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Russland rüstet auf zur Duma-Wahl

Die russische Armee ist lohnendes Ziel im Duma-Wahlkampf: Wer die Soldaten auf seiner Seite hat, hat einen guten strategischen Schritt Richtung Wahlerfolg getan. Garniert mit sanft antiwestlicher militärischer Brüstung wird da ungetarnt um Stimmen gebuhlt - alles, natürlich, für Mütterchen Russland.

Von Robert Baag | 01.12.2011
    In weißen Wölkchen schwebt der Atem von Oberleutnant Maxim Sergejev in den hellblauen Himmel über dem winterlich verschneiten Baschkortastan, vielen vielleicht noch aus Sowjetzeiten als "Baschkirien" ein Begriff. Tiefe Provinz jedenfalls für Moskauer oder St. Petersburger Einwohner. Doch hier, so will die Fernsehkamera vermitteln, stehen Männer wie Sergejev und seine Untergebenen rund um die Uhr bereit, auch sie, die Metropolenbewohner, zuverlässig, vor feindlichen Raketenüberfällen zu schützen: Vier, fünf, sechs Flugabwehr-Raketen rauschen dann im 45-Gradwinkel, jeweils einen schmalen Kondensstreifen hinter sich lassend, Richtung Westen.

    "Unsere Technik, auf die können wir stolz sein, auf das, worüber wir hier verfügen"," lobt Sergejev - und streichelt dabei schon beinahe zärtlich den tarnfarbigen Schützenpanzer, seinen Kommandostand.

    ""Mehr Sold wird's geben"," sagt er und setzt - ganz überzeugtes Pflichtbewusstsein - hinzu: ""Für so viel Geld muss man sich dann schon Mühe geben, arbeiten und Schweiß vergießen..." - Eine konkrete Zahl indes erfährt der Zuschauer nicht.

    Bei Sergejevs zu Hause. Hier übernimmt jetzt die Gattin, derweil Sergejev im Hintergrund mit dem Söhnchen herumalbert:

    "Der Staat kümmert sich uns." Sie schaut ernst in die Kamera und meint dann: "Und zwar nicht nur mit Worten. Wir sehen doch, was er für uns tut."

    Vorwahlzeit in Russland. Und die Botschaft ist daher doppelt simpel: Lob und Zuwendung für die Armee gibt es von ganz oben und soll es auch weiterhin geben. Die Streitkräfte, das traditionelle Sorgenkind in puncto "veraltete Technik" und "sozialer Absicherung", Männer wie Sergejev, sie können und werden sich im Gegenzug uneingeschränkt der Landesverteidigung widmen.

    Denn die Zeiten sind ungewiss: Da ist zum Beispiel der ominöse Plan der USA, in Europa einen Raketen-Schutz-Schild gegen sogenannte Schurkenstaaten wie den Iran oder Nordkorea zu errichten. Der Westen, Washington, die NATO, sie alle wollen aber nicht so, wie Moskau will, wie der derzeitige Oberkommandierende, wie Staatspräsident Dmitri Medwedew. Der macht zufällig aber auch noch Wahlkampf für die Duma, als Spitzenkandidat der sogenannten Putin-Partei "Jedinaja Rossija", ("Geeintes Russland"). Und jetzt also ist Medwedew angesichts der Hartleibigkeit der ausländischen Gegenseite fernsehwirksam der Kragen geplatzt - so zumindest soll das wohl wirken, als er überraschend in die westlichste Ecke seines Landes fliegt, in die Enklave Kaliningrad, das frühere ostpreußische Königsberg:

    "Genosse Oberkommandierender, gestatten Sie, die Radarstation in den Modus 'gefechtsmäßig' zu versetzen?"," bittet schneidig der kommandierende Offizier der Frühwarnanlage, in nächster Nähe der polnischen und litauischen Grenze, beides NATO-Staaten immerhin.

    ""Genehmigung erteilt"," gibt Medwedew ebenso forsch zurück - auch wenn er in Haltung und Körpersprache den Zivilisten nicht so ganz verbergen kann.

    "Zu Befehl!", kommt postwendend die Antwort - und dann: "Genosse Oberkommandierender: Die Radarstation hat begonnen, in ständiger Bereitschaft zu arbeiten!""Ich hoffe"," so Medwedew ein wenig hilflos wirkend, "dass sie richtig arbeiten wird."
    Später, in vertrauterer Umgebung, zurück in Moskau, legt Medwedew - sich erneut ganz entschlossen gebend - nach:

    "Wenn man uns sagt, dieser Schild ist nicht gegen euch gerichtet, dann möchte ich heute folgendes sagen: Verehrte Freunde, diese Frühwarn-Radarstation, die jetzt ihre Arbeit aufgenommen hat - die ist auch nicht gegen euch gerichtet. Sie ist nur für euch! Und: für die Lösung jener Aufgaben, die wir uns stellen."

    Und noch eine Art Zugabe an die Adresse des Westens: Wenn nötig, werde Russland im Gebiet Kaliningrad auch noch atomwaffenträgerfähige Kurzstrecken-Raketen vom Typ "Iskander" aufstellen. Unabhängige russische Militärexperten lächeln an dieser Stelle verhalten: Jenseits allen Wahlkampfgeklingels wüsste die russische Führung ebenso wie ihre Generalität, dass von dem US-Projekt keine Gefahr drohe und die USA fern von jedweder Angriffsplanung seien. Solche Schlussfolgerungen indes sind unerwünscht, zumindest in Wahlkampfzeiten und vor allem dann, wenn so kurz vor dem Urnengang die Zustimmungsrate zum Tandem Putin/Medwedew und deren Partei im Sinkflug begriffen ist - dies zumindest wollen unabhängige Meinungsumfragen schon wissen.