist natürlich auch im Hintergrund vorhanden, wobei Verrat, Treason, in der Verfassung genau definiert ist. Treason ist etwas, was nur im Krieg vorkommen kann. Es kann sich also nicht um diese Art von Verrat handeln, da die USA nicht im Krieg ist. Was aber natürlich da ist: Es ist eine Verschwörung, um demokratische Wahlen zu verändern. Das ist auch ein Problem. Und wenn das gar eine Verschwörung mit einer ausländischen Regierung ist, dann wird es erst recht zu einem Problem. Wobei: Das meiste an diesem Problem, so wie wir es bislang wissen – und wir wissen natürlich noch nicht viel; das ist ja erst gestern öffentlich geworden -, ist eher ein politisches als ein juristisches Problem. Es kann zumindest sehr schnell zu einem juristischen Problem werden.
    Heuer: Und danach wollte ich Sie fragen. Bislang ist es aber ein politisches Problem und das heißt, wir gucken wieder einmal auf die Republikaner und stellen die Frage, was muss passieren, damit die Republikaner Donald Trump fallen lassen.
    Dreyer: Es ist die gleiche Antwort, die alle Kollegen, die Sie jemals dazu interviewt haben, bislang gegeben haben. Es muss sich auswirken auf ihre eigene politische Zukunft. In dem Moment, in dem die schlechten Umfragewerte, die Donald Trump ja hat – und das sind historisch schlechte Werte -, die Wiederwahlchancen der republikanischen Senatoren und Repräsentanten in ihren eigenen politischen Revieren behindern und gefährden, dann werden sie ihn fallen lassen. Bis dahin wird das nicht passieren, zumal die Basis von Trump, die Leute, die den Kern der Republikanischen Partei ausmachen, ja zu ihm stehen. Diese Leute reichen zwar nicht aus, um Wahlen zu gewinnen, aber sie reichen aus, um eine Vorwahl zu verlieren, und im Moment müssen die Senatoren und Abgeordneten noch mehr Angst haben, dass, wenn sie sich gegen Trump stellen, das dann in ihrer eigenen Partei einen Aufstand geben wird.
    "Solange es geht, loyal zum Präsidenten stehen"
    Heuer: Herr Dreyer, ich möchte Sie noch rasch fragen: Es fällt auf, dass Mike Pence, der Vizepräsident, sich ungefragt distanziert hat von diesen jüngsten Vorgängen um Donald Trump Junior. Das ist jetzt wirklich sehr spekulativ, aber es gibt ja auch offensichtlich Quellen im Weißen Haus, die all diese Dinge durchstechen. Kann es sein, dass sich da jemand nicht nur distanziert, sondern vielleicht längst intern auslotet, ob er nachrücken könnte für Donald Trump? Ist das eine Option?
    Dreyer: Nun, das ist ein Gedanke, den sicherlich jeder Vizepräsident irgendwann mal hegt, normalerweise am Ende der Amtszeit eines Präsidenten. Aber das Problem ist hier für Mike Pence genau das gleiche wie für die Senatoren und Repräsentanten. Er kann nicht illoyal erscheinen. Er muss, solange es irgend geht, loyal zum Präsidenten stehen. Nur noch mal die Erinnerung: Wir reden jetzt über den Sohn des Präsidenten. Dass der Präsident selbst davon gewusst hat, das wissen wir noch nicht.
    Heuer: Der Politikwissenschaftler Michael Dreyer, US-Experte. Ich habe mit ihm gesprochen über die jüngsten Enthüllungen in der US-amerikanischen Russland-Affäre. Herr Dreyer, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.
    Dreyer: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.